Willkommen auf der Halbinsel der „Bys“
Ruhig haben sie es hier in Rußland. Meistens. Wenn die Enkelkinder da sind, wird es auch mal laut. Ansonsten die pure Idylle. Wiesen und Felder, knorrige alte Bäume, ab und an bummeln Fahrradtouristen über die bestenfalls vier Meter breite Hauptverkehrsader Rußlands und entschwinden nach kurzem Winken.Drei Kilometer sind es bis zur Bundesstraße 203, fünf Kilometer bis zum nächsten Strand im Land der „Bys“. Thumby, Rieseby, Gammelby, Barkelsby, Windeby, Karby, Osterby, Brodersby – so heißen die Ortschaften hier auf der Halbinsel Schwansen im Nordosten Schleswig-Holsteins. Rußland liegt mittendrin. Zwischen Eckernförde und Kappeln, Gemeinde Holzdorf, „Holzdörp“ auf Plattdeutsch, Kreis Rendsburg-Eckernförde, im Torfland zwischen Schlei und Ostsee.
Drei Häuser und fünf Einwohner
Drei Häuser, eins davon vermietet, dazu Nebengebäude und aktuell fünf Einwohner. Das ist Rußland. Anno 1886 hat Hans‘ Großvater das Gehöft erworben. Von einem Zimmermann. Die Historie des Fleckchens geht zurück bis ins Jahr 1823, auf einen Mann, von dem es heißt, er stamme von der baltischen Insel Ösel am Rigaischen Meerbusen, damals unter russischer Herrschaft, daher der Name Rußland mit dem früher gebräuchlichen „ß“.
Einflugschneise Norduckermärkische Seenlandschaft
Rund 470 leidlich kurvenreiche Kilometer haben wir uns als Route erarbeitet. Über Eckernförde, Schierensee, Bornhöved und Stockelsdorf geht es nach Mecklenburg-Vorpommern, von dort weiter über Schönberg, Grevesmühlen, Güstrow und Krakow am See nach Brandenburg.
auf der L241 zwischen Temmen und Stegelitz – liegt es vor uns, genau genommen links neben uns: Afrika. Ein Gemeindeteil der Gemeinde Flieth-Stegelitz, von der Straße kaum zu sehen.
Die grüne Hinweistafel mit dem Ortsnamen Afrika steht ca. 40 Meter von der Straßeneinmündung entfernt.
Wer nicht wie ein Luchs darauf achtet, rauscht vorbei. „Früher, als es noch an der Straße stand, wurde das Schild dauernd geklaut, das fanden die Leute wohl witzig“, sagt Toni, Mitte 20. Wilder Bart, Tattoos, kurzes Haar, ein Bär von einem Brandenburger, der nirgendwo anders leben möchte – und gleich zu Anfang sagt: „Keine Fotos, bitte, sonst geht das alles wieder von vorn los.“
Skepsis gegenüber Fotos und Fremden
Nachdem mal ein Fernsehteam hier war, um zu WM-Zeiten was über Afrika zu drehen, kamen anschließend „ohne Ende“ Leute her. Fotografierten wild rum, liefen über sein recht offenes Grundstück, erbeuteten dauernd das Afrika-Schild und andere Souvenirs. „Seitdem das Schild vor meiner Einfahrt steht und nicht mehr an der Straße, kommt es nicht mehr weg. Drei freilaufende Hunde, Problem gelöst“, grinst Toni.
Ryker-fressende Pfützen auf dem Weg zum Badesee
Rechts zur Einfahrt raus bei Toni, auf der anderen Seite der L241, ist der Geelandsee. Links zur Einfahrt raus, den einzigen Pfad Afrikas entlang, gelangt man hinten am Waldrand an einen zwar schwer passierbaren, aber öffentlichen Weg – und über den dann zum Behrendsee. Badespaß garantiert. „Könnt ihr aber vergessen, mit dem Teil da langzufahren“, meint Toni und nickt in Richtung Ryker. „Der verschwindet komplett in den Pfützen. Mit der Scrambler würde es gehen.“ Toni fährt Motocross und Quad, insoweit wird er es beurteilen können.
