Utah – Lieblingsfarbe Rot

Allein das Passieren der Staatengrenze von Colorado hinein Utah macht klar, was uns hier erwartet ...
12.11.2024
| Lesezeit ca. 7 Min.
Tim & Jessy Tretter
Tim & Jessy Tretter
Offroadspaß im Überfluss in herrlich rot leuchtenden Wüstenlandschaften. Ein schier unendliches Netzwerk an Schotter-, Sand- und Salzstrecken zum Austoben erwartet uns.

Die ersten Meter in Utah fahren wir die Dolores Triangle Safari Road, durch Canyons und Tiefsand. An Dinosaurierspuren vorbei führt unsere Tour hinein nach Moab, dem sagenumwobenen Offroadpielplatz inmitten der roten Felsen und Canyons des herrlichen Bundesstaats. Darauf freuen wir uns schon seit Beginn der Reise. All die legendären Strecken: Slickrock, Chicken Corners, Shafer, White Rim, Potash, Lockhart Basin, Fins & Things, Hells Revenge, und, und, und. Man bräuchte Monate, um all die Strecken zu erkunden. Und nicht wenige Besucher machen dies genau so. Offroadenthusiasten aus dem ganzen Land fahren mit ihrem Wohnmobil und dem Spielzeug ihrer Wahl hierher. Sie campen monatelang in der Wüste rund um Moab und klappern alle Routen ab.
Paraglider in der Wüste
Die Paraglider in Moabs Sonnenuntergang sehen aus als hätten sie ordentlich Spaß, vielleicht tauschen wir unsere Motorräder für ein paar Stunden
Wir hingegen finden ein Plätzchen nordöstlich der Stadt und schlagen unser Zelt auf einem kleinen Hügel mit perfektem Blick über die Landschaft in Richtung Sonnenuntergang auf. Immer wieder fliegen motorisierte Paraglider vorbei und irgendwo hört man in der Ferne eine Enduro knattern. Einfach herrlich hier.
Chicken Corners Offroadstrecke
Der Blick in den roten Canyon am Ende der Chicken-Corners-Strecke
Unsere Wahl für den ersten Trip ist Chicken Corners, ein absolutes Highlight, mit einer Mischung aus allem, was Moab ausmacht. Zunächst führt der Trail über eine eine entspannte Dirtroad am Fluss entlang durch wunderschöne Canyons. Nach und nach wird die Strecke enger und anspruchsvoller. Es kommen die berühmten Stufen im Fels. Zunächst eher niedrige, dann nach und nach immer höhere. Schließlich wird der feste Untergrund zu tiefem Sand. Danach geht es an der Kante des Canyons entlang, um am Ende über einer herrlichen Biegung des Colorado-Canyons zu stehen. Was will man mehr beim Endurowandern?
Potash Road
Im Licht des Sonnenuntergangs leuchten die Felsen des Arches-Nationalparks noch intensiver
Und weil es so schön war, geht es gleich weiter mit dem Shafer Trail, über Teile des White Rim Trails auf die Potash Road. Die Strecke liegt teilweise im Canyonlands-­Nationalpark, ist dadurch zwar weniger anspruchsvoll zu fahren, aber landschaftlich der absolute Hammer. Auf der Runde kommen wir auch am Thelma & Louise-Point vorbei. Hier wurde die berühmte Szene gedreht, in der die beiden in den „Grand Canyon“ hineinspringen. Generell dient Moab und seine Umgebung regelmäßig als Kulisse für Kino- und Fernsehfilme. Von Marlboro-Man über John Wayne bis Austin Powers haben sich hier viele die Ehre gegeben. Auch während unseres Besuchs ist eine riesige Filmcrew mit einem Dreh für das nächste Western-­Epos von Kevin Costner beschäftigt.
Arches-Nationalpark
Der Delicate Arch ist eines der bekanntesten Wahrzeichen Utahs und die beschwerliche Wanderung allemal wert
Nach den sensation­ellen ersten Offroadrouten im Canyon­lands-Nationalpark geht es gleich in den zweiten – wesentlich bekannteren Park direkt bei Moab – dem Arches-­Nationalpark. Der ist voll mit Hunderten Steinbögen (Arches), die sich über die Jahrtausende hinweg im Sandstein geformt haben. Der bekannteste, der Grand Arch, verlangt einem zwar eine schweißtreibende Wanderung über glühend heiße Steinflächen ab, ist die Aktion aber definitiv wert. Wir gehen im Park noch zu vielen anderen Bögen, durch Canyons und entlang feuerrot leuchtender Felsformationen. Und weil es uns hier so gut gefällt, kommen wir auch direkt noch ein zweites Mal. Allerdings über den „Hinter­eingang“. Eine Offroadstrecke führt über Slick­rock genannten Sandsteinflächen vorbei an versteinerten Dinospuren mitten hinein in den Park. Definitiv der deutlich schönere Weg, um in den Park zu kommen, vor allem wegen des Touristenandrangs am Haupteingang.
Slickrock Trail
Tim tobt sich auf dem Slickrock Trail aus. Eine der legendärsten Strecken Moabs, die mitten durch die riesigen Sandsteinflächen führt

