Kurven naschen und die landschaftliche Schönheit der Insel genießen
Bleibt die Frage, wie die Hochkultur urplötzlich untergehen konnte. War eine Epidemie schuld? Gab es ein verheerendes Erdbeben? Nein. Heute scheint sicher, dass die Minoer vor rund 3.630 Jahren regelrecht aus den Annalen der Geschichte gespült wurden. Ein Tsunami, für den der Wissenschaftler I. Yokojama eine gigantische Wellenhöhe von rund 50 Metern errechnete, traf Kreta, nachdem die nur einhundert Kilometer nördlich gelegene Vulkaninsel Santorin (Thira oder Thera) explodierte. Über zehn Milliarden Kubikmeter Magma sollen dabei ausgetreten sein. Dadurch leerte sich die unter der Vulkaninsel gelegene Magmakammer, es drang Meerwasser ein und der Vulkankomplex Santorin kollabierte. Der Mega-Tsunami zerstörte sämtliche Häfen Kretas samt aller Schiffe der Minoer. So war man nicht in der Lage sich einer Invasion der Achäer zu Beginn des 14. Jahrhunderts vor Christus zu erwehren, die alles zerstörten und niederbrannten, was die gewaltige Flutwelle übrig gelassen hatte.Unser Basisquartier würde hoch genug liegen, sollte das wieder passieren. Aber daran denken wir nicht. Wir wollen Kurven naschen und die landschaftliche Schönheit der Insel aufsaugen. Gut, dass Tourguide Silvio gleich zu einer ersten Entdeckertour lädt. Der Berganturn, der uns auf fast 1.000 Meter über das Niveau des Mittelmeeres hievt, führt in eine weite, fast kreisrunde Hochebene, die inmitten schroffer Bergriesen in saftigem Grün erstrahlt.

Qual der Wahl: nach Agios Nikolaos oder Mochos kurven
Anschließend haben wir die berühmte Qual der Wahl. „Wir könnten hinab nach Agios Nikolaos kurven, das Fahrzeug wechseln und zur Insel Spinalonga schippern”, erzählt Silvio. Wäre schon spannend, denn dort wurde 1579 von den Venezianern zum Schutz ihres Hafens in Elounda eine Festung errichtet, die auch noch lange nachdem die Türken den Rest Kretas erobert hatten, verteidigt werden konnte. Mit ihren starken Kanonenbatterien galt die Insel als uneinnehmbar. Erst durch einen Vertrag kam sie viel später in türkischen Besitz. Nach dem Abzug der Türken, der nach Jahrhunderten der Besetzung 1897 stattfand, wurden dann Kretas Leprakranke nach Spinalonga gebracht. Sie übernahmen die Häuser der Türken, durften die kleine Insel bis zu ihrem Ableben aber nicht mehr verlassen. Erst 1957 wurde die Leprasiedlung aufgelöst, nachdem die Medizin die schreckliche Krankheit endlich besiegt hatte.„Andererseits könnten wir in Richtung Mochos kurven”, meint Silvio lächelnd. „Ich kenne da eine nette Taverne, wo man ganz leckeren Moussaka (Auberginenauflauf) serviert.” Die höchst demokratische geführte Diskussion dauert nur kurz und der Sieger ist: Moussaka!

Am nächsten Morgen startet die zweite Tour. Zunächst sausen wir in Richtung Heraklion. Dort folgt der Schwenk ins Hochgebirge. Auf einer guten und mit Kurven durchsetzten Straße schrauben wir uns über Anogia zum Nida-Plateau, welches vom Psiloritis überragt wird, der auf 2.456 Meter über dem Libyschen Meer gipfelt und damit der höchste Berg Kretas ist. Hier gibt es einige Schotterpisten, die sich für Offroad-Fans regelrecht anbieten. Eine davon führt zur Höhle des Zeus, wo die griechische Mythologie mit der Geburt des Göttervaters ihren Ursprung hat.

