
Wir vertrauen uns Georgs Führung an, der sich in seiner Heimat natürlich besser auskennt, als jeder andere. Gleich nach dem Frühstück ziehen wir los. Auf altbekannten Wegen geht es zunächst über Thumersbach an der Ostseite des Zeller Sees vorbei in das Schwarzachtal.
Bei Lend verlassen wir die viel befahrene Bundesstraße und wechseln auf die Dientner Landstraße, die uns kurvenreich und parallel zum gleichnamigen Bach durch das Tal hinauf Richtung Hochkönig führt. Nach einer von Felsen eingefassten Passage weitet sich das Tal und gibt den Blick frei auf eine auf einem Bühel (Hügel) gelegene Pfarrkirche, die aus Tuff gebaut und bereits 1410 erstmals urkundlich erwähnt wurde.
Den Namen „Kirche zum Heiligen Nikolaus“ erhielt sie im Jahre 1505. Obwohl wir die Strecke schon oft gefahren sind, fesselt uns ihr Anblick im Sonnenschein, vor der beeindruckenden Kulisse des mächtigen Hochkönigs, immer wieder. In ruhiger Fahrt rollen wir durch den über eintausend Jahre alten Ort Dienten mit seinen wunderschönen Bauernhäusern. Erst nachdem wir weitere kleine Orte auf dem Weg zu unserem ersten Ziel hinter uns gelassen haben, können wir wieder Gas geben und in flotter Fahrt durch zahllose Kurven über den Dientner Sattel bis hinunter nach Mühlbach am Hochkönig gleiten. Was man dem Ort nicht mehr ansieht: Bereits vor 4.000 Jahren wurde in Mühlbach nach Kupfer geschürft.
Nachdem der Bergbau zwischenzeitlich eingestellt worden war entdeckte man die Lagerstätten am Mitterberg erst im 1827 wieder. Wir sind schon fast am Ortsausgang von Mühlbach angelangt, da setzt Georg plötzlich den Blinker und biegt links ab. Ich kann gerade noch die Hinweisschilder am Straßenrand erkennen und lese: „Mandlwandstraße“ und „Arthurhaus“, da geht es auch schon auf einer schmalen Straße mit engen Kurven steil den Berg hinauf. Vorbei an der Mitterbergalm führt die Kreisstraße immer weiter hinauf.
Wir landen auf dem Parkplatz des Berghotels „Arthurhaus“. Dessen Geschichte ist eng verbunden mit der des Mühlbacher Kupferbergbaus und des Hauptaktionärs der Mitterberger-Kupfer-Aktiengesellschaft, dem aus dem Rheinland stammenden Industriellen Arthur Krupp, dem Namensgeber des Hauses. Wir legen eine Pause ein und genießen den Ausblick über das Tal und die steil aufragenden Felsen der Mandlwand.
Nach einer Weile nimmt mich Georg zur Seite und gesteht, dass er vor genau einer Woche zum ersten Mal hier oben gewesen sei. „Aber bitte nicht weitersagen.“ „Klar“, versichere ich ihm hoch und heilig mit ironischem Unterton. Einig sind wir uns, dass es sich lohnt, den Abzweig von der Hauptstraße in diese aufregende „Sackgasse“ zu fahren.
Die Strecke hinunter nach Mühlbach und weiter nach Bischofshofen ist etwas für Kurvenjunkies. Egal wie oft man sie gefahren ist, es macht immer wieder Spaß, von einer Kurve in die nächste zu schwingen. Von Bischofshofen führt uns Georg über St. Johann im Pongau in Richtung der Radstädter Tauern. In Wagrain verlassen wir die Bundesstraße und folgen Georg in das weite Seitental von Kleinarl. Im Talschluss des Kleinarler Tals erreichen wir auf den traumhaft gelegenen Jägersee. Auf 1.099 Metern über dem Meeresspiegel ist er wunderschön in das umgebende Landschaftsschutzgebiet eingebettet.
Kaum haben wir die Motoren unserer Bikes abgestellt und für einen Moment den Blick über die idyllische Szenerie schweifen lassen, zieht uns die Atmosphäre dieser Gebirgslandschaft in ihren Bann. Zum einen das Monumentale der Radstädter Tauern, zum anderen die Ruhe, die der Bergsee mit seinem kristallklaren Wasser ausstrahlt. Diese Erkenntnis haben offensichtlich schon die Salzburger Erzbischöfe im 18. Jahrhundert gewonnen und dort das Jägerhaus errichten lassen. Heute ist es in Privatbesitz und beherbergt sowohl den Jagd- und Fischereibetrieb als auch eine Restauration, in der man sich fangfrische Forellen zubereiten lassen kann.
Den Hinweis eines Passanten, dass man in diesem Landschaftsschutzgebiet auch hervorragend wandern könne, quittieren wir unsererseits mit dem Spruch: „Warum sollen wir wandern, wenn wir Motorrad fahren können?“ Gesagt, getan. Wir starten die Motoren und verlassen das Seitental in den Radstädter Tauern. Über Altenmarkt und Eben im Pongau geht es nach Filzmoos in der Ramsau.
Auch hier muss man aufmerksam sein, um den Wegweiser zu den Hofalmen nicht zu verpassen. Das Navi sagt: zweite Ausfahrt rechts. Und schon sind wir auf dem Weg durch dunkle Fichtenwälder hinauf zu den Almen unterhalb der 2.458 Meter hohen Bischofsmütze, einem der Gipfel des Dachsteinmassivs.
Die Oberhofalm, das Ziel unseres Abstechers in den stark verkarsteten Teil der Kalkalpen, wird bereits seit 1950 sowohl als Alm- als auch als Gastbetrieb geführt und ist ein Anziehungspunkt für Wanderer, Radfahrer und natürlich für uns Motorradfahrer.
Nach einer kleinen Zwischenmahlzeit machen wir uns auf den Rückweg nach Saalbach. Über Eben und Hüttau geht es in zügiger Fahrt zurück nach Bischofshofen und von dort über Mühlbach am Hochkönig, den Dientner- und den Filzensattel zurück ins M&R Hotel Sonnegg.
Als wir durch Mühlbach fahren und ich die Hinweisschilder zur Mandlwandstraße und zum Arthurhaus sehe, kann ich mir ein Lächeln unterm Helm nicht verkneifen. Jaja, das Gute und Sehenswerte liegt manchmal so nah. Oben auf dem Dientner Sattel, auf 1370 Metern Seehöhe, machen wir noch einmal Rast auf der Terrasse der Mittereggalm und gönnen uns ein Stück des leckeren selbstgebackenen Marillenkuchens.
Die letzten Meter führen über den Filzensattel an Saalfelden vorbei zurück ins M&R Hotel Sonnegg in Saalbach, wo wir diese etwas andere Insidertour ausklingen lassen.
#Tour