In der fünften Episode erkundet Ann-Kathrin auf Island einen aktiven Vulkan.
Ich setze mich zu dem jungen Mann in die Quelle. Direkt wird mir ein kaltes Bier in die Hand gedrückt. Gemeinsam sitzen wir da, sehen dabei zu, wie die Sonne untergeht, und betrachten später die Sterne. Wir unterhalten uns über Gott und die Welt. Ich genieße die Zeit zu zweit. Mal nicht alleine zu sein, zu sprechen und Gedanken auszutauschen. Nach einiger Zeit lässt der Mann mich alleine. Geht schlafen oder einfach seiner Wege … Ich bin wieder alleine.
Polarlichter und Sternenhimmel Noch weitere Stunden entspanne ich in der Quelle und sehe staunend dabei zu, wie meine Haut nach und nach weiter verschrumpelt. „Ob meine Hände so aussehen werden, wenn ich mal alt bin?“, frage ich mich und fahre mit meinen Fingerspitzen über die schrumpelige Haut. Ich merke, wie in mir die Angst hochsteigt. Eine Angst, dieses Alter niemals zu erreichen. Eine Angst, nicht all meine Träume verwirklicht zu haben, aufzugeben oder im Leben stehen zu bleiben. So sehr schwöre ich mir in diesem Moment, meinen Weg der Abenteuer weiterzugehen und meine begrenzte Zeit auf dieser Erde wertvoll zu nutzen. Solange, bis ich eines Tages steinalt von meinem Motorrad falle.
Der Dettifoss im Nordosten Islands ist einer der größten Wasserfälle Europas Erst als am frühen Morgen die Sonne wieder aufgeht, steige ich aus der heißen Quelle. „Ufff“, die Minus 3 Grad Außentemperatur lassen mich schlagartig zweifeln, ob ich mit 80 oder so noch Bock auf solche Abenteuer haben werde. Schnell schlüpfe ich in meine Jogginghose, ziehe mir einen Pullover über und renne auf Zehenspitzen zu meinem schon aufgebauten Zelt. Mein Magen grummelt laut. „Ich habe auch schon lange nichts mehr gegessen“, denke ich mir und schaue mir meine Vorräte an. In der breiten Auswahl zwischen Spaghetti und Spaghetti entscheide ich mich kurzerhand tatsächlich für: „Spaghetti!“ Ich krame meinen Kocher hervor, erhitze das Wasser und lasse mir danach den Geschmack von ungesalzener Pasta auf der Zunge zergehen. „Gibt Geileres“, denke ich mir und träume insgeheim in diesem Moment von einem saftigen, marinierten Stück Fleisch. Und doch, zum Überleben reicht es aus. Gestärkt schlüpfe ich in meinen Schlafsack, ziehe ihn bis über die Nase hoch und schlafe schließlich fröstelnd ein. „Warm ist irgendwie anders“, denke ich nicht nur jetzt, sondern auch am nächsten Morgen.
Eine Nacht, die brenzlich wird
Durchgeschwitzt und dennoch komplett ausgekühlt, sitze ich um ca. 5 Uhr in der Früh in meinem Zelt und kämpfe ums Überleben. „Minus drei Grad, Frost und ich fühle mich, als wäre ich kurz vorm Sterben.“ Grummelnd und zitternd krame ich eine Rettungsdecke hervor.
Da helfen nur warme Gedanken: Zelten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt Eine Rettungsdecke ist eine Folie, die einen Menschen vor der Unterkühlung schützen soll. Dabei hat sie zwei verschiedene Seiten: eine goldene und eine silberne. Bei Unterkühlung soll die silberne Seite dem Körper zugewandt werden, da sie die abgegebene Wärmestrahlung wieder zurückgibt. Zu meinem Glück kommt dazu, dass ich solch eine Decke aber noch nie benutzt habe und jetzt vor der Entscheidung stehe: Silber oder Gold? „Die Chance, es richtigzumachen, ist 50 zu 50“, denke ich mir und stülpe die goldene Seite über mich. Schlagartig wird mir wohlig warm und ich kann zurück in meine süßen Träume kehren. Erst am nächsten Tag lese ich die Bedienungsanleitung meiner Rettungsfolie: „Silberne Seite nach innen“ … Nun denn, zumindest habe ich heute herausgefunden, dass mentale Einbildung bestens bei mir funktioniert.
Unterwegs auf der F26 – Sprengisandur-Route Von jetzt an sage ich mir: „Die Kälte existiert nur in meinem Kopf.“ Kennt ihr die Geschichte von dem Mann, der sich zu Tode gedacht hat? Ungewollt wurde er in einer Kühlkammer eingesperrt und erst am nächsten Morgen erfroren aufgefunden, mit allen Symptomen eines Erfrierungstodes. Dabei war die Gefrierkammer gar nicht eingeschaltet. „Ich habe mich heute einfach nicht zu Tode, sondern wieder warm gedacht“, schmunzle ich vor mich hin und packe am Mittag meine Sachen zusammen, denn es geht für mich auf ein neues Abenteuer.
Vulkan, ich komme …
Island – Insel aus Feuer und Eis Ich mache mich auf den Weg zum aktiven Vulkan in Grindavík. Einige Stunden Fahrt und 8 Kilometer Wanderweg liegen hinter mir, als ich dann zum ersten Mal in meinem Leben einen aktiven Vulkan bestaunen kann. Ein Moment, der sich so unfassbar irreal anfühlt. Die Lava hat eine Farbe, so knallig und klar. Meine Augen sind wie gefesselt und können sich kaum von der Schönheit der Natur trennen. Erst am späten Abend, als der Mond schon hoch am Himmel steht, die Polarlichter schwach am Himmel tanzen und die Sterne zum Vorschein kommen, mache ich mich langsam auf den Rückweg. Ich merke, wie mir beim Wandern eine Träne über die Wange läuft! „Womit habe ich dieses Leben verdient?“, frage ich mich immer und immer wieder. Heiße Quellen, Polarlichter, Vulkane und die Möglichkeit, mit meinem Motorrad Island zu erkunden. Noch immer kann ich mein Glück nicht greifen und will meinen tiefsten Dank an Motorrad & Reisen, meine Fans und auch Harley-Davidson aussprechen, die diese Reise möglich gemacht haben!
Das Landmannalaugar-Gebiet in der Nähe vom Hekla Vulkan