Zwei Anreisetage, zwei Tage Rückreise, dazwischen 30 Stunden die katalanische Challenge 100 Colls – 3.600 Kilometer Härtetest für den neuen Michelin Anakee Road.
Mit dem Anakee Road stellt Michelin einen neuen Reifen für Reiseenduros vor. Und dank einiger Neuheiten überzeugt der Reifen auf den Big Bikes sofort.
Michelin Anakee Road – Kurzzeit-Langstreckentest
Laufleistung
21 /25
Handling
18 /20
Kurvenverhalten
18 /20
Nasslaufverhalten
20 /20
Schotter
10 /15
M&R:87/100 Punkte
Michelin Anakee Road – Kurzzeit-Langstreckentest
Zwei Anreisetage, zwei Tage Rückreise, dazwischen 30 Stunden die katalanische Challenge 100 Colls – 3.600 Kilometer Härtetest für den neuen Michelin Anakee Road.
Nach den ersten Fahreindrücken anlässlich der Präsentation auf Sardinien (M&R 122) bot sich uns mit der Motorrad-Rally 100 Colls in Katalonien die optimale Gelegenheit, dem neuen Touring-Reifen Anakee Road in weniger als einer Woche auf 3.600 Kilometern so richtig auf den Zahn zu fühlen. Und das in Revieren und unter Bedingungen, in denen der neue 90/10er-Gummi von Michelin beweisen musste, was er wirklich draufhat. 100 Colls ist eine anspruchsvolle Herausforderung, bei der es gilt, im erwähnten Zeitraum auf einer individuell wählbaren Route möglichst viele Pässe respektive Punkte zu sammeln. Hinzu kommt, dass sowohl die Anreise als auch die Rückfahrt durch traumhafte Motorradreviere wie Ardèche, Cevennen, das französische Zentralmassiv und den Jura für diesen Reifentest ideale Voraussetzungen bieten.
Mit der Produktlinie Anakee offeriert Michelin Fahrern von hubraumstarken Reiseenduros seit Langem maßgeschneiderte Reifen für jeden Bedarf: den grobstolligen Anakee Wild, ein 50/50er-Gummi (Strasse/Offroad) für die Offroad-Fraktion, den Anakee Adventure (80/20) für Abenteurer, die gelegentlichen Fahrten abseits des Asphalts nicht abgeneigt sind, und den 90/10er-Anakee-3 für Straßenorientierte. Dem Umstand, dass der größte Teil der Reiseenduro-Piloten ihre in jüngster Zeit zunehmend schwereren und leistungsstärkeren Maschinen vorwiegend auf der Straße bewegt, trägt Michelin Rechnung und ersetzt Letzteren nun durch den komplett neu konstruierten Anakee Road.
Wie der Straßensportreifen Road 6, der auf dieser Reise von meinem Kollegen auf seiner Yamaha Tracer 7 GT gefahren wurde, ist auch der Anakee Road nach der bewährten Michelin-2CT+-Technologie aufgebaut. Kernmerkmale dieser Konstruktionsweise sind eine harte Gummimischung, die sich über die gesamte Laufflächenbreite spanbt, ergänzt mit weicheren Gummis an den Reifenschultern. Dabei soll der harte Compound in der Reifenmitte Stabilität und hohe Laufleistung gewährleisten, der Weichere besseren Grip in Kurven und generell mehr Handlichkeit. Hinzu kommt ein neu gezeichnetes Profil, von welchem Michelin mehr Laufruhe und bessere Entwässerung verspricht.