Der Slickrock Trail

Als Nächstes will Tim es wissen und wagt sich mit der unter Reisemotorrädern ja recht leichten, für diesen Trail aber doch recht übergewichtigen 701 auf den berühmt-berüchtigten Slickrock Trail. Double Black Diamond, also der härteste Schwierigkeitsgrad im amerikanischen Bewertungssystem, steht am Eingang des Trails. Eine recht extreme Offroadstrecke, die größtenteils über Sandsteinflächen bei Moab führt. Sie ist ein reiner Single-­Track für Motorräder und Mountainbikes. Zwar bietet der griffige Stein selbst in sehr steilen und kurvigen Passagen immer genügend Grip, allerdings erfordert das Ausbalancieren der Maschine höchste Konzentration, besonders an den teilweise meter­hohen Stufen im Stein natürlich. Zur Orientierung wurde entlang der Strecke und an den Felsen eine weiß ge­strichelte Linie aufgepinselt, solange man der folgt, findet man in aller Regel auch wieder den Ausgang. Die Runde ist zwar recht kurz, aber die Kombination aus Balance, Hitze und Konzentration, gepaart mit dem dauerhaften Risiko, in die Felsspalten zu stürzen, verlangt einem einiges ab. Danach ist Tim platt, sehr zufrieden, aber platt. Zum Glück gibt es in Moab ja die angeblich besten Milchshakes in Utah, um wieder zu Kräften zu kommen. Nach einigen weiteren herrlichen Strecken und über zehn Tagen Aufenthalt im Offroad-Paradies ist es Zeit für uns, unser Zelt wieder einzupacken und weiter zu ziehen. Moab – und so viel ist gewiss – werden wir in Zukunft mit Sicherheit noch einmal besuchen.
Valley of the Gods
Schon der Eingang zum Valley of the Gods lässt uns staunen

Das Valley of the Gods

Das größte Problem an Utah: man stolpert von einem Highlight ins andere. So ist auch unser nächstes Ziel natürlich die Wucht: das Valley of the Gods im Süden Utahs. Eine kleine Offroadrunde dort führt uns mitten durch eine wunderschöne Wüstenlandschaft, die mit sogenannten Buttes übersät ist, so werden die berühmten roten Felstürme mit ihrer gekappten Spitze genannt. Das Valley of the Gods und das nahe gelegene Monument Valley sind weltbekannt dafür. Dass man im Valley of the Gods nicht nur auf schönen Schotterstrecken mitten durch die beeindruckenden Buttes fahren kann, sondern auch überall campen darf, ist natürlich ein weiterer Bonus.
Grand Staircase Escalante National Monument
Die Wanderung durch den Spooky und Peek-a-Boo Canyon startet mit ein paar kleinen Klettereinheiten
Durch das Monument Valley hindurch geht es weiter zum Lake Powell und zum angrenzenden Grand Staircase Escalante National Monument. Nicht nur dass der Park von herrlichen Offroadstrecken durchzogen ist, er bietet auch einige Slot Canyons, die man auf eigene Faust erkunden kann. Slot Canyons sind sehr enge Schluchten, in denen der Stein vom Wasser zu oft herrlich verschlungenen Wellen geformt hat. Das bedeutet allerdings auch, dass man beim Erkunden eines Slot Canyon gerne mal klettern oder den Bauch mächtig einziehen muss. Zwei Canyons haben wir uns ausgesucht: Spooky und Peek-a-Boo. Sie lassen sich praktischerweise zu einer Tageswanderung voller Kriechen, Quetschen und Durchdrücken vereinen.
Bonneville-Salzebenen
Die Motorräder, Tiffy und Jolene, auf den Weiten der Bonneville Saltflats in Utah

