M&R-PlusGanz im Süden Frankreichs

Mit dem Viaduc de Millau überspannt die Moderne, das Tal des Tarn und dort, nur ein paar Meter tiefer, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.
Coelestina Lerch & Dr. Dietrich Hub
Coelestina Lerch & Dr. Dietrich Hub
Während der nächsten zwei Kilometer hat meine Sozia definitiv den besseren Blick­winkel als ich. Während ich wie immer konzentriert meine Augen nach vorne auf die Straße richten muss, darf sie ihre Blicke auch nach oben und nach unten schweifen lassen. Über und unter uns gibt es dann auch allerhand zu sehen. Scheinbar schwebend fährt unsere BMW R 1200 RT über das Viadukt von Millau. Die Spur unseres Motorrades ver­läuft dabei irgendwo zwischen Him­mel und Erde.
Einfach nur sehenswert: Das imposante Viaduc du Millau
Einfach nur sehenswert: Das imposante Viaduc du Millau
340 Meter über uns ragen die Pfeiler der weltweit höchsten Brückenkonstruktion in den Himmel. Seit­lich von uns sind die Tragseile der gigantischen Brücke schräg nach oben ge­spannt. Die Querung dieses Mega­bauwergs erscheint uns daher wie eine Fahrt durch eine Allee von Stahlseilen. Jene halten aber die 2460 Meter lange Fahrbahn, die anscheinend schwerelos das darunter liegende Tal überspannt. Die Brücke ist auch nicht wie üb­lich als gerade Linie gebaut, sondern verläuft in einem sanften Kur­ven­radius. So richtet sich auch mein Blick nicht nur auf die Fahrbahn vor uns, sondern auch auf die Außenseiten der Pfeiler und ich muss zweifellos anerkennen, dass dieses hier nicht einfach nur irgendein Bau­werk für den Fernverkehr, sondern eben ein Kunstwerk aus Stahl und Beton ist. Das „Viadukt von Millau“ haben wir deshalb auch ganz bewusst als eines der Höhepunkte unserer Motor­rad­tour durch das Tal des Tarn gewählt.
Saint-Rome-de-Tarn
Saint-Rome-de-Tarn
Vor der Überquerung des Tales in luftiger Höhe haben wir dieses Bauwerk aus­giebig von unten betrachtet. Für die meisten Motorradfahrer ist das Viadukt freilich nur eine Etappe auf ihrem Weg ans Mittelmeer. Diese Autobahn­brücke schloss dafür die Lücke zwischen der französischen Autobahn A 75 zwischen Clermont-Ferrand und Montpellier. Die Fahrzeit von Paris zu den Stränden bei Sète wurde so glatt um eine ganze Stunde verkürzt. Für mich ist das monumentale Viadukt aber nicht nur Teil irgendeines Verkehrsweges. Tradition und Moderne sind hier vorzüglich miteinander verbunden.
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Und so passt dieses architektonische Meisterwerk trotz seiner reichlich imposanten Dimensionen in die es umgebende Landschaft. Das oft sanft wirkende Tal des Tarn wird eben optisch auch recht elegant überspannt. Damit alles mit der Sta­tik passt, verläuft unter der Fahr­bahn übrigens ein durchgehendes Stahl­band mit einem Durchmesser von 4,20 Meter. 36.000 Tonnen wiegt dabei allein dieses Metall. Zum Vergleich: Der 320 Meter hohe Eifelturm – nur aus Me­tall gebaut – bringt gerade mal 7.000 Tonnen auf die Waage. Die paar Autos, die oben über die Fahrbahn rollen, fallen dem gegenüber natürlich kaum „ins Gewicht“. Ge­testet wurde trotzdem, und zwar ausgiebig: Vor der Freigabe der Brücke schickte man seinerzeit 28 Kieslaster mit einem Ge­samt­gewicht von mehr als 900 Tonnen darüber. Dabei wurde festgestellt, dass sich die Brücke dabei exakt so weit durch gebogen hat, wie von den Ingenieu­ren zuvor berechnet – nämlich mal gerade ganze 60 Zentimeter. Davon merken wir auf der RT freilich nichts.
Die herrliche Idylle des Tarn
Die herrliche Idylle des Tarn
