Haben die mit allen möglichen technischen Neuerungen wie Traktionskontrolle oder Doppelkupplungsgetriebe ausgestatteten modernen Reiseenduros oder Naked Bikes der etwas bieder daherkommenden Bandit nicht längst den Rang abgelaufen? Kann man dieses Relikt aus den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts überhaupt noch als zeitgemäß bezeichnen? Papier ist bekanntermaßen geduldig und in der Papierform sind andere Motorräder der großen Bandit sicherlich voraus. Um den Fragen aber wirklich auf den Grund zu gehen, haben wir während unserer Testwoche das gemacht, was man in solchen Fällen machen sollte: Wir haben uns draufgesetzt und sind damit im Kurvenlabyrinth des Odenwalds unterwegs gewesen.
Markant - der Verchromte Endtopf.
Die Ergonomie stimmt, also heißt es „Motor Start“!
„Fahren geht über Studieren“, zugegeben, ein etwas abgewandeltes Sprichwort, das hier jedoch absolut zutrifft. Der Druck auf den Anlasserknopf erweckt die 1255 Kubikzentimeter des Reihenvierzylinders zum Leben. Der mächtige verchromte Auspufftopf dämpft das Motorengeräusch auf ein zeitgemäßes Niveau und erweckte den Eindruck, neben einem sanften Lämmchen zu stehen. Also aufgesessen und sich auf dem Motorrad zurechtrücken. Die Sitzbank ist okay, ein guter Kompromiss zwischen komfortabel und straff, die Sitzhaltung leicht nach vorne geneigt, aber entspannt, dazu ein angenehmer Kniewinkel, wenn man nicht über ein eigenes ausladendes Fahrwerk verfügt. Mann oder Frau sitzt im Motorrad und der Asphalt bleibt auch für nicht so groß gewachsene Menschen erreichbar.
Packt ordentlich zu – die Vier-Kolben-Bremsanlage mit ABS. Der Blick nach vorne auf das Cockpit verlangt hingegen nach einer diplomatischen Beschreibung: Man wird nicht mit einem Übermaß an Informationen überflutet und kann sich so ganz auf den eigentlichen Zweck der Bandit konzentrieren. Die wirklich notwendigen Angaben wie Drehzahl und Geschwindigkeit lassen sich allerdings gut ablesen. Auch die Brems- und Kupplungshebel liegen gut in der Hand. Es kann also losgehen, Kupplungshebel gezogen – meine Güte, von Leichtgängigkeit kann hier nicht die Rede sein. Die Kupplung erfordert einiges an Handkraft und man überlegt bei jedem Schaltvorgang, muss er sein oder nicht.
Alles gut im Blick.
Die „nur“ 98 PS bringen einen schon mächtig Vorwärts!
Los geht die Fahrt, schließlich wollen wir die Bandit nicht nur anschauen und darüber räsonieren, was sie nicht hat oder kann, sondern wir wollen erfahren, was sie noch drauf hat. Und das ist eine Menge. Schon auf den ersten Metern beim Warmfahren des Motors, der Reifen und natürlich des Fahrers können wir die ersten positiven Eindrücke sammeln. Selbst im kalten Zustand vermittelt der Motor das Gefühl, da geht was. Das Getriebe lässt sich weich schalten und Lastwechselreaktionen sind kaum zu bemerken. Und als der Motor seine Betriebstemperatur erreicht hat, glaubt man nicht, dass hier nur 98 Pferdchen von der Leine gelassen werden. Der Big Block entwickelt mit immerhin 108 Newtonmetern bei nur 3.700 Umdrehungen seinen Druck schon aus dem Drehzahlkeller heraus, der einem beim Beschleunigungsvorgang die volle Aufmerksamkeit abverlangt, da ansonsten das Vorderrad leicht an Bodenkontakt verliert.
Motorräder: Die ganze BMW-Geschichte, Kawasaki Z1000SX, Suzuki Bandit 1250 ABS Reisen: Das Motorrad-Abenteuer Ligurischer Grenzkamm, Südlicher Spessart, Mittelgebirgstour-Ost, Inseltörn Usedom
Preis: 3,90 €
Dabei zählt die Bandit mit ihren fahrfertigen 254 Kilogramm nicht einmal zu den Leichtgewichten unter den Motorrädern. Trotzdem lässt sie sich dank eines tiefen Schwerpunkts mit einer Leichtigkeit durch das Kurvenlabyrinth des Odenwalds bewegen, dass es eine wahre Freude ist.
Druck im unteren Drehzahlbereich - 108Nm bei nur 3.700 U/min.
Das Fahrwerk und die Bremsanlage überzeugen uns!
Das sportlich straffe, aber nicht unkomfortable Fahrwerk in dem verwindungssteifen Doppelschleifen-Rohrrahmen harmoniert perfekt mit der Kraft des Vierzylinders. Die nur in der Federvorspannung einstellbare 43er-Teleskopgabel sowie das, in Federvorspannung und Druckstufe, einstellbare Zentralfederbein hinten sind gut aufeinander abgestimmt.
Schaltfaul – man bedenke die bereits erwähnte schwergängige Kupplung – surfen wir von Kurve zu Kurve durch das Grün. Dabei sind dank der hoch liegenden Fußrasten satte Schräglagen möglich. Und wenn es mal etwas schneller geht, die Vier-Kolben-Bremsanlage der Bandit mit ABS verzögert exzellent. Sie ist hervorragend dosierbar und gerät selbst bei mehrfachen heftigen Bremsmanövern nicht an ihre Grenzen. Während einer kurzen Autobahn-Etappe können wir dann noch den ausgezeichneten Windschutz der halbschaligen Verkleidung feststellen.
Die Bandit bietet eine angenehme Sitzposition.
Kein Bestseller mehr, aber noch immer ein gutes Motorrad!
Als wir am Abend wieder im Hotel ankommen, ziehen wir ein Resümee: Von der Optik her ein gefälliges Motorrad, das in dem strahlenden Weiß der Lackierung immer noch einen guten Eindruck macht. Was aber viel wichtiger ist: Es hat reichlich Spaß gemacht, mit der Bandit die unzähligen Kurven des Odenwaldes unter die Räder zu nehmen, das Drehmoment, den Druck des Vierzylinders zu genießen und dank der Leichtigkeit des Handlings einen eleganten Kurventanz auf den Asphalt zu legen. Und das zu einem Listepreis von 9.740,-- Euro, also noch im vierstelligen Bereich. Gut, ein Bestseller wie in den Anfangsjahren ist die Bandit nicht mehr, aber 2014 haben sich immer noch über fünfhundert Motorradfahrer gefunden, die eine Bandit 1250 S ABS neu zugelassen haben, und damit gehört sie zu den Top 50 in der Statistik der Neuzulassungen.