Während der nächsten zwei Kilometer hat meine Sozia definitiv den besseren Blickwinkel als ich. Während ich wie immer konzentriert meine Augen nach vorne auf die Straße richten muss, darf sie ihre Blicke auch nach oben und nach unten schweifen lassen. Über und unter uns gibt es dann auch allerhand zu sehen. Scheinbar schwebend fährt unsere BMW R 1200 RT über das Viadukt von Millau. Die Spur unseres Motorrades verläuft dabei irgendwo zwischen Himmel und Erde. 340 Meter über uns ragen die Pfeiler der weltweit höchsten Brückenkonstruktion in den Himmel. Seitlich von uns sind die Tragseile der gigantischen Brücke schräg nach oben gespannt. Die Querung dieses Megabauwergs erscheint uns daher wie eine Fahrt durch eine Allee von Stahlseilen. Jene halten aber die 2460 Meter lange Fahrbahn, die anscheinend schwerelos das darunter liegende Tal überspannt. Die Brücke ist auch nicht wie üblich als gerade Linie gebaut, sondern verläuft in einem sanften Kurvenradius. So richtet sich auch mein Blick nicht nur auf die Fahrbahn vor uns, sondern auch auf die Außenseiten der Pfeiler und ich muss zweifellos anerkennen, dass dieses hier nicht einfach nur irgendein Bauwerk für den Fernverkehr, sondern eben ein Kunstwerk aus Stahl und Beton ist. Das „Viadukt von Millau“ haben wir deshalb auch ganz bewusst als eines der Höhepunkte unserer Motorradtour durch das Tal des Tarn gewählt. Vor der Überquerung des Tales in luftiger Höhe haben wir dieses Bauwerk ausgiebig von unten betrachtet. Für die meisten Motorradfahrer ist das Viadukt freilich nur eine Etappe auf ihrem Weg ans Mittelmeer. Diese Autobahnbrücke schloss dafür die Lücke zwischen der französischen Autobahn A 75 zwischen Clermont-Ferrand und Montpellier. Die Fahrzeit von Paris zu den Stränden bei Sète wurde so glatt um eine ganze Stunde verkürzt. Für mich ist das monumentale Viadukt aber nicht nur Teil irgendeines Verkehrsweges. Tradition und Moderne sind hier vorzüglich miteinander verbunden.
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Und so passt dieses architektonische Meisterwerk trotz seiner reichlich imposanten Dimensionen in die es umgebende Landschaft. Das oft sanft wirkende Tal des Tarn wird eben optisch auch recht elegant überspannt. Damit alles mit der Statik passt, verläuft unter der Fahrbahn übrigens ein durchgehendes Stahlband mit einem Durchmesser von 4,20 Meter. 36.000 Tonnen wiegt dabei allein dieses Metall. Zum Vergleich: Der 320 Meter hohe Eifelturm – nur aus Metall gebaut – bringt gerade mal 7.000 Tonnen auf die Waage. Die paar Autos, die oben über die Fahrbahn rollen, fallen dem gegenüber natürlich kaum „ins Gewicht“. Getestet wurde trotzdem, und zwar ausgiebig: Vor der Freigabe der Brücke schickte man seinerzeit 28 Kieslaster mit einem Gesamtgewicht von mehr als 900 Tonnen darüber. Dabei wurde festgestellt, dass sich die Brücke dabei exakt so weit durch gebogen hat, wie von den Ingenieuren zuvor berechnet – nämlich mal gerade ganze 60 Zentimeter. Davon merken wir auf der RT freilich nichts. So nützlich wie diese Brücke auf dem Weg zum Mittelmeer auch ist, so unbekannt ist die Region, die sie überspannt. Aber genau dieser Landesteil, die französischen Departements Tarn und Aveyron in der Region „Midi-Pyrénées“ im Süden Frankreichs waren das Ziel unserer Motorradreise. Benannt wurde das Departement Aveyron nach dem Fluss Aveyron, einem Nebenfluss des Tarn. Ziemlich genau 100 Kilometer folgten wir dem Verlauf des Flusses. Ausgangspunkt unserer Fahrt durchs Tarntal ist Albi. Wie ein „Schiff aus Ziegelsteinen“ thront dort die Kathedrale Sainte Cécile über der Stadt. Der Bischofspalast daneben dient – sicher nicht zur Freude der katholischen Kirche – inzwischen als Toulouse-Lautrec-Museum. Das hat aber seinen Grund, denn Henri de Toulouse-Lautrec wurde 1864 in Albi geboren und ist somit der berühmteste Sohn dieser Stadt. Allerdings folgte der weltberühmte Maler lieber seiner Leidenschaft für das Pariser Varieté Moulin Rouge, sowie für das Nachtleben dort insgesamt. Seine so erlebten Eindrücke des „leichten Lebens“ hat er dann auch in vielen seiner Meisterwerke verewigt. Natürlich veränderten sie den Stil der ehemaligen Bischofsresidenz fundamental, denn gleich 600 Werke von Toulouse-Lautrec sind in dem Museum zu sehen. Was für ein Kontrast zu jenen züchtigen Gemälden, die man in der Kathedrale nebenan besichtigen kann. Hier sind unter anderem die Todsünden (peccatum mortiferum) in Gemälden festgehalten, die im Katechismus der Katholischen Kirche als bestimmte und besonders schwerwiegende Sünden (Mord, Ehebruch und Glaubensabfall) bezeichnet werden. Nach diesem moralischen Wechselbad schwingen wir uns wieder auf unsere BMW. Die Fahrt durchs Tarntal in Richtung Ambialet verlangt höchste Konzentration. Der Fluss hat gewaltige Kehren in die Landschaft gegraben und die Kurven sind genial. In Ambialet bildet der Tarn zudem eine drei Kilometer lange Schleife um einen Schieferfelsen, so dass sich beide Flussbetten fast berühren. Nach intensiver Besichtigung dieses Örtchens und eines seiner Cafés geht unsere Fahrt weiter durch ähnliche Flecken dieser Art. Brousse le Chateau, 30 Kilometer oberhalb im Tarntal, soll zu den „schönsten Dörfern Frankreichs“ gehören. Falsch ist das wohl nicht. So lassen wir den Tag dort ausklingen, und zwar mit einem genüsslichen Abendessen auf der Terrasse eines Restaurants direkt an der Bogenbrücke zur Wehrburg. Die Bedienung versteht kein Deutsch, ich spreche praktisch kein Französisch, aber – und das ist wohl das Wichtigste – der Koch versteht sein Handwerk, die Routen waren wunderschön und der Rotwein ist gut. Ach ja, eine hübsche Sozia gibt es auch noch. Motorradfahrerherz, was willst du mehr?
