Der neue Bußgeldkatalog ist da. Und laut schallt erwartungsgemäß die Empörung. Ein Punkt und 1 Monat Fahrverbot ab 21 km/h zu viel in der Stadt oder 26 km/h plus auf der Landstraße oder Autobahn. Und dazu auch noch mehr Strafkohle für weniger Rasen. Donnerwetter, was eine scheinbar maßlose Gemeinheit. Der Münchener Verkehrsclub Mobil in Deutschland hat stante pede eine Online-Petition ins Leben gerufen: „Führerschein-Falle der StVO-Novelle rückgängig machen“. Jawohl – alles noch mal neu im Frühjahrs–Deutschland der Pandemie-Apokalypse. Bis zu zwei Millionen Führerscheinentzüge pro Jahr sieht Mobil in Deutschland auf uns zukommen. „Gerade jetzt in Corona-Zeiten, in denen wir um eine Rezession und viele Arbeitsplätze fürchten müssen, ist der Führerscheinverlust noch weiter existenziell bedrohend“, sagt MiD-Präsident Dr. Michael Haberland. Da hat er natürlich Recht.
Wen erwischt es? Viele hoffentlich verdient, beispielsweise das Heer der dumpfbackigen PS-Poser, die laut Berliner Polizei derzeit sehr viel mehr ihrer lebensgefährlichen Autorennen auf den meist leeren Hauptstadtstraßen abfeiern. Auch auf Bayerns Autobahnen scheinen immer mehr Fahrer der Verlockung freier Fahrspuren zu erliegen: Bei Kontrollen auf der A8 interpretierten am 16. April innerhalb kurzer Zeit 513 Fahrer das geltende Tempolimit zu ihren Gunsten beziehungsweise Lasten. Rund um den 1. Mai dürfte das unter anderem in Niedersachsen eine sehr dumme Idee sein. Die Polizeidirektion Hannover beispielsweise kündigte an, am ersten Maiwochenende aus allen Rohren auf Raser zu schießen – heißt per mobiler Laserpistole, Videowagen und mittels der ohnehin zahlenmäßig gut aufgestellten Truppe stationärer Blitzer, die flächendeckend scharf geschaltet sein dürften.
Wir Motorradfahrer sind von der Novelle qua Leistungsgewicht leider in besonderem Maße bedroht – wobei ich hier ausdrücklich für Biker wie mich spreche: Menschen, die ihren persönlichen Tacho jahrelang auf „20 drüber“ geeicht hatten, so der Verkehr das zuließ. Das gab mir auf leeren Straßen zeitlebens das Gefühl, nicht einzuschlafen am Lenker. Und würde mich heute zeitnah den Führerschein kosten. Verdient? Das entscheidet in Deutschland der Gesetzgeber. Wie in allen anderen Ländern auch. Wo Verstöße seit Jahr und Tag oftmals schon sehr, sehr, sehr viel penibler und härter bestraft werden als jetzt in Deutschland.
Nehmen wir die Schweiz oder Länder Skandinaviens – wer dort übers Tempoziel hinausschießt, ist auf der Stelle ein armer Mann, oft vorübergehend sein Fahrzeug los und kann mit Haftstrafen oder lebenslänglichem Fahrverbot belegt werden. Ab sofort 30 Euro Strafe (statt vorher 20 €) für 10 km/h zu viel in der Stadt? Für die Schweizer ein Trinkgeld – dort kosten 6-10 km/h Überschreitung 120 Schweizer Franken (CHF), laut derzeitigem Umrechnungskurs gut 114 Euro. 60 Euro (statt vorher 30 €) für 20 km/h drüber außerorts? Gnihihi, macht in der Schweiz 240 CHF bzw. 180 CHF auf der Autobahn. In der Stadt gibt es dafür eine Anzeige, die automatisch eine „empfindliche Geldstrafe“ (kann je nach Tempo vierstellig ausfallen) und bis zu drei Monate Fahrverbot nach sich zieht.
Das Gegenmittel kennen wir alle, auch wenn es schwerfällt: einfach ans geltende Tempolimit halten. So hart das manchmal auch ist, erst recht auf schnellen Bikes. Zu mir sagte einst ein Verkehrskontrollist: „Wenn wir gewollt hätten, dass sie hier 61 fahren, hätten wir nicht 50 aufs Schild geschrieben.“ Jammern ist keine Lösung. Augen aufhalten schon. Lasst die Spiele beginnen.