Große Reiseenduros sind eine Klasse für sich. Sie bieten bestmöglichen Komfort auf langen Strecken und weiten Reisen, meistern Asphalt und Schotter, schleppen Berge von Gepäck, jagen on- und offroad Gebirge hinauf und kommen eigentlich nie an ihre Grenzen. Wenn unterwegs einer aufgibt, dann in der Regel der Fahrer.
Jahrzehntelang führte an der „großen GS“ kein Weg vorbei für Globetrotter. 1980 begründete die BMW R 80 G/S das Segment. Seitdem hat sich die Boxer-GS konstant weiterentwickelt und zur meistverkauften Großenduro der Welt gemausert. Aber: Die Konkurrenz schläft nicht. Peu-à-peu haben sich Ducati, KTM und Triumph über die Jahre herangearbeitet mit ihren Modellen. Multistrada V4, 1290 Super Adventure und Tiger 1200 kratzen zunehmend am Ruf der Klassenbesten aus Bayern beziehungsweise Berlin. Jüngster Mitstreiter im Club der Enduro-Granden ist seit 2021 die Harley-Davidson Pan America 1250. Vier gegen eine – irgendwie gemein. Aber nun: Wettbewerb belebt bekanntlich das Geschäft. Schauen wir also mal, was da so geboten wird im Reiseenduro-Olymp.
Leistung – PS geht an Ducati, Nm an BMW Motorrad
„Landstraßen-Gigant“. „Die Superste“. „Volltechnisiertes Reisemobil auf zwei Rädern“. An originellen Überschriften und Superlativen mangelt es der Fachpresse nicht, als KTM anno 2015 die 1290 Super Adventure gegen die BMW R 1250 GS in Stellung bringt. Mit 160 PS und 138 Nm gehört die Super Adventure S heute zu den Kraftmeiern der Großenduro-Champions-League. Mehr Pferdestärken als der Ösi-V2 wirft nur der Granturismo getaufte V4-Motor von Ducati in die Waagschale: 170 PS schicken die Italiener per Kette ans Hinterrad, dazu allerdings „nur“ 125 Nm maximales Drehmoment. 130 Nm sind es beim Dreizylinder der Triumph Tiger 1200, dazu 150 PS. Harley-Davidson entlockt dem Revolution-Max-V2 der Pan America 1250 zwei PS mehr – bei zwei Nm weniger Drehmoment: 152 PS und 128 Nm stehen im Datenblatt.
In puncto Pferdestärken schwenkt daher auch die neue GS die rote Laterne im Segment: 145 PS leistet der neue 1300-ccm-Boxer. Das sind zwar neun PS mehr als bislang, aber immer noch fünf bis 25 PS weniger als bei der Konkurrenz. Dafür entfacht der neue Zweizylinder-Boxer mit Abstand das beste Drehmoment: 149 Nm bei 6.500 Touren – da kann nominal kein Wettbewerber mithalten.
Verbrauch – die neue GS knausert am besten
4,8 Liter Super E5 oder E10 auf 100 Kilometer bescheinigt der offizielle WMTP-Messzyklus der neuen BMW R 1300 GS als Verbrauch. Das ist gerundet exakt der gleiche Wert wie beim schwachbrüstigeren 1250er-Boxer (1.254 ccm, 136 PS, 4,75 l/100 km) und bedeutet einen CO2-Ausstoß von 110 g/km. Klar, je offensiver man fährt, desto stärker entfernt sich der reale Verbrauch von diesem Mittelwert. Vor allem Ducati-Fahrer wissen davon ein Klagelied zu singen: 7,0 l/100 km (CO2: 162 g/km) beträgt der offizielle Verbrauch der Multistrada V4 – das ist mit Abstand der höchste Wert in dieser Fünferrunde. Real können es auch locker acht Liter und mehr werden. Wer sich mit der pfeilschnellen Multi eine Vollgasfahrt über die Autobahn gönnt, schafft kaum 200 Kilometer mit einer Tankfüllung.
Deutlich genügsamer gibt sich die Triumph Tiger 1200 GT. Mit 5,1 l/100 km (CO2: 119 g/km) kommt sie der neuen R 1300 GS am nächsten. Es folgt die Pan America 1250 mit 5,5 l/100 km (CO2: 129 g/km) vor der KTM mit 5,7 l/100 km (CO2: 134 g/km). Wie viel Kraftstoff real verbrannt wird, hat letztlich jeder Fahrer selbst in der Hand. Die Elektronik der neuen GS unterstützt ihn mit dem auf Effizienz getrimmten Eco-Modus, der ab sofort serienmäßig an Bord ist.
