Wer BMW-Boxer sagt, meint in der Regel GS. Es genügt, während einer Alpentour Augen und Ohren aufzumachen, schon weiß man, wie der Favorit der Alpin-Reisenden aus aller Herren Länder von Skandinavien bis Südeuropa heißt: BMW R 1200 GS. Die vom selben Motorprinzip befeuerten Schwestermodelle der 1200er – der Tourer RT, der Roadster R und der Sporttourer RS – sind vergleichsweise selten zu sehen. Die neue R 1250 GS, kaum ein Dreivierteljahr auf dem Markt, ist auf den Straßen bereits übermächtig. Die Zahlen für die fast gleichzeitig erschienene RT und, natürlich, für die erst im Frühjahr losgelassene R können da nicht mithalten. Sind die drei anderen Boxermodelle deshalb entbehrlich?
Mitnichten. Das zeigt die jetzt erstmals gefahrene R 1250 RS, der Sporttourer in der Boxer-Familie. Ausgangs des Sommers wird sie bei den Händlern verfügbar sein, wir durften sie schon Anfang Juli zwei Tage lang durch die Alpen treiben. 100 Kilometer Autobahn zeigten, dass sie auch mit Koffern sauber Vollgas läuft; gemeint sind gut 230 km/h. Und 600 Kilometer Landstraßen samt Großglockner Hochalpenstraße, Jaufenpass und Timmelsjoch stellten gute Handlichkeit und fantastische Bremsen, kurz ein sehr ausgewogenes Fahrwerk unter Beweis. Zwar sind Sporttourer seit dem Aufkommen der Sports Adventure Bikes eine tendenziell rare Spezies geworden, ihre Existenzberechtigung haben sie freilich nach wie vor. Sie sind das klassische Sportsbike, mit dem man sich nicht nur im Kreis drehen, sondern