Die Idee, dem Martelltal einen Besuch abzustatten, entstand während der M&R-Tour „Pässetraum Dreiländereck“. Der R-Tag war angesagt und die Frage stand an „Was machen wir denn heute?“
Einige wollten einen „R“uhetag einlegen, andere befürchteten heftigen „R“egen und starteten zu einem Einkaufsbummel im nahegelegenen Samnaun, um sich mit zollfreien Zigaretten oder alkoholischen Getränken einzudecken. Das „R“ kann man aber auch ganz anders interpretieren: „R“ wie Reconnaissance, was so viel wie Aufklärung oder Erkundung bedeutet. Oder „R“ wie Reportage, damit unsere Leser immer wieder etwas zu lesen haben und für sich neue Ziele entdecken. Die „R“-Crew für die Tour ins Martelltal fand sich schnell. Zu dritt – Sabine, Rudi (da findet sich doch noch ein „R“) und meine Wenigkeit – machten wir uns dann auf den Weg.
Von unserem Basislager, dem M&R Posthotel in Pfunds, ging’s zunächst in zügiger Fahrt über den Reschenpass und dann auf den kleinen Nebenstraßen an der Westseite des Vinschgauer Tals bis hinunter nach Schlanders und weiter nach Morter. Hier ist auf ca. 800 Metern Seehöhe der Einstieg in das ziemlich gradlinig in südwestlicher Richtung verlaufende Kerbtal. Allerdings versperrt gleich zu Beginn ein schmaler Schieferrücken die Einfahrt ins Tal, das hier von den mittelalterlichen Burgruinen Obermontani und Untermontani bewacht wird. Nachdem wir den natürlichen Sperrriegel aus Schiefer überwunden haben, erreichen wir schon nach wenigen Kilometern vor Burgaun, einem Ortsteil von Martell, die erste Talstufe und gewinnen etwa 400 Meter an Höhe. Hier genießen wir die ersten wirklichen Kurven und Serpentinen, bevor es dann eine ganze Weile nur noch leicht bergan steigt und die Straße eher einer leicht verbogenen Geraden gleicht. In dem kleinen, gerade einmal knapp 900 Einwohner beherbergenden Örtchen Martell halten wir kurz an. Interessant ist, dass der Ort zu 100 Prozent von deutschsprachigen Einwohnern bewohnt wird – so jedenfalls das Ergebnis einer italienischen Volkszählung aus dem Jahre 2011. Und ebenso bemerkenswert ist, dass das Martelltal das höchstgelegene Anbaugebiet für Erdbeeren in Europa ist. Die Anbauflächen reichen von 900 bis über 1800 Metern Seehöhe. Sabine schlägt vor, Qualität und Geschmack der Erdbeeren auf der Rückfahrt zu prüfen, bei einem großzügig dimensionierten Erdbeereis. Wir dürfen noch eine ganze Weile durch den weitläufigen Ort fahren, ehe wir das Biathlonzentrum Martell Val Martello auf der linken Talseite passieren und die nächste Talstufe erreichen. Aber dann … Holla, die Waldfee. An der rechten Seite des Tals müssen wir an einem steilen Berghang nach oben klettern, weil uns eine mächtige Staumauer den Weg versperrt. Stufe um Stufe geht es aufwärts. Acht dicht aufeinanderfolgende Kehren fordern unsere ganze Aufmerksamkeit, denn das Stückchen Gerade zwischen den Kehren reicht maximal für einen kurzen Gasstoß, ehe die Maschine wieder in Schräglage gebracht und um die engen Kurven gezirkelt werden muss. Als wir schließlich auf Höhe der Dammkrone angekommen und die Staumauer erreicht haben, bietet sich uns ein traumhafter Anblick. Vor uns liegt der Zufrittsee, ein Stausee auf 1850 Metern Seehöhe, 70 Hektar groß, mit einem Fassungsvermögen von fast 20 Millionen Kubikmetern. Wie an vielen Stellen in den Alpen wird auch hier unterhalb der Staumauer die Kraft des Wassers in einem Turbinenkraftwerk zur Energiegewinnung genutzt. Gespeist wird der See durch das Flüsschen Plima, das uns von der Spitze des Stausees an begleitet. Nur ein paar Meter trennen die Straße von dem reißenden Wasser des Bergflusses. Ein kurzer Stopp – Sabine und Rudi wollen das tosende Flüsschen aus der Nähe anschauen – bringt uns die Ruhe und Abgeschiedenheit, aber auch die Schönheit des Martelltals ins Bewusstsein. Kein Motorengeräusch weit und breit, nur das Rauschen des dahinstürzenden Wassers, dazu die wunderschöne Berglandschaft unterhalb des 3769 Meter hohen und mächtigen Monte Cevedale, der zum Ortlergebiet gehört, lässt uns länger als beabsichtigt verweilen und die Natur