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Beobachtete man die letzten Wochen und Monate die Berichterstattung der großen News-Netzwerke zum Thema Tempolimit auf Autobahnen, erweckten diese schnell den Eindruck, ein Tempolimit wäre bereits beschlossene Sache. Nach der Bundestagswahl kommt ein Tempolimit, so oder so. So die Aussagen einiger Redakteure. Die Grünen mit starken Umfragewerten, ihr Wahlprogramm zu dem Thema eindeutig. Auch war Grün-Rot-Rot, also eine Regierung aus Grünen, Linken und SPD vor kurzem noch durchaus denkbar. Die Linke schwimmt beim Thema Tempolimit ohnehin ganz vorn mit und verlangt dieses bei 120 km/h anzusiedeln, während die Grünen sich vorerst mit 130 km/h zufriedengeben würden. Diese Grenze sei dem Wähler vorerst leichter vermittelbar. Einige Skandale und fallende Umfragewerte später wendet sich nun das Blatt. Die Option der grünen Kanzlerin scheint erst einmal in weite Ferne gerückt zu sein. Eine rot-rot-grüne Regierung wird ebenso immer unwahrscheinlicher.
Wer soll das Tempolimit beschließen?
Aber wie kamen die großen Nachrichtenportale auf die Idee, Tempolimits würden sicher eingeführt, obwohl sich dafür keine Mehrheiten finden lassen? Einfache Antwort: Keine Ahnung. Für ein Tempolimit findet sich bei den potenziellen Regierungsparteien in nur einer einzigen Konstellation überhaupt eine Mehrheit. Die bereits erwähnte rot-rot-grüne Koalition. Alle drei Parteien zusammen erreichen derzeit laut aktuellen Umfragen aber nur rund 42 % der Stimmen. Tendenz fallend, denn die Stimmen der Grünen scheinen laut Umfragen nicht zu SPD und Linken zu wandern, sondern eher zu anderen Parteien. Beim Thema Tempolimits positionieren sich also klare Fronten. Kanzlerkandidat Laschet und Verkehrsminister Scheuer von CDU/CSU sowie Sprecher der FDP und der AfD sperren sich offen und für Politiker sehr deutlich gegen ein Tempolimit. Aufgrund der steigenden Anzahl an E-Autos seien die Abgas-Emissionen ein zumindest kleiner werdendes Thema. Dazu hätte man Jahr für Jahr gute Unfallstatistiken.
Was würde ein Tempolimit kosten?
Die volkswirtschaftlichen Kosten alleine durch Zeitverlust würden sich lt. IfW Kiel auf rund 1,3 Mrd. Euro pro Jahr belaufen. Auch kommt das Institut zu dem Schluss, dass die Maßnahme Tempolimit als Instrument zum Klimaschutz nicht geeignet sei. Das Geld könne anderweitig viel effizienter eingesetzt und somit mehr erreicht werden. Die Kosten je eingesparter Tonne CO
2 wären unangemessen hoch. Die deutsche Umwelthilfe geht noch einen Schritt weiter und verlangt gar Limits von 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und 30 km/h innerorts.
Die deutschen Autobahnen sind die sichersten Straßen der Welt. Wir haben eher Probleme bei der Verkehrssicherheit auf Landstraßen, darauf muss unser Fokus liegen. Verkehrsminister Andreas Scheuer, CSUÜberhöhte Geschwindigkeit nicht die häufigste Unfallursache
32.555 Unfälle kommen jährlich aufgrund von schlechten Fahrbahnen zustande. Fraglich, wie viele davon verhindert werden könnten, wenn man den potenziellen Schilderwald gegen bessere Straßenbeläge eintauschen würde. Auch trüge eine Vermeidung der jährlich 110.000 Kilometer Stau zur Reduktion des CO2-Ausstoßes bei.
Überhöhte Geschwindigkeit ist sicher ein Thema, wenn es um Unfälle geht, aber das betrifft zumeist eher kleinere Straßen und keine Autobahnen. Dort gilt jetzt schon ausnahmslos ein Tempolimit. 87 % aller Verkehrstoten haben ihr Leben innerorts oder auf Land- und Bundesstraßen gelassen. Laut ADAC sind Autobahnen die sichersten Straßen in Deutschland. Dazu ist das durchschnittliche Tempo auf Abschnitten ohne Tempolimit tatsächlich nur wenige km/h höher (124,7 km/h) als auf Abschnitten mit einem Tempolimit von 130 km/h (118,3 km/h). Schaut man sich die Unfallursachen an, so spielen Klassiker wie das Ignorieren von Vorfahrtsregeln oder mangelnder Abstand eine größere Rolle, als überhöhte Geschwindigkeit.
Es gibt doch ohnehin kaum Autobahnabschnitte ohne Tempolimit
Gefühlt mag das zutreffen, faktisch ist es aber nicht so. Rund 18.000 Kilometer Autobahn in Deutschland dürfen ohne Tempolimit befahren werden. Das sind weit mehr als mit Tempolimit. Dennoch gilt überall eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Wer diese überschreitet geht das Risiko einer Mithaftung ein. Rund 2.000 Kilometer deutscher Autobahnen sind übrigens Baustelle. Tendenz steigend. (+20 % zum Vorjahr)
Kommt nun ein Tempolimit oder nicht?
Sicher sagen kann man so etwas nie. Politiker haben sicher nicht zu Unrecht den Ruf, sich bei entsprechender Machtoption auch gerne einmal zu drehen wie ein Fähnchen im Wind. Aber schaut man sich die Umfragewerte und die dazugehörigen Aussagen der Parteien an, so erscheint ein Tempolimit auf Autobahnen direkt nach der Bundestagswahl im Moment sehr unwahrscheinlich. Fraglich bleibt jedoch, was passiert, wenn eine schwarz-grüne Koalition aufgrund dieses Punktes zu scheitern droht. Motorradfahrer, die vorzugsweise auf Landstraßen unterwegs sind, werden vermutlich auch noch nach der Wahl bis 100 km/h beschleunigen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, die Fahrlizenz zu riskieren.
Wahlprogramme für die Bundestagswahl im Parteicheck: Tempolimits auf Autobahnen
Dafür: Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, SSW
Dagegen: FDP, AfD, CDU, CSU, Freie Wähler