CRF1100L Africa Twin frisch besohlt
Jetzt aber los. Meine CRF1100L Africa Twin ist frisch besohlt – 90/90-21 vorne, 150/70-18 hinten. Um die Reifen schonend einzufahren, vor allem jedoch, weil es bis zu dem von uns gewählten Startpunkt der 100 Colls, dem Col de Jau bei Prades in den französischen Pyrenäen, über 1.200 Kilometer sind, bleiben wir bis Chambery auf der Autobahn. Auf den meist weitgehend perfekt asphaltierten Fahrbahnen gibt sich der Anakee Road mit souveräner Eigendämpfung und Laufruhe keine Blöße, so wie das von einem modernen, neu entwickelten Straßenreifen erwartet werden darf. Weiter südlich, zwischen Voreppe und Die wird’s kurviger. Hinzukommt eine Streckensperrung, die eine Umfahrung über abenteuerliche Nebensträßchen erfordert. Verschmutzte, feuchte und vielerorts von Winterschäden aufgerissene Straßenbeläge meistert der Anakee Road gut, wobei kurze, gut kontrollierbare Rutscher weniger auf die Reifen, sondern eher auf die erschwerten Bedingungen sowie allzu forsche Beschleunigungen zurückzuführen sind.
Einlenkverhalten, Laufruhe und Zielgenauigkeit
Durch die lang gezogenen Bögen der südlichen Ardèche können wir es dann zum ersten Mal so richtig fliegen lassen. Die Straße trocken, kaum Verkehr, die Gummis bis nahe an die Konturkante angefahren, das Vertrauen aufgebaut. Keine anderen, zuvor auf meiner CRF gefahrenen Reifen überzeugten mit gleichermaßen leichtem Einlenkverhalten, Laufruhe und Zielgenauigkeit. Ähnliches gilt für das Aufstellmoment beim harten Anbremsen, welches jedoch bei einem 21-Zöller und den langen Federwegen konstruktionsbedingt in gewissem Maße einfach hingenommen werden muss. Wer die Grip-Grenzen des Anakee Road bei trockener Fahrbahn ausloten will, muss ziemlich schräg unterwegs sein. Selbst von kratzenden Stiefelspitzen und über den Asphalt schleifenden Fußrasten – das ist mit der A-Twin ziemlich schräg – zeigt er sich unbeeindruckt und zieht präzise und vertrauensfördernd seine souveräne Spur ums Eck.
Regen, Schnee, Graupel und Splitt
Selbstredend haben wir die abwechslungsreiche Fahrt durch das französische Zentralmassiv in vollen Zügen genossen, denn genau zum Start der 100 Colls wechselt das Wetter um 180 Grad. Was mit leichtem Nieseln und dichtem Nebel auf der Südrampe des Col de Jou beginnt, steigert sich im Tagesverlauf entlang der Küste bei Rosas zum orkanartigen Regen und an den folgenden Tagen in den Pyrenäen sogar zu Graupelschauer mit Hagel und Schnee. Nun, diese extremen Bedingungen sind nicht bloß ein Härtetest für uns und die Bekleidung, sondern insbesondere auch für die Reifen. Anfangs eher vorsichtig steigt das Vertrauen im Hinblick auf Grip und Bremsverhalten relativ schnell und so geht es bereits nach kurzer Fahrt relativ zügig voran. Auf dem mir schier endlos erscheinenden Abschnitt kurz vor dem Etappenort Camprodon bremst mich die dynamische Mischung aus Regen, Rollsplitt und starkem Ölgeruch komplett ein. Reine Kopfsache – die Reifen haben damit weit weniger Probleme.
Dass ich nach drei Tagen Kälte, Regen und weiteren Niederschlägen meine persönliche Nässeperformance deutlich verbessern konnte, verdanke ich vor allem Grip und Bremsleistung des Anakee Road.