Gewicht – weniger ist mehr, die GS macht es vor
Fast jeder kämpft irgendwann mit dem Gewicht. Der eine früher, die andere später. Das gilt auch für Motorräder. Und den Umgang damit. Erst recht, wenn sie auf der Seite liegen und wieder aufgerichtet werden wollen. Im Fall unseres Großenduro-Quintetts wünscht man jedem, der vor dieser Aufgabe steht, gutes Gelingen – denn Schwergewichtler sind sie alle. Löbliche zwölf Kilogramm hat BMW Motorrad der neuen Boxer-GS abgezüchtet, damit wiegt sie jetzt fahrbereit – also mit allen Betriebsstoffen, Batterie und 17 Liter Sprit an Bord (90 % von 19 l Tankinhalt) – „nur noch“ 237 kg. Das ist der Bestwert in diesem Segment, bleibt aber amtlich: Schon eine Hubraumklasse tiefer sind vergleichbare Bikes teils 20 bis über 30 Kilogramm leichter.
Die Wettbewerber der großen GS belasten die Waage teils deutlich stärker als der neue Platzhirsch. 245 kg sind es bei der Harley-Davidson Pan America 1250 (Tankgröße: 21,2 l), 243 kg bei der KTM 1290 Super Adventure S (23 l). Am nächsten dran sind die Ducati Multistrada V4 (Tank: 22 l) und die Triumph Tiger 1200 (20 l) mit jeweils 240 kg. Beim Modellwechsel 2022 trainierten die Briten ihrer Tiger – je nach Modellvariante – bis zu 25 kg Gewicht ab.
Downloads & Produkte zum Thema
Mehrseitige PDF-Reportage – Marktvergleich Großenduros bei Einführung der BMW R 1300 GS
Zuletzt aktualisiert: 20.10.2023
Fahrtests: BMW R 1300 GS, Horex Regina
Motorräder: Kawasaki Eliminator 500, BMW F 900 GS, Ducati DesertX Rally, MOTO GUZZI V85 TT, Suzuki GSX-S1000/950, Suzuki V-STROM 800, Honda Africa Twin, Royal Enfield Bullet 350, CFMoto 450NK, Kawasaki Ninja 7 Hybrid, Honda NT1100, Ducati Multistrada V4 S Grand Tour, Honda Dax Furiosa, Brixton Cromwell
Touren: Erlebnis mehr Uckermark – Zwischen Seen und Wäldern, Katalonien und Aragon – Adventure-Bike-Paradies, Graubünden – Rock ´N´ Roll in der Südostschweiz
Tests: Zumo XT2 - Testupdate, Rukka Wilde-R, Held Sambia 2in1 EVO, Touratech Destino, Pharao Cedar WP, Rukka CityRace-R
Magazin: Touratech Action Adventure, 20 Jahre Ducati Multistrada
Zuletzt aktualisiert: 18.11.2023
Fahrtests: BMW R 1300 GS, Horex Regina
Motorräder: Kawasaki Eliminator 500, BMW F 900 GS, Ducati DesertX Rally, MOTO GUZZI V85 TT, Suzuki GSX-S1000/950, Suzuki V-STROM 800, Honda Africa Twin, Royal Enfield Bullet 350, CFMoto 450NK, Kawasaki Ninja 7 Hybrid, Honda NT1100, Ducati Multistrada V4 S Grand Tour, Honda Dax Furiosa, Brixton Cromwell
Touren: Erlebnis mehr Uckermark – Zwischen Seen und Wäldern, Katalonien und Aragon – Adventure-Bike-Paradies, Graubünden – Rock ´N´ Roll in der Südostschweiz
Tests: Zumo XT2 - Testupdate, Rukka Wilde-R, Held Sambia 2in1 EVO, Touratech Destino, Pharao Cedar WP, Rukka CityRace-R
Magazin: Touratech Action Adventure, 20 Jahre Ducati Multistrada Assistenten – Radar ist die neue Währung
Radartechnologie an Motorrädern – der Aufschrei war groß, als dieses Thema aufkam. Die Premiumhersteller ließen sich dennoch nicht beirren: KTM, Ducati, Triumph und BMW Motorrad rüsten ihre Vorzeigemaschinen auf Wunsch mit neuesten Assistenzsystemen aus. Gut so. Wer einmal mit Abstandstempomat auf meist geraden Landstraßen oder der Autobahn unterwegs war, lernt die seichten Bremseingriffe beim Unterschreiten des voreingestellten Mindestabstands schnell schätzen. Persönliche Erfahrung: Nach wenigen Kilometern preist man diese Technik wie die in dieser Klasse kaum noch wegzudenkenden, IMU-gesteuerten Features à la schräglagenabhängige Traktionskontrolle, Wheelie Control, etc.
