Überglücklich falle ich aufs Sofa. Noch immer kann ich mein Glück kaum fassen; gestern noch lag ich bei Sturm in meinem Zelt, wurde klitschnass. Und heute? Heute darf ich duschen, essen, trinken und die Gesellschaft anderer Biker genießen. „Verrückt, wie schnell sich auf einer Reise alles verändern kann“, denke ich und schaue mir die schimmelige Tapete über mir an. Ich genieße dieses kurze Gefühl der Sicherheit. Wer weiß schon, wann ich wieder draußen schlafen werde und der nächste Sturm auf sich warten lässt? Wohlig und warm, mit dem Geschmack von Rum und dem Anblick von grünem Schimmel schlafe ich ein. Gegen 8 Uhr morgens wache ich von dem Geruch frisch aufgebackener Brötchen auf. Wieder einmal kann ich mein Glück kaum fassen. Schnell schlüpfe ich in meine Jogginghose, husche die Treppen des alten Bauernhauses hinunter und erblicke einen gedeckten Tisch, gefüllt mit wunderbaren Dingen, die ich gleich essen darf. Jauchzend, wie ein kleines Kind, bin ich schneller am Tisch, als ich laufen kann. „Auaaa“, schreie ich auf, als ich mit meinem kleinen Zeh gegen ein Stuhlbein knalle. Die Männer, die bereits mitten beim Frühstücken sind, lachen laut auf. Auch ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen und freue mich wahnsinnig darauf, auch gleich dieses tolle Frühstück genießen zu dürfen.
Von den Färöer-Inseln nach Island
Nach dem leckeren Essen packe ich überglücklich mein Gepäck zusammen. Ich mache mich bereit für die abendliche Fähre, die mich von den Färöer-Inseln hinüber nach Island bringen soll. Dankbar umarme ich die Jungs zum Abschied, die mich über Nacht aufgenommen haben, und mach mich schließlich wieder allein auf meinen Weg. Heute scheint die Sonne und nur vereinzelt zieht Nebel auf. Ich fahre die Straßen entlang und rein in einen Tunnel. Spaßeshalber drehe ich am Gas. „Brummmm“, sagt die Harley und soll einen Tinnitus bei mir auslösen, der die nächsten 3 Tage nicht verschwinden dürfte. Trotzdem muss ich schmunzeln. Mir geht’s einfach zu gut. Nachdem ich den Tag und die Sonnenstrahlen genossen habe, geht es für mich wieder auf zum Fährhafen nach Tórshavn und mit der Smyril-Fähre ab nach Island.
Island, ich komme …
Die Fährfahrt stellt sich als nicht besonders spektakulär dar. Wir hatten eine ruhige See und ich habe die Überfahrt nahezu komplett verschlafen. Erst eine viel zu laute Durchsage reißt mich aus dem Schlaf und lässt mich realisieren: „Ich habe Island erreicht!“ Einer meiner größten Träume wird wahr. Island, ich komme … übermotiviert, bin ich plötzlich hellwach, will die Treppen zu meinem Bike hinunterlaufen und benötige natürlich erst mal gefühlte fünf Stunden, um die richtige Etage zu finden. Nachdem fast alle Autos schon von Bord gefahren sind und ich ohne Hilfe nicht klarkomme, leitet mich ein Mann mit knallgelber Weste persönlich zu meinem Bike. „Wie zur Hölle komme ich überhaupt ohne Hilfe durchs Leben?“, frage ich mich und kann kaum glauben, dass ich tatsächlich schon drei Jahre auf Reisen bin. Würde ich den ganzen Bums nicht festhalten und mit euch teilen, dann würde das sicher kein Schwein glauben. Erst recht nicht die Leute, die mich richtig kennen. Ich bin die verpeilteste Person, die ich kenne!
Einzigartige Momente bei der Ankunft im Land der Geysire
Ich rolle also als letztes Fahrzeug von der Fähre und bin einfach nur geflasht! Die Natur, die Berge … so rau, so beeindruckend, ja fast schon einschüchternd. Ich weiß genau, warum ich auf Reisen bin: exakt für Momente wie diesen! Momente und Erinnerungen, die ewig bleiben werden. „Zumindest so lange, bis ich einmal nicht mehr sein werde“, denke ich und stehe schon kurz darauf wieder einmal schlüsselsuchend, an einer Tankstelle. Wie ich mich selbst kenne, ist der Schlüssel sicherlich in der hintersten Ecke meines verpackten Gepäcks. Ich krame also alles auseinander, versperre die Tanksäule und gehe damit etlichen Autofahrern auf den Keks, um dann am Ende festzustellen, dass sich der Schlüssel in meiner Jackentasche an Ort und Stelle befindet ... „Ich bin ready für eine heiße Quelle“, denke ich mir nach dem Desaster und begebe mich auf die Suche nach dem, weshalb wahrscheinlich 99 Prozent der Touris hier sind: die Quellen, bei denen das Wasser durch vulkanische Tätigkeit erhitzt wird und hierdurch richtig warm an die Oberfläche tritt. Island hat ca. 130 Vulkane, sprich, die eine oder andere heiße Quelle wird sich schnell finden lassen. Über F-Straßen, das sind Offroad-Wege in Island, gelange ich gegen Nachmittag an einen nahezu magischen Ort. Ein Fluss durchquert das schöne Grün und endet mit einem kleinen Wasserfall in einer heißen Quelle. „Ich bin im Himmel“, denke ich mir und schlüpfe in meinen Bikini. Ich liebe das Fahren ohne Navi, es führt mich an die schönsten und abgelegensten Orte dieser Welt. Keine Touristen, seelenruhig, allein. Nur ich, die Natur und … so ein anderer Typ, der planschend in der heißen Quelle chillt. In der folgenden Episode zur fünften Etappe erwartet euch: ein Blick zur Mitternachtssonne und der erste kleine Unfall …