So nützlich wie diese Brücke auf dem Weg zum Mittelmeer auch ist, so unbekannt ist die Region, die sie überspannt. Aber genau dieser Landesteil, die französischen Departements Tarn und Avey­ron in der Region „Midi-Pyrénées“ im Süden Frankreichs waren das Ziel unserer Motorradreise. Benannt wurde das Departement Aveyron nach dem Fluss Aveyron, einem Nebenfluss des Tarn. Ziemlich genau 100 Kilometer folgten wir dem Verlauf des Flusses. Aus­gangspunkt unserer Fahrt durchs Tarntal ist Albi. Wie ein „Schiff aus Ziegelsteinen“ thront dort die Kathe­drale Sainte Cécile über der Stadt. Der Bischofspalast daneben dient – sicher nicht zur Freude der katholischen Kir­che – inzwischen als Toulouse-Lautrec-Museum. Das hat aber seinen Grund, denn Henri de Toulouse-Lautrec wurde 1864 in Albi geboren und ist somit der be­rühmteste Sohn dieser Stadt. Aller­dings folgte der weltberühmte Maler lieber seiner Leidenschaft für das Pariser Va­rieté Moulin Rouge, sowie für das Nacht­leben dort insgesamt. Seine so erlebten Ein­drücke des „leichten Lebens“ hat er dann auch in vielen seiner Meisterwerke verewigt. Natürlich veränderten sie den Stil der ehemaligen Bischofsresidenz fundamental, denn gleich 600 Werke von Toulouse-Lautrec sind in dem Museum zu sehen. Was für ein Kontrast zu jenen züchtigen Gemälden, die man in der Ka­thedrale nebenan besichtigen kann.
Hier sind unter anderem die Todsünden (peccatum mortiferum) in Gemälden fest­gehalten, die im Katechismus der Katholischen Kirche als bestimmte und be­son­ders schwerwiegende Sünden (Mord, Ehebruch und Glaubensabfall) bezeichnet werden.
Das hübsche Örtchen Ambialet
Das hübsche Örtchen Ambialet
Nach diesem moralischen Wechselbad schwingen wir uns wieder auf unsere BMW. Die Fahrt durchs Tarntal in Richtung Ambialet verlangt höchste Konzentration. Der Fluss hat gewaltige Kehren in die Landschaft gegraben und die Kurven sind genial. In Ambialet bildet der Tarn zudem eine drei Kilometer lange Schlei­fe um einen Schieferfelsen, so dass sich beide Fluss­betten fast berühren. Nach intensiver Be­sichtigung dieses Örtchens und eines seiner Cafés geht unsere Fahrt weiter durch ähnliche Flecken dieser Art.
Brousse le Chateau, 30 Kilometer oberhalb im Tarntal, soll zu den „schönsten Dörfern Frankreichs“ gehören. Falsch ist das wohl nicht. So lassen wir den Tag dort ausklingen, und zwar mit einem ge­nüsslichen Abend­essen auf der Ter­rasse eines Restaurants direkt an der Bo­gen­­brücke zur Wehrburg. Die Bedie­nung versteht kein Deutsch, ich spreche praktisch kein Französisch, aber – und das ist wohl das Wichtigste – der Koch versteht sein Handwerk, die Routen waren wunderschön und der Rot­wein ist gut. Ach ja, eine hübsche Sozia gibt es auch noch. Mo­tor­radfahrerherz, was willst du mehr?
Und dann muss ich hier noch zugeben, dass die Wahl dieses „Zielgebietes“ Midi-Pyrenées nur teilweise auf unsere eigene Entscheidung zurückzuführen ist. In den Süden wollten wir, aber bitte dorthin, wo man als Motorradfan eben reichlich Spaß hat.
Wir haben die Anfahrt auf der Autobahn gegen die Rampe des DB-Autozuges getauscht
Wir haben die Anfahrt auf der Autobahn gegen die Rampe des DB-Autozuges getauscht
Doch wie kommt man für einen Kurzurlaub mal schnell dorthin? So­lange man das Motorrad in keinem Bil­lig­flie­ger mitnehmen darf, ist die Ei­senbahn für Motorradfahrer sicher mehr als nur eine überlegenswerte Al­ter­native. Die Grob­planung unseres Kurzurlaubes übernahm daher die Deutsche Bahn AG, deren Auto­rei­se­züge unter anderem eben nach Nar­bonne in Südfrankreich fahren. Öde Stre­cken über die Autobahn quälen be­kanntlich den Fahrer, lassen das Rei­fenprofil schnell schrumpfen, kosten vielerorts Maut und lassen den Zu­frie­denheitslevel der Sozia sinken. Um vor allem Letzteres effektiv zu verhindern, nutzen wir als den DB-Autozug, dessen Sitzpolster nachts einfach zu einer Liegevariante umgebaut werden. So schafften wir die langen 1.000 Kilometer von Neu-Isenburg bis nach Narbonne sozusagen im Schlaf. Dort entspannt angekommen, reizte uns aber nicht das Mittelmeer, sondern eben jene unbekannte Gegend am Tarn, 140 Kilometer nordöstlich von Narbonne, ein wahres Motorrad­pa­radies, das wir ohne DB Autozug mal so eben erschlossen hätten.

