Reisetagebuch Island – Etappe 2: Bei jedem Wind und Wetter
Auf der zweiten Etappe ihrer Island-Reise kommt Ann-Kathrin, auch bekannt als affe_auf_bike, auf den Färöer-Inseln an und trotzt dort den ersten Naturgewalten.
Verträumt stehe ich an der Reling und schaue in die Ferne. Die Sonne färbt den Himmel weinrot und die gut vier Meter hohen Wellen schütteln die Fähre gewaltig durch. Island, ich komme. Draußen ist es frisch und nur meine Motorradjacke schenkt mir etwas Wärme. An Deck schaue ich mich um; niemand hier. Die Menschenmassen, die sich noch vor wenigen Stunden hier an Deck versammelt hatten, verkriechen sich mittlerweile in ihren Kabinen. Vermutlich ist den Leuten schlecht und sie göbeln fleißig um die Wette. Meine Vermutung bestätigt sich indirekt, als eine fette Welle auf die Fähre klatscht, mich einige Meter über das Deck mitreißt und ich im Erbrochenen zum Erliegen komme. „Bäääh!“, dachte ich und schüttelte die Kotz-Reste von meiner Jacke. Auch mir ist spätestens jetzt flau im Magen und es ist echt der richtige Zeitpunkt, sich in die Kabine zu begeben. Ich hatte die Idee: „Schnell schlafen, bevor auch mich die Seekrankheit ereilt.“
Erster Stopp auf den Färöer-Inseln
Am nächsten Morgen wache ich von den Lautsprecherdurchsagen auf der Fähre auf. Es ist Zeit, meine Sachen zusammenzuräumen und die Fähre für einen kleinen Zwischenstopp auf die Färöer-Inseln zu verlassen. Ich stülpe mir meine drei dicken Pullis über, werfe meine Motorradjacke sowie die Regenkombi oben drüber und verlasse mit meinem Bike die Fähre. OBWOHL ich so fett eingepackt bin, bereue ich gerade mein Reiseziel! Zumindest für einen kurzen Moment, denn ich werde unmittelbar vom Starkregen und aufgrund des heftigen Windes von der Straße gefegt. Nur schwer kann ich mein Bike halten und es fällt mir auch echt schwer, es wieder auf die Straße zu bekommen. Mein Herz rast. „Weniger als eine Minute auf der Insel und schon muss ich Angst um mein Leben haben“, denke ich und muss kurz anhalten, um einmal tief durchzuatmen und mich zu sammeln. Erschwerend peitscht mir auch noch der Regen ins Gesicht und ich kann kaum meine Augen offen halten. Typisch: hätte ich mir zu meinem geilen Helm noch eine gescheite Brille ausgesucht, hätte ich immerhin ein Problem weniger … Ich kann mir dennoch ein Schmunzeln nicht verkneifen. DAS bin nun mal eben ich und DAS sind einfach meine Abenteuer. Bei fünf Grad Celsius und völlig unterkühlt folge ich irgendwelchen Straßen. Der Nebel zieht sich über die gesamten 18 Färöer-Inseln und macht die kühle Lage zwar nicht angenehmer, aber um so viel schöner. Die Natur hier ist einmalig! Vielleicht sogar das Schönste, was ich je sehen durfte. Grün, nass, nebelig … so wahnsinnig mystisch – einfach WOW!
Viel Regen, viel Nebel und wunderschöne Natur
In meinen Tagträumen gefangen, habe ich die Kälte mittlerweile komplett ausgeblendet. Zu schön ist die Natur und zu viel Spaß macht das Motorradfahren. Da muss ich mich doch wegen irgendwelcher Kleinigkeiten nicht aufregen. Eine Landstraße führt mich immer weiter hinauf auf einen Berg. Links ein Abgrund, in dem sich gerade eine Wolkenwand aufbaut. Im Regen kommt das Grün der Gräser erst richtig zur Geltung. Und der Geruch erstmal! „Dass ich das erleben darf“, denke ich und kann meinen Blick erst lösen, als ich in meinem Augenwinkel eine Bewegung wahrnehme. Schafe. Anstelle einer Bremsung oder einfach auf der Straße zu bleiben, mache ich reflexartig das, was ich nicht machen sollte: ausweichen. Der Starkwind, gegen den ich zuvor mit meinem Lenker arbeiten musste, ist in diesem Moment auch nicht gerade förderlich. Haarscharf verfehle ich die Klippe und sollte somit eine weitere Chance, leben zu dürfen, bekommen. Während ich kurz vor einem Herzinfarkt stehe und Schnappatmung habe, spaziert die Schafherde seelenruhig weiter.
Nach dem Abenteuer kommt die Ruhe
Für heute reichen mir die Abenteuer. Ich parke mein Motorrad ein Stückchen weiter am Wegesrand, baue mein Zelt auf und koche mir mit meinem Gaskocher Spaghetti „Bolo“. Mit vollgeschlagenem Magen schlüpfe ich in meinen Schlafsack, genieße nochmals die atemberaubende, grüne Landschaft und schließe mein Zelt. Warm eingekuschelt lausche ich dem Wind und dem leichten Prasseln des Regens auf meiner Zeltwand. Angekommen. Genau jetzt, genau hier fühle ich mich zu Hause und angekommen.