genießen. Dicht am Ufer entlang fahren wir schließlich weiter, denn noch haben wir den Talschluss nicht erreicht. Noch einmal geht es in sieben engen Kehren, die erneut volle Konzentration verlangen, steil nach oben bis auf 2051 Meter Seehöhe. Hier endet die Straße, es geht nur noch zu Fuß weiter. Zum Bergwandern ist unsere Ausrüstung wahrlich nicht geeignet und so kehren wir um. In entspanntem Tempo rollen wir talwärts und genießen die uns umgebende Landschaft, lassen unsere Blicke mal nach links, mal nach rechts schweifen. Am Flüsschen Plima entlang, hinunter zum Lago Gioveretto, wie der Zufrittsee auf Italienisch heißt, zwischen Felsen und See auf einem schmalen Asphaltband, stürzen wir uns dann die nächste Talstufe hinunter. Nur ein paar Kilometer weiter machen wir eine Entdeckung: Vor einem Restaurant stehen fünf Motorräder! Erst hier wird uns bewusst, dass wir den ganzen Tag im Martelltal noch keinen einzigen Biker gesehen haben. Nur ein paar Autos sind uns entgegengekommen, aber auch die kann man an einer Hand abzählen. Wo Motorräder stehen, sind auch Biker. Und wo Biker sind, gibt’s auch was Leckeres zu essen. Wir beschließen, uns auf der einladenden Terrasse niederzulassen, unsere Akkus mit Südtiroler Spezialitäten wieder aufzuladen und als i-Tüpfelchen endlich unser Eis mit heimischen Erdbeeren zu genießen. Solchermaßen für den weiteren Rückweg gestärkt, schwingen wir die letzte Talstufe hinunter ins Vinschgau, um dann gleich auf der anderen Seite wieder Höhe zu gewinnen und über die Vinschgauer Höhenstraße bis nach Schluderns zu fahren. Erst hier wechseln wir auf die Hauptverkehrsstraße und kehren in schneller Fahrt über den Reschenpass im italienischen Südtirol zurück nach Pfunds im österreichischen Tirol. Rudis Kommentar beim obligatorischen After-Tour-Bier zu unserer „R“-Tour sagt eigentlich alles: „Super! Solch eine Tour durch eine traumhafte Berglandschaft, fast ohne jeden Verkehr! Toll, einfach Klasse!“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Probiert ihn selbst einmal, den puren Genuss aus einer Kombination von tollen Strecken und eindrucksvoller Landschaft im Martelltal.
Motorradtour Hotspot Martelltal – Infos
Allgemeine Infos
Das Martelltal ist eines der Seitentäler des Etschtals im mittleren Vinschgau in Italiens autonomer Provinz Südtirol (Alto Adige), es wird von einer gut ausgebauten, 22 km langen Asphaltstraße erschlossen. Das Martelltal ist in den Nationalpark Stilfser Joch eingebettet und wird von der Plima entwässert. Das Ende des Tals bilden die zur Ortlergruppe gehörende Cevedale-Gruppe mit dem 3.769 m hohen Monte Cevedale als Hauptgipfel. Während im Etschtal selbst Obst- und Weinplantagen vorherrschen, wird das Martelltal auch das Erdbeertal genannt, weil hier das höchstgelegene Erdbeeranbaugebiet der Alpen zuhause ist. Im Taleingang steht ein Felsenriegel quer, auf dem sich die Burgruinen Obermontani und Untermontani befinden. Das Tal ist außerdem ein beliebtes Ziel für Aktivfans, Ruhesuchende und Naturfreunde.
Sehens- und erlebenswert
Das im Mittelvinschgau gelegene Martelltal liegt im Nationalpark Stilfser Joch. Die einzigartige Landschaft mit dem Zufritt-Stausee auf über 1.800 Meter Seehöhe und der Blick auf die Dreitausender der Cevedale- und der Ortler-Gruppe machen den Reiz dieses abgelegenen Seitentales aus.
Anreise
Ausgangspunkt unserer Erkundungstour ist das M&R Posthotel in Pfunds/Tirol. Um das Martelltal zu erreichen, bietet sich der Weg über den Reschenpass an. Der Einstieg ins Martelltal kann auch von Süden her, also von Meran oder Bozen aus erfolgen.
Beste Reisezeit
Zwischen April und Ende Oktober – je nach Wetterlage und außerhalb der Ferienzeiten – kann man diese Tour problemlos unter die Räder nehmen.
Verpflegung
Ausgangspunkt unserer Erkundungstour ist das M&R Posthotel in Pfunds/Tirol. Um das Martelltal zu erreichen, bietet sich der Weg über den Reschenpass an. Der Einstieg ins Martelltal kann auch von Süden her, also von Meran oder Bozen aus erfolgen.
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