Schwalben-Schwärme im Hinterland
Wie gemalt fallen die Sonnenstrahlen durch mächtige Kastanienalleen und breiten sich abends wie eine güldene Brokatdecke auf und neben der Straße aus. Die Autos, die uns entgegenkommen, können wir über Stunden zählen. Meist überholen wir Rennradfahrer oder Schwalben-Schwärme, die man schon von Weitem riecht. Schwer liegt die halbherzig verbrannte Zweitaktmische der DDR-Krads in der Luft. Aber nie lange, der Raps ist stärker.Der Can-Am Ryker in der Rally Edition, mit dem Bernd die Expedition begleitet, treibt mit dem oft vom Zahn der Zeit angenagten Belag der Nebenstraßen gern mal Schabernack. Zwei Räder vorn, eins hinten – das birgt die Tücke, dass man Schlaglöcher oder geflickte Asphaltblessuren nicht immer zuverlässig umkurven kann.

Twist-and-go und Rally-Modus
Kein Kuppeln, kein Schalten, einfach Gas geben und bei Bedarf mit der Fußbremse Tempo abbauen. Der konsequent gestrippte Einsteiger-Spyder im Can-Am-Portfolio lässt es mit seinem „Twist-and-go-Getriebe“ ganz schön krachen, wenn man es darauf anlegt. Zwei Rotax-Motoren mit 600 und 900 Kubikzentimeter Hubraum stehen grundsätzlich zur Wahl für den Ryker. Sie leisten 50 PS beziehungsweise 82 PS. Letztere sind obligatorisch für die Rally Edition. Der Dreizylinder zaubert im Rally-Modus kontrollierte Drifts auf den Sandboden der Uckermark. Und geht erstaunlich beherzt zur Sache: 162 km/h Spitze sind laut Kfz-Schein drin. Die Beschleunigung ist ernsthaft kernig. Wer will, brennt mit dem 16-Zoll-Hinterrad einen Gummistreifen in 205/45 auf den Asphalt. Ansonsten hält sich der 900er-Ryker vornehm zurück in Sachen Lärm: 85 dB(A) Standgeräusch und 79 dB(A) Fahrgeräusch sind kommode Werte.Individualisierbare Sitzposition
Der breite, tief platzierte Sitz ist bequem wie ein Fernsehsessel. Dazu die Beine nach vorn ausgetreckt und den flachen Lenker mit fast geraden Armen gegriffen – das ist Cruisen pur mit Anti-Umfall-Garantie. Die Vorspannung des hinteren Gasdruckstoßdämpfers der Rally Edition kann easy über einen breiten Schraubenkopf per Hand verstellt werden. Je nach Gepäckmenge und Fahrergewicht kann der Ryker so individuell an jeden Fahrer angepasst werden. Gleiches gilt für die mehrfach werkzeuglos verstellbaren Fußrasten und den breiten Lenker. Hier ist Can-Am mit dem UFit-System die Benchmark im Dreirad-Segment. Die Zuladung fällt mit 199 Kilogramm vergleichsweise üppig aus. 300 kg wiegt der fahrbereite Ryker.
Dementsprechend sprachlos waren viele Beobachter, wenn das fünfrädrige Expeditions-Corps an ihnen vorbeirollte. Vorneweg die langbeinige Triumph Scrambler mit ihren üppigen 250 mm Federweg vorn wie hinten, dahinter der breitbeinige Can-Am Ryker mit kernigen Rally-Streifen und vier Scheinwerfern, von denen zwei wie Teleskopaugen abstehen. Schon ein echter Hingucker, dieses Gespann.
Von Rußland übers Morgenland nach Afrika
Auf der Langstrecke ließe die Scrambler 1200 XE den Ryker Rally Edition naturgemäß hinter sich: Mit 177 km/h Spitze ist die schöne 1200-ccm-Britin spürbar schneller. Seine 90 PS und 110 Nm wirft der bewährte Triumph-Paralleltwin sahnemäßig aus. Dazu der lässige, basslastige Brit-Pop des Arrows-Doppelfluters, der in typischer Scrambler-Manier rechts hochgelegt die Knie-Innenseite wärmt. Es fällt schon schwer, dieses Bike nicht zu lieben. Erst recht auf dem gewundenen Geläuf abseits der Mainroads. Stehend wie sitzend.
#Deutschland #Tour