Kuppeln war gestern: automatisierte Schaltgetriebe von Honda, BMW und Yamaha

Nach Honda und BMW Motorrad stellt auch Yamaha ein neues automatisiertes Getriebe vor. So funktionieren Y-AMT, BMW ASA, Honda E-Clutch und DCT.
Kuppeln war gestern: automatisierte Schaltgetriebe von Honda, BMW und Yamaha
Kuppeln war gestern: automatisierte Schaltgetriebe von Honda, BMW und Yamaha Über den Mode-Schalter kann zwischen dem Automatikmodus D und dem etwas sportlicheren Modus D+ gewechselt werden
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27.06.2024
| Lesezeit ca. 7 Min.
Honda war mit dem DCT-Getriebe lange Zeit Vorreiter und einziger Anbieter eines Automatikgetriebes für Motorräder. Jetzt ziehen andere Hersteller nach. Nach BMW Motorrad mit dem ASA genannten und Aktuator-gesteuerten Schaltautomaten hat jetzt auch Yamaha ein automatisiertes Schaltgetriebe vorgestellt, das mittels zweier Aktuatoren Kupplung und Schaltung automatisiert durchführt. Schalthebel und Kupplungsgriff entfallen. Damit geht Yamaha im zweiten Anlauf noch einen Schritt weiter als bei der seligen FJR 1300 (2001–2020), die mit hydraulisch betätigtem YCC-S-System ebenfalls Anfahren, Schalten und Halten ohne Griff zur Kupplung erlaubte.

Yamahas „Jin-KI Kanno“-Philosophie

Laut Yamaha steht der neue Schaltautomat ganz im Zeichen der hauseigenen „Jin-KI Kanno“-Philosophie, die darauf abzielt, dem Fahrer das gute Gefühl zu geben, „mit der Maschine zu einer Einheit zu verschmelzen“. Die Y-AMT (Yamaha Automated/Manual Transmission) genannte Technologie solle es dem Menschen am Lenker ermöglichen, sich ausschließlich aufs Fahren des Motorrads zu konzentrieren – und entweder automatisch schalten zu lassen oder mit Schaltwippen (+/-) links am Lenker die Gänge zu wechseln.

Hand und Hirn schneller als Hand und Fuß

Warum per Hand? Yamaha argumentiert, die Verbindung zwischen Hirn und Händen sei sehr viel enger und feiner als zwischen Gehirn und Füßen; das Schalten per Hand funktioniere daher schneller und erfordere weniger Zeit zum Nachdenken. Rein neuronal. Also schmeißt Yamaha Fußschalthebel und Kupplungshebel beim Y-AMT konsequent über Bord. Ein deutlich radikalerer Schritt als bei Honda und BMW Motorrad, die bei ihren neuen Schaltassistenten E-Clutch und „Automatisierter Schaltassistent/ASA“ weiterhin auf einen Schalthebel setzen. Fürs authentische Feeling und „die emotional wichtige Dynamik des Schaltvorgangs“, so BMW Motorrad, dessen ASA auch rein automatisch die Gänge wechseln kann – anders als die Honda E-Clutch. Bei der geht ohne Schalthebel gar nichts. Hier hat der Fahrer nur die Wahl zwischen automatisiertem oder manuellem Kuppeln – ganz nach Belieben. Das Rauf- und Runterschalten muss grundsätzlich er übernehmen, ganz konventionell, wie bei einem Quickshifter beziehungsweise Blipper.

Y-AMT – So funktioniert Yamahas Automatik

Beim Y-AMT von Yamaha handelt es sich um ein automatisiertes Schaltgetriebe. Das heißt, dass ein herkömmliches Schaltgetriebe um zwei Aktuatoren und ein spezielles Steuergerät erweitert wurde. Das Steuergerät überwacht im Automatikmodus (AT) Parameter wie Drehzahl, Geschwindigkeit, Schräglage und Drosselklappenstellung und leitet bei Erreichen einer bestimmten Drehzahl den Schaltvorgang ein. Die elektronischen Komponenten sind anschließend für die zügige Betätigung der Kupplung und der Schaltung zuständig. Im Automatikmodus (AT) gibt es zwei Einstellungen: D und D+. Letztere aktiviert eine Art Dynamik-Modus, schaltet also später und bei höheren Drehzahlen. Der D-Modus ist laut Yamaha etwas sanfter abgestimmt, schaltet folglich früher und bei niedrigeren Drehzahlen.
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Manuelle Schaltung per Schaltwippe möglich