Die Bonneville-Salzebenen

Weiter geht es mit dem Capitol-Reef-Nationalpark. Und natürlich – wie sollte es auch anders sein, den herrlichen Offroad Strecken, die den Park durchziehen. Bizarre Steinformationen, tiefer Sand in engen Tälern und nur ganz vereinzelt treffen wir andere Touristen auf den entlegenen Tracks. Aber natürlich kann Utah auch dieses Gefühl von Einsamkeit noch einmal überbieten, denn so ungestört und alleine wie in den hinteren Ecken der weltberühmten Bonneville-Salzebene fühlt man sich selten. Perfekt flach und weiß schimmernd liegt vor einem eine unendlich wirkende Ebene aus Salz. Berüchtigt und zur Legende geworden ist die Bonneville-­Salzwüste vor allem durch die Speedweek – dem Mekka für alle Speedjunkies schlechthin. Einmal pro Jahr trifft sich hier die Weltspitze und jagt nach neuen Rekorden. Praktisch alles was Räder, Rang und Namen hat, wurde hier schon in die Weite katapultiert. Zahlreiche Filme und Geschichten ranken sich um die Rekordfahrten. Ganz vorne mit dabei: Triumph. Noch immer erinnert der Name Bonneville an den Sieg bei den Motorrädern und ist heute die älteste Motorrad-Modellbezeichnung der Briten. Und die rekordfahrt einer Indian wurde längst zum Holly­wood-Blockbuster.
Utah Schnee
Am wunderschönen Bryce Canyon, erwischt uns das Wetter eiskalt mit einem Schneesturm
Wir sind seit über einen Monat in Utah unterwegs und haben trotz größter Bemühungen nur einen Bruchteil der Trails und der wunderschönen Natur erkundet. Aber als heute Morgen zehn Zentimeter Schnee auf dem Zelt liegen und wir später beim Bryce Canyon in einen Blizzard kommen, ist klar, dass unsere Zeit in Utah leider abgelaufen ist. Bis zum nächsten Mal, du feuerroter Abenteuerspielplatz.

Jetzt mitreden – deine Meinung zählt!
Schon dabei? und mitdiskutieren!
Ihr Kommentar wird abgespeichert...
Kommentare (4)
avatar
Wolfgang82
05.01.2025 13:14


Find's immer wieder beeindruckend, wie viel Abenteuer man auf zwei Rädern erleben kann. Pech mit der Technik gehört wohl dazu, aber das macht die Geschichten nur interessanter. Erholung ist wichtig, besonders nach so einem Sturz. Weiterhin eine gute Reise. Ich freue mich auf die nächsten Stories. 
avatar
Metropolis66
31.10.2024 22:20


Als leidenschaftlicher Rollerfahrer, der auch mal von Langstreckenfahrten träumt, finde ich den Mut und die Abenteuerlust von Tim und Jessy beeindruckend. Die Entscheidung, alles hinter sich zu lassen und auf so eine epische Reise zu gehen, ist wirklich inspirierend. Es zeigt, dass das Motorradfahren mehr als nur ein Hobby ist; es ist eine Lebenseinstellung, die Freiheit und Selbstentdeckung ermöglicht. Die Vorstellung, fast den ganzen amerikanischen Kontinent zu durchqueren, weckt in mir den Wunsch, auch irgendwann meine eigenen Grenzen zu überschreiten. Besonders das Erlebnis mit dem Grizzly bei Alaska, zeigt, wie unmittelbar und intensiv die Begegnungen in der Wildnis sein können. Diese Story macht mir Mut, vielleicht doch mal eine längere Tour zu planen.
avatar
Roadglide71
29.10.2024 10:40


Die pure Freude und Abenteuerlust, die aus jeder Zeile springt, fängt so authentisch das ein, was das Motorradfahren ausmacht – Freiheit und das Unbekannte. Einfach herrlich, diese Hingabe!
avatar
HondaShadow
26.10.2024 13:30


crazy was die beiden erlebt haben, aber mit sandalen am gletscher is ja fast schon fahrlässig ;)  ich wünsche euch eine gute weiterfahrt und und mir mehr tolle eindrücke von eurem abentuer