Die KTM Super Adventure 1290 S bietet die aus der Automobilwelt stammende Adaptive Cruise Control (ACC) sogar serienmäßig. Triumph beschränkt sich vorerst auf einen Spurwechselwarner (per Heckradar), Ducati stattet die Multistrada V4 S für 1.000,-- Euro Aufpreis mit Front- und Heckradar aus. Der „Riding Assistant“ der neuen BMW R 1300 GS (ab 770,-- Euro) bietet aktive Geschwindigkeitsregelung mit Bremsfunktion, Kollisionswarnung mit Bremseingriff und Fahrspurüberwachung, mithin das derzeit rundeste Paket. Mal schauen, wann Harley-Davidson nachzieht. Die Systeme, die sich hinter der Radartechnologie verbergen, stammen allesamt von Zulieferern wie Continental und Bosch.
Fahrwerk – einstellbar und variable Sitzhöhe
Wie die KTM ist die Triumph ab Werk mit einem semi-aktiven Fahrwerk bestückt. Die anderen Maschinen bieten das auf Wunsch auch, aber es kostet Aufpreis beziehungsweise ist an die nächsthöhere Modellvariante gebunden. Ducati verlangt für die Multistrada V4 S amtliche 3.500,-- Euro mehr, Harley-Davidson für die 1250 Special 1.760,-- Euro on top, BMW Motorrad begehrt fürs neue DSA (Dynamic Suspension Adjustment) 1.610,-- Euro in Form des Dynamik-Pakets. Individuell einstellbar sind auch die konventionellen Federungen; eine Selbstverständlichkeit in diesem Segment.
Ein feines neues Feature sind die automatischen Höhenverstellungen der Großenduros. Im Stand beziehungsweise bei langsamer Fahrt senken sie die Sitzhöhe ab und gleichen sie beim Anfahren wieder an. Eingeführt von Harley-Davidson, zog erst Ducati nach, dann Triumph. BMW Motorrad ist jetzt die Nummer vier mit diesem durchaus sinnvollen Gimmick. Der Spielraum variiert: Die neue R 1300 GS beispielsweise senkt sich um 30 Millimeter ab (runter mit Seriensitzbank bis auf 820 mm), die Triumph Tiger um 20 mm (830 mm), bei Harley-Davidson sind es 25 bis 50 mm am Hinterrad (819 mm).
Preis – spielt der wirklich eine Rolle in dieser Liga?
KTM ruft in Deutschland offiziell 20.549,-- Euro für die Super Adventure S auf zuzüglich Überführungs- und Nebenkosten von 475,-- Euro, macht 21.024,-- Euro. Derzeit schmeißen Händler die Super Adventure S für 17.790,-- Euro auf den Markt – ein unschlagbares Angebot angesichts der Serienausstattung. Radarbasierte Abstandsregelung, Kurvenlicht, elektronisches Fahrwerk, Kurven-ABS – der Preis ist echt heiß, wenn man die KTM-Optik mag. Und mit Sicherheit auch eine Reaktion auf den zu erwartenden Run auf die neue BMW R 1300 GS.
BMW Bei 19.100,-- Euro geht es los ab dem 4. November 2023 (plus händlerabhängige Kosten für Fracht und Verpackung), inklusive verbesserter Serienausstattung mit Matrix-LED-Scheinwerfer, Heizgriffen, Kurven-ABS und -Traktionskontrolle sowie Tempomat. Die Skala ist wie üblich bei BMW Motorrad nach oben offen. Motorrad & Reisen hat das Alles-dabei-Paket mal durchkonfiguriert. Am Ende landet man bei über 34.000,-- Euro, wenn man alles anklickt. Plus Montage der Zubehörteile.
Triumph Triumph bietet die Tiger 1200 in insgesamt fünf Versionen an. Los geht es bei 18.145,-- Euro für die hier verglichene Tiger 1200 GT. Das Ende der Grundpreis-Fahnenstange markiert die Tiger 1200 Rally Explorer ab 22.945,-- Euro. Mit nahezu allen Extras landen gut 27.000,-- Euro auf dem Konto des Händlers.
Harley-Davidson Harley-Davidson ruft für die Pan America 1250 laut Liste mindestens 18.445,-- Euro auf plus 835,-- Euro an Nebenkosten, macht 19.280,-- Euro – plus Zubehör- und Anbauteile für zigtausend Euro.
Ducati Ducati gibt die Multistrada V4 ab 19.790,-- Euro her plus 345,-- Euro Liefernebenkosten. Inklusive der jüngst vorgestellten V4 S Grand Tour haben die Italiener jetzt sechs Modellvarianten am Start. Die V4 Pikes Peak startet bei 30.290,-- Euro, das neue Topmodell V4 RS bei 36.490,-- Euro.
Großenduro fahren war noch nie was für Knauserer.
Artikel zur BMW R 1300 GS auf motorradundreisen.de