Motorradtour Ganz im Süden Frankreichs – Infos

Motorradtour Ganz im Süden Frankreichs
Fast wie zwischen Himmel und Hölle kam sich Lucia auf ihrer ersten großen Motorradtour mit Hans vor. Dabei ging es rauf auf den Gipfel des Mont Ventoux und tief hinein in die Schluchten von Ardèche und Verdon.

Allgemeine Infos

In den südfranzösischen De­par­te­ments Tarn und Aveyron fährt man durch grandiose Land­schaften, die nicht vom Tourismus ge­prägt sind. Dementsprechend ur­wüchsig präsentiert sich die Region.

Sehens- und erlebenswert
Beeindruckend war auf unserer Tour in erster Linie das wundervolle Tarntal mit seinen kleinen wie hübschen Örtchen und der Schlucht gleich oberhalb von Millau. Aber auch Albi bietet einiges an Sehenswertem, wie das Henri de Toulouse-Lautrec gewidmete Muse­um im ehemaligen Bischofspalast.

Anreise

Wer ebenso bequem, wie wir anreisen will, nimmt einfach den DB-Autozug nach Nar­bonne.

Beste Reisezeit

Im beschriebenen Gebiet herrschen milde Winter und warme Sommer vor. Es eignet sich durch­aus als Ganzjähriges-Ziel. In den Ber­gen kann es im Winter allerdings auch mal recht kühl werden, mit Schnee und Eis muss man deshalb gelegentlich rechnen. Das Frühjahr mit seiner bunten Flora und der dann schon kräftig wärmenden Sonne eignet sich dagegen be­stens für einen zeitigen Start in die Motorrad-Saison. Der Herbst als farbenprächtige Jahres­zeit bietet sich eben­falls an. Wer das beschriebene Gebiet im Hochsommer be­sucht, muss mit sehr hohen Temperaturen rechnen.

Verpflegung

Die Restaurants sind in Frank­reich bekanntlich sehr gut. Es empfiehlt sich immer ein Menü zu be­stellen. Die Kosten hierfür betragen zwi­schen 20,--  und 40,-- Euro. Zu trinken gibt es Tafelwasser (kostenlos), Mi­ne­ralwasser oder Wein.

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