Ziemlich genau dort, wo wir wieder Asphalt unter die Räder bekommen, geht es bergab. Wer Alpenpässe mag, der wird mit der Zunge schnalzen, da sich die Straße wie ein Korkenzieher in die Tiefe windet. Außerdem muss erwähnt werden, dass sich die meisten Strecken auf Kreta meist autofrei präsentieren. Wer so viel erlebt, braucht auch mal eine Pause. Wir stoppen im Tal in Zaros am See und nehmen kalte Getränke und einen kleinen Imbiss zu uns, bevor wir den Rückweg ins Hotel antreten, wo wir auf den Tag an der Poolbar mit einem begeisterten “Jammas” anstoßen.
Kurvenreich durch die Olivenbäumen übersäte Messaraebene
Nach dem Frühstück, geht es ab in den Süden von Kreta. Quer über die Insel, fahren wir durch die mit unzähligen Olivenbäumen übersäte Messaraebene nach Matala, einen der spirituellsten Orte von Kreta. Gerade jene weltberühmten Höhlen, wo Zeus mit der von ihm entführten Göttin Europa an Land gegangen sein soll, prägten die Geschichte des kleine Fischerdorfes, das seinen unverwechselbaren Charme bis heute nicht verloren hat. Richtig bekannt wurde es in den 1960er Jahren, als die Höhlen von Matala als Blumenkinder-Paradies galten. Damals lebte man hier eine Weile lang, unterstützt von der nahezu unendlichen kretischen Gastfreundschaft, im friedlichen Protest gegen den Vietnam-Krieg nach dem Motto: “Make love - not war.” Um damit verbundenen Sitten wie Nacktbaden, Drogenkonsum und anderem Herr zu werden, wurden die Höhlen aber einige Jahre später zur archäologischen Ausgrabungsstätte erklärt und eingezäunt. Sei es drum, wir lassen uns erstmal am Strand nieder und vertreiben die Zeit mit Dösen in der Sonne und Baden im Meer.

Alle Männer der Besiegten wurden sofort getötet. Priester landeten auf Scheiterhaufen, ältere Frauen ließ man von der Kavallerie töten, jüngere Frauen und Kinder wurden versklavt. Aber das ist lange her, geben wir also wieder Gas.
Super-Berg- und-Talfahrt ans Libyschen Meer
Die nächste Tour führt nach Agios Nikolaos. Nach einer kurzen Pause im Hafen rollen die Motorräder auf der nördlichen Küstenstraße weiter. Dort wo Kreta am schlanksten ist, wird die Insel gequert. In Koutsouras braucht es nicht nur wieder Badesachen, auch hier kennt Silvio eine nette Taverne. Gut gestärkt geht es danach zurück zum Basisquartier, von wo aus auch die letzte Tour Richtung Ursprünglichkeit führt. Im Süden gibt es nur wenig Orte, die dem Massentourismus erlegen sind. Selbst der Weg dahin ist einmalig, denn wir erleben eine super Berg- und Talfahrt, die letztlich in Tsoutsouros am Libyschen Meer durch eine Pause unterbrochen wird. Das Grinsen unserer Truppe ist selbst durch die Visiere zu erkennen und abends heißt es nicht “Jammas”, sondern: “Wir lieben Kurven!” Aber bis dahin dauert es noch, denn zunächst folgen wir der Südküste nach Keratokambos. Dort hat Silvio den nächsten Einkehrschwung vorgesehen. Und was für einen! Erst gibt es Salate, Zaziki und Brot, dann folgt gegrilltes Fleisch in verschiedenen Variationen und zum Schluss zieren Platten mit leckerem Tintenfisch samt frischen Riesenkrabben den Tisch. Ach ja, Dessert kommt auch noch: Frisches Obst und - natürlich - Raki! Den heben wir uns aber wieder für den Abend auf, als es zum vorerst letzten Mal heißt: Jammas!” Aber wir wissen es ja: “Kreta macht süchtig!” Silvio lacht und fragt, wann wir uns das nächste Mal auf der Insel der Götter treffen?” “Bald, sehr bald” antworten alle.
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