Viel Hysterie um nichts oder eine Gefahr für den nächsten Motorradurlaub in den Dolomiten? Was hat es auf sich mit der sogenannten Low-Emission-Zone, die schon seit vielen Monaten Thema in der Politik der Anrainerprovinzen in Italien ist?
Was ist die Low-Emission-Zone?
Das Wort „Emissionen“ wird sich mittlerweile zur Darstellung allerlei Dinge zunutze gemacht. Vor allem Motorradfahrer können von den viel zitierten „Geräuschemissionen“ ein Lied singen. In allen offiziellen Quellen und Nachrichtenportalen, die man zu dem Thema Low-Emission-Zone in den Dolomiten finden kann, steht bei der Einführung jedoch zuallererst eine Reduktion des CO₂-Ausstoßes im Vordergrund, gerechtfertigt mit der Einhaltung der Klimaziele – wohlgemerkt für 2035. Das heißt im Klartext – in den Dolomiten erwartet man bei einem Besuch der Berge, dass man das Auto stehen lässt und auf das Fahrrad sowie auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreift. Von Motorrädern findet man bis hierhin kein Wort.
Aus Plänen werden Taten – Motorradtopspots inklusive
Was zunächst nur Gerede war, hat sich nun verfestigt und wurde nun auch offiziell von führenden Politikern festgehalten. Sowohl die Minister in Rom als auch die zuständigen Anrainerprovinzen Trient, Belluno sowie die Region Venetien haben ein sogenanntes Einvernehmensprotokoll unterschrieben. Vorgesehen ist die Schaffung einer „Dolomiten Low-Emission-Zone“ im Gebiet um das Grödner Joch, das Sellajoch, den Campolongopass und das Pordoijoch sowie in den umliegenden Tälern Grödental, Gadertal, Fassatal und Buchensteintal. Dazu gehören per se die Pässe Sella, Pordoi, Gardena, Campolongo, das Stilfserjoch und der Karerpass.
Wie soll eine Reduktion der Emissionen erreicht werden?
Das Gedankengut ist hier von der politischen Seite recht einfach gehalten und etwas süffisant erklärt, würde man vielleicht folgende Worte als Beschreibung wählen: Wenn heute 100 % der Touristen mit dem Auto, Camper oder Motorrad auf den Berg fahren, dann produzieren diese 100 % Emissionen. Wenn wir 50 % der Touristen aussperren und den Verkehr beschränken, dann können wir teure Mautkarten verkaufen und werden unter dem Deckmantel des Naturschutzes auch noch die lautstarken Motorradfahrer los. Denkt man global und nicht regional, so spart man dadurch Emissionen natürlich nicht. Wer Lust hat, den Pass mit dem Fahrrad hochzufahren, macht das ohnehin und wer körperlich nicht in der Lage ist oder dies nicht möchte, der lässt es auch weiterhin. Busse liegen pro Nase bei entsprechender Auslastung sicherlich bei einer deutlich höheren Kraftstoffeffizienz als Pkw und Motorräder, die Fantasie für Hunderte Biker, die das Zweirad abstellen und den nächsten Bus nehmen, fehlt mir jedoch. Gehen diese einfach anderswo ihrem Hobby nach, betrüge die Emissionsersparnis im Bereich Motorrad 0,0 %.
Kein Wort über Motorräder
Das Wort Motorrad taucht in allen offiziellen Kommunikationen clevererweise nicht ein einziges Mal auf. Auch von Lärm ist nicht die Rede. Stattdessen umschreibt man die Pläne mit Nachhaltigkeit und der Lebensqualität der Anwohner, die auf den bekannten Pässen eher nicht zu Zehntausenden zu finden sind … sondern eher ihre Wirtschaften, mit denen sie mit der gern gesehenen Kundschaft ihren Lebensunterhalt verdienen. Wer zwischen den Zeilen liest und sich einige Interviews anschaut, stellt schnell fest, dass das Thema Lärm aber sehr wohl eine Rolle spielt. Dem deutschen Tour-Magazin, das die Behauptung aufstellt, Wanderer und Radfahrer würden sich nicht generell an Lärm stören, sondern ausschließlich am Motorradlärm, antwortet der Südtiroler Mobilitätslandesrat Daniel Alfreider:
Wir unterscheiden nicht nach Fahrzeugart, aber es gibt gesetzliche Vorschriften, die eingehalten werden müssen. Die Polizei hat in diesem Jahr auf den Pässen sehr stark kontrolliert. Wir leben in einem sensiblen Gebiet!“
Geht es am Ende doch wieder um das Thema Lärm?
An dieser Stelle könnte man das Thema fast schon für beendet erklären und durchschnaufen, doch fehlen noch Aussagen aus einem Interview, die Alfreider gegenüber dem Sender Rai Südtirol tätigte. So wurden im Sellagebiet bereits 24 Kameras installiert, zudem werden Lärmmessstellen eingerichtet, die sowohl den Verkehrslärm als auch den dadurch entstehenden Schall aufzeichnen. Und dass die Reduktion des Verkehrs natürlich vor allem den entstehenden Lärm senken soll, bestätigte er in diesem Interview sehr deutlich und ohne Umschweife. Das Tiroler Modell lobt er als „sehr nützlich“.
Der Verkehr auf den Dolomitenpässen wird uns noch lange beschäftigen […] wir wollen unbedingt weniger Verkehr, aber vor allem auch weniger Lärm. […] Wir sind geplagt vom Transittourismus. […] Wir möchten Beweise schaffen, dass wir Sonderregelungen brauchen. […] Es ist schade, dass es Verbote braucht, wenn jeder (Motorradfahrer, Anm. d. Redaktion) respektvoll fahren würde, bräuchten wir über das Thema gar nicht zu reden.“
Daniel Alfreider, Mobilitätslandesrat SüdtiolFahrverbote, Kontingentierung und Maut
Vorbild ist das „Pragser Modell“, somit wäre eine Maut zu entrichten und eine Onlineanmeldung nötig. Der zugelassene Verkehr würde quantitativ auf 50 % beschränkt. Vor allem zur Saison dürfte so etwas eine Tourenplanung weitestgehend unmöglich machen. Eins zu eins vergleichen kann man die Sachverhalte jedoch nicht, da es sich mitunter um deutlich stärker frequentierte Verbindungsstraßen handelt. Ein Bürokratiemonster mit vielen Ausnahmen ist somit zu erwarten. Exakte Angaben dazu und wie sich der Motorradtourismus in den Dolomiten zukünftig gestalten soll, gibt es bislang nicht. Weitere Informationen und verbindliche Aussagen der Verantwortlichen und ansässigen Beherbergungsbetriebe planen wir, bis zur M&R Ausgabe 114 zusammenzutragen und in einem Special in dieser Ausgabe abzudrucken. Vom Super-Gau und totalen Wegfall als Motorradziel, zumindest zur Hauptsaison, hin zum ziemlich teuren Vergnügen gibt es noch mehrere Möglichkeiten. Sicher ist: So wie es ist, wird es nicht bleiben und kommt eine Umsetzung in der Art, wie sie derzeit geplant ist, zieht sie erhebliche Einschränkungen für Motorradtouren in den Dolomiten nach sich.