Und dann muss ich hier noch zugeben, dass die Wahl dieses „Zielgebietes“ Midi-Pyrenées nur teilweise auf unsere eigene Entscheidung zurückzuführen ist. In den Süden wollten wir, aber bitte dorthin, wo man als Motorradfan eben reichlich Spaß hat. Doch wie kommt man für einen Kurzurlaub mal schnell dorthin? Solange man das Motorrad in keinem Billigflieger mitnehmen darf, ist die Eisenbahn für Motorradfahrer sicher mehr als nur eine überlegenswerte Alternative. Die Grobplanung unseres Kurzurlaubes übernahm daher die Deutsche Bahn AG, deren Autoreisezüge unter anderem eben nach Narbonne in Südfrankreich fahren. Öde Strecken über die Autobahn quälen bekanntlich den Fahrer, lassen das Reifenprofil schnell schrumpfen, kosten vielerorts Maut und lassen den Zufriedenheitslevel der Sozia sinken. Um vor allem Letzteres effektiv zu verhindern, nutzen wir als den DB-Autozug, dessen Sitzpolster nachts einfach zu einer Liegevariante umgebaut werden. So schafften wir die langen 1.000 Kilometer von Neu-Isenburg bis nach Narbonne sozusagen im Schlaf. Dort entspannt angekommen, reizte uns aber nicht das Mittelmeer, sondern eben jene unbekannte Gegend am Tarn, 140 Kilometer nordöstlich von Narbonne, ein wahres Motorradparadies, das wir ohne DB Autozug mal so eben erschlossen hätten.
Motorradtour Ganz im Süden Frankreichs – Infos
Fast wie zwischen Himmel und Hölle kam sich Lucia auf ihrer ersten großen Motorradtour mit Hans vor. Dabei ging es rauf auf den Gipfel des Mont Ventoux und tief hinein in die Schluchten von Ardèche und Verdon.
Allgemeine Infos
In den südfranzösischen Departements Tarn und Aveyron fährt man durch grandiose Landschaften, die nicht vom Tourismus geprägt sind. Dementsprechend urwüchsig präsentiert sich die Region.
Sehens- und erlebenswert Beeindruckend war auf unserer Tour in erster Linie das wundervolle Tarntal mit seinen kleinen wie hübschen Örtchen und der Schlucht gleich oberhalb von Millau. Aber auch Albi bietet einiges an Sehenswertem, wie das Henri de Toulouse-Lautrec gewidmete Museum im ehemaligen Bischofspalast.
Anreise
Wer ebenso bequem, wie wir anreisen will, nimmt einfach den DB-Autozug nach Narbonne.
Beste Reisezeit
Im beschriebenen Gebiet herrschen milde Winter und warme Sommer vor. Es eignet sich durchaus als Ganzjähriges-Ziel. In den Bergen kann es im Winter allerdings auch mal recht kühl werden, mit Schnee und Eis muss man deshalb gelegentlich rechnen. Das Frühjahr mit seiner bunten Flora und der dann schon kräftig wärmenden Sonne eignet sich dagegen bestens für einen zeitigen Start in die Motorrad-Saison. Der Herbst als farbenprächtige Jahreszeit bietet sich ebenfalls an. Wer das beschriebene Gebiet im Hochsommer besucht, muss mit sehr hohen Temperaturen rechnen.
Verpflegung
Die Restaurants sind in Frankreich bekanntlich sehr gut. Es empfiehlt sich immer ein Menü zu bestellen. Die Kosten hierfür betragen zwischen 20,-- und 40,-- Euro. Zu trinken gibt es Tafelwasser (kostenlos), Mineralwasser oder Wein.
Reisen: Böhmen-Nordwest – Karlsbad, Marienbad & Erzgebirge, Ganz im Süden Frankreichs, Großer Inselberg – Vom Harz in den Thüringer Wald, Leserreportage Nepal, Sarntaler Alpen, Hochrhein – Zwischen Schwarzwald & Bodensee
Acht beidseitig laminierte und bedruckte Einzelblätter ohne eingezeichnete Touren. Auf den wetter- und reißfesten Karten lassen sich, mit einem wasserlöslichen Stift, eigene Routen oder Anmerkungen eintragen und später wieder entfernen. Die Karten-Sets werden in einer praktischen Umtasche mit Reißverschluss geliefert.mehr Tourenmaßstab: 1:250.000.
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