Wer selbst die Kontrolle über die Schaltvorgänge behalten will, hat per Schaltwippe die Möglichkeit dazu. Die Gangwechsel werden mit Zeigefinger und Daumen über zwei Wipphebel gesteuert – ein Plus-Hebel zum Hochschalten und ein Minus-Hebel zum Herunterschalten. Für bessere Kontrolle bei sportlicherer Fahrweise kann der Plus-Hebel auch allein mit dem Zeigefinger zum Hochschalten gezogen und zum Herunterschalten gedrückt werden.

Gewicht und Verfügbarkeit

Da Yamaha das Getriebe seiner Crossplane-Motoren im Grunde nur um zwei Aktuatoren erweitern muss, hält sich das zusätzliche Gewicht in Grenzen. Yamaha gibt das Mehrgewicht mit 2,8 Kilogramm an, was das Fahrgefühl und Handling der Motorräder nicht beeinflussen soll. Auf welchen Bikes die neue Y-AMT-Technologie zuerst zum Einsatz kommen soll, hat Yamaha bisher nicht verraten, kündigt jedoch einen Einsatz in naher Zukunft für eine Reihe von Modellen an.

So funktioniert die Honda E-Clutch

Die neue elektronische Kupplung von Honda gibt es zuerst in den Mittelklasse-Bikes CB650R und die CBR650R. Weitere Modelle werden fraglos folgen. Anders als Hondas Doppelkupplungsgetriebe DCT muss der Fahrer hier grundsätzlich selbst per Fuß hoch- oder runterschalten. Links sitzt wie gehabt ein Kupplungshebel am Lenker. Den kann der Fahrer benutzen und ganz konventionell schalten. Oder er lässt es. Schaltstöße beim Gangwechsel verhindert eine elektronisch aufeinander abgestimmte Kombination aus halber Betätigung der Kupplung sowie Unterbrechung der Kraftstoffeinspritzung und Zündungskontrolle. Das Ergebnis ist ein ausgesprochen sanftes Fahrverhalten. Mit sehr schnellen, sehr präzisen Schaltvorgängen. Selbst im Stand kann der Fahrer problemlos durch alle Gänge wechseln – und sogar ohne Absaufgefahr in einem hohen Gang anfahren, sollte das Herunterschalten vor einem Ampelstopp mal vergessen worden sein.
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Kleine Elektro-Stellmotoren

Die Kupplungssteuerung selbst erfolgt – ähnlich wie beim DCT und beim ASA von BMW Motorrad – über eine Aktuator-Einheit, die sich in diesem Fall samt zweier kleiner E-Stellmotoren seitlich an der rechten Motorseite befindet. Zieht der Fahrer zwischendurch am Kupplungshebel, wird die Honda E-Clutch nach wenigen Sekunden automatisch wieder aktiviert. Wahlweise lässt sie sich über das TFT-Display auch für eine ganze Fahrt deaktivieren. Ein Feature für Schalt-Nostalgiker, könnte man meinen, dem im Hause Honda eine ähnliche Karriere zuzutrauen ist wie DCT.

Yamaha Schaltautomat – so funktioniert das Y-AMT

Die Unterschiede zum DCT von Honda

2010 brachte Honda das erste und bislang einzige in Großserie gefertigte Doppelkupplungsgetriebe für Motorräder auf den Markt. Bei der „Dual Clutch Transmission“ ist der nächsthöhere beziehungsweise niedrigere Gang bereits (vor)eingelegt, ganz so wie man es von Autos mit DSG kennt. Über eine Trigger-Schaltung mit Plus- und Minus-Taster links am Lenker kann der Fahrer die Gänge auf Wunsch auch manuell wechseln. Andernfalls schaltet der Automatikmodus selbsttätig rauf und runter – abgestimmt aufs gewählte Fahrprogramm mal später (Sport), mal früher (Regen). An Ampeln oder kurzen Stopps startet man automatisch stets im ersten Gang. Absaufen ausgeschlossen. Genau, bei Yamahas Innovation Y-AMT.
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Erfolgsstory DCT

Das Konzept kommt an: Seinen mindestens 367 Kilogramm schweren Luxus-Tourer Gold Wing beispielsweise bietet Honda nur noch mit automatisiertem 7-Gang-Getriebe an. Bei der erfolgreichen Reiseenduro CRF 1100 L Africa Twin macht DCT (6 Fahrstufen) insgesamt mehr als 55 Prozent aus, auch beim Sporttourer NT 1100 entscheidet sich mehr als die Hälfte der Kunden fürs assistierte Schalten. Modelle wie der SUV-Scooter X-ADV und der Maxi-Scooter Forza 750 produziert Honda ausschließlich mit DCT statt dem bei Rollern üblichen, stufenlosen CVT-Getriebe. Das Beste am DCT ist, dass diese Technologie mir den Kopf freilässt, um mich auf das Schönste am Motorradfahren zu konzentrieren: Kurvenfahren, das Erspüren der perfekten Linie und das Timing beim Bremsen und Beschleunigen.Dai Arai, Chefingenieur Honda DCT Wem dafür bereits der Verzicht aufs Kuppeln reicht, der ist mit der E-Clutch bestens bedient: Sie kostet schmale 400,-- Euro extra. Yamaha hat sich zum Aufpreis noch nicht geäußert, BMW Motorrad steuert „rund eintausend Euro“ an, heißt es aus München. Damit wäre der neue Schaltassistent in etwa so teuer wie Hondas DCT (je nach Modell 1.000,-- bis 1.100,-- Euro), das allerdings durchaus kapitale 11 kg Mehrgewicht mit sich bringt.

Nur 2,1 Kilogramm Mehrgewicht mit ASA

Das Mehrgewicht der unauffällig unter dem Bike verbauten BMW-Schalteinheit beträgt nur 2,1 Kilogramm. Damit ist das neue ASA-Getriebe in etwa so schwer wie die bereits erhältliche Honda E-Clutch (2,0 kg). Das automatisierte Anfahren wird zur spielerischen Übung. Die Gangwechsel passieren sanft und schnell. Lästige Lastwechsel und der berühmte Schaltruck beim Hochschalten mit manuellem Getriebe bleiben nahezu vollständig aus. Damit fällt auch der nervige Helmkontakt von Fahrer und Beifahrer weitgehend flach, der beim Gasgeben und Gaswegnehmen im Zweierbetrieb immer mal wieder passieren kann.

So funktioniert BMW ASA

Die Funktionsweise des ASA erinnert an ein sequenzielles Automobilgetriebe, erklärt Reiner Fings, Produktmanager BMW Motorrad: „Zwei elektronisch geregelte elektromechanische Aktuatoren betätigen die Kupplung sowie die Schaltung und ermöglichen damit einfaches Anfahren sowie automatisierte Schaltvorgänge. Der Schaltwunsch des Fahrers wird über einen Schalthebelsensor, der vom konventionellen Fußschalthebel betätigt wird, an die Steuerung übermittelt. Zusätzliche Sensoren ermitteln die Drehzahl der Getriebeeingangswelle sowie der Kupplungsposition. Diese Werte werden an das eng mit der Motorsteuerung vernetzte TCU-Steuergerät (Transmission Control Unit) übermittelt zur Modellierung und Regelung der Kupplung, Regelung der Schaltungsaktuierung sowie zur Zustandssteuerung. Der Aktuator regelt den erforderlichen Kupplungsschlupf, betätigt die Kupplung bei Schaltvorgängen und öffnet sie beim Anhalten.“ Klingt komplex, ist auf dem Bike aber komplett easy: Der Fahrer bekommt von all dem nichts mit. Er gibt einfach Gas und konzentriert sich aufs Fahren und Bremsen. BMW Motorrad will ASA vorerst stärkeren Maschinen im oberen Hubraumsegment vorbehalten. Die erste Demonstration des neuen Schaltassistenten fand sicher nicht zufällig auf einer BMW R 1300 GS statt. Im Oktober 2024 soll es bereits so weit sein.
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Kommentare (1)
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Mojito2004
06.07.2024 23:24


Manuelles Schalten ist wie Vinyl-Sammlungen – nett für die Nostalgie, aber echt nicht zeitgemäß.