Auf der ersten Etappe der Rückfahrt, über das Hochplateau bei Puigcerda, Mont-Louis und Formigueres sind wir trotz strömendem Regen im engen Kurvengeschlängel, hinunter nach Quillan gefühlt nur unwesentlich langsamer unterwegs als bei trockener Straße. Die vorbildlichen Eigenschaften bei Nässe zählen zu großen Stärken des neuen Anakee Road. Auf der letzten Etappe durch den französischen Jura führt uns eine schlecht signalisierte Umleitung auf einen durchnässten Feldweg. Während die kurze Schotterpassage zuvor problemlos zu meistern war, ist hier der sanfte Anstieg aufgrund der fehlenden Traktion nicht zu schaffen. Mit Profiltiefen von 4,91 mm vorne und 8,31 mm hinten gestartet, messen wir nach 3.600 Kilometern 3,9 mm und 5,8 mm, was vom neuen Michelin Road eine Laufleistung von rund 10.000 Kilometer erwarten lässt.
Laufleistung
21 /25
Pro
voraussichtlich circa 10.000 km
unter Berücksichtigung 10/90 gut
Handling
18 /20
Pro
leichtfüßiges Handling
zielgenaues Einlenken
stabil und spurtreu
neutral beim Bremsen
geringe Abrollgeräusche
Contra
Aufstellmoment beim Bremsen (21“, konstruktionsbedingt)
Kurvenverhalten
18 /20
Pro
vertrauensfördernder Grip
erlaubt ordentliche Schräglagen
tückenloser Grenzbereich
Nasslaufverhalten
20 /20
Pro
gute Drainage
kein Problem mit Aquaplaning
sehr griffig, vertrauensfördernd
Schotter
10 /15
Pro
auf festem Schotter gut
akzeptable Traktion
Contra
mäßige Bremsleistung
im Matsch überfordert
M&R
87/100 Punkte
Der neue Michelin Anakee Road überzeugt mit sehr guten Eigenschaften und tollem Fahrverhalten bei trockener Fahrbahn. Bei Nässe ist er überragend – solange man auf dem Asphalt bleibt.
Wer bisher einen Straßenreifen für Reiseenduros von Michelin nutzen wollte, konnte zum Anakee 3 greifen. Nach einigen Jahren im Einsatz hat der französische Reifenhersteller nun einen vollständig neu entwickelten Reifen für Reiseenduros im Straßenbetrieb vorgestellt – den Michelin Anakee Road.
Laufleistung
Über kaum ein Thema lässt sich markenübergreifend so gut diskutieren wie über die Reifenwahl. Gerade für Fahrer großer Reiseenduros ist die Frage nach der Laufleistung häufig essenziell. Michelin gibt an, die Haltbarkeit im Vergleich zum Anakee 3 um mehr als 10 Prozent gesteigert zu haben. Das ist eine ziemliche Ansage. Ermöglicht werden soll das durch die 2CT+-Technologie, bei der die Gummimischung auf der Lauffläche härter ist, als auf den Schultern. Das soll gerade bei längeren Strecken und drehmomentstarken Motorrädern den erhöhten Abrieb auf der Lauffläche eindämmen. Hier wird ein Langzeittest sicher aufklären können, ob sich die Angaben von Michelin bestätigen.
Handling
Michelin bietet den Reifen für Reiseenduros ab 600 ccm an. Und auch im Test zeigt sich schnell, schon nach wenigen Kurven, dass der Reifen für die großen und mitunter recht schweren Bikes gemacht ist. Das zeigt sich am neutralen Handling, ohne übermäßige Kippneigung auch bei langsamer Fahrt und bei jederzeit ausreichendem Grip bei starken und ruppigen Beschleunigungen. Auch zackige Fahrmanöver bei hohen Geschwindigkeiten bringen den Reifen auf den großen Enduros, etwa der BMW R 1300 GS oder der Triumph Tiger 1200 GT Pro, nicht in Bedrängnis. Bravo. Auch die Bremsperformance konnten wir ausgiebig testen und auch hier konnte der Reifen auf voller Linie überzeugen. Sowohl bei nassem Belag, als auch bei trockenen Idealbedingungen, konnte der Reifen sofort und progressiv Grip aufbauen und das Motorrad sicher abbremsen. Auf der deutlich leichteren Yamaha Ténéré 700 fühlt sich der Reifen immer noch stabil und gut an, macht jedoch einen etwas nervöseren Eindruck. Hier ist bei ruckartigem Beschleunigen das geringere Gewicht am Hinterrad deutlich zu spüren und auch beim Anbremsen merkt man, dass der Reifen eine Idee länger benötigt, um Grip und Bremswirkung aufzubauen.
Kurvenverhalten
Einwandfrei ist das Feedback vom Reifen, nähert man sich in Kurven den Grenzen seiner Fähigkeiten. Man spürt dann, wie der Reifen arbeitet, um den nötigen Grip zu behalten. Bemerkbar macht sich das durch ein, sich spürbar leichter anfühlendes Vorderrad und ein etwas schwammigeres Gefühl am Hinterrad. Dass der Reifen den Grenzbereich so präzise und verlässlich ankündigt und nicht ohne Vorwarnung die Segel streicht, ist eine große Stärke. Bei der R 1300 GS waren dafür Schräglagen deutlich jenseits der 40 Grad Neigung bei hoher Landstraßengeschwindigkeit nötig. Auch hier spielt die 2CT+-Technologie von Michelin eine Rolle. Durch die im Vergleich weichere Reifenmischung auf den Schultern, kann sich der Reifen gerade in den Kurven besser mit dem Untergrund verzahnen und mehr Grip aufbauen. Übrigens: Verantwortlich für die weicheren Schultern ist ein höherer Rußanteil.
Nasslaufverhalten
Auch beim Nasslaufverhalten gibt Michelin im Vergleich zum Anakee 3 deutlich verbesserte Leistungen an. Das angepasste Profil soll Regenwasser von der Lauffläche wegtransportieren und den Kontakt zum Asphalt verbessern. Durch das bis an den Reifenrand gezogene Profil wird das Wasser dabei auch in Kurven bei Schräglage abgeführt. Eine Fahrt durch den Regen war beim Test nicht möglich, der von Michelin zu Testzwecken aufgebaute Nass-Parcours bestätigt jedoch auf den ersten Blick das Versprechen von hohem Grip auf nassem Untergrund. Die Bremsleistung im Nassen war ausgezeichnet. Auch das anschließende sportliche Anfahren war ohne Rutscher oder durchdrehendes Hinterrad möglich.
Schotter
Michelin sagt über den Anakee Road, er sei ein Straßenreifen für Reiseenduros und schon im Namen wird der Zweck offenbart. Für Schotter ist er nicht gemacht und ausgedehnte Touren über die TETs und ACTs dieses Kontinents sind sicher nicht zu empfehlen. Für die wenige Kilometer lange Abkürzung über Schotter und Feldwege dürfte es dennoch reichen – wenn es trocken ist. Wenn der Michelin Road 6 zu 100 Prozent Straßenreifen ist, ist es der Anakee Road zu etwa 95 Prozent auch.
Fazit – Michelin Anakee Road
Nach den ersten Testkilometern verspricht der Michelin Anakee Road eine hohe Laufleistung, gutes Handling und ausgezeichnetes Kurvenverhalten, vorzugsweise auf den Big Bikes BMW R 1300 GS und Co.
Größen hinten
150/70 R 17 M/C 69V
150/70 R 18 M/C 70V
170/60 R 17 M/C 72V
170/60 ZR 17 M/C 72W
Jetzt mitreden – deine Meinung
zählt!
Ihr Kommentar wird abgespeichert...
Kommentare (1)
Jost A.
17.05.2024 16:21
Handling
Kurvenverhalten
Nasslaufverhalten
Schotter
Klasse Reifen, der sich sehr gut in den Kurven und auf schlechtem Asphalt fahren lässt. Ist für die großen Bikes gemacht, auf ner T7 wirkt er manchmal etwas schwammig, auf der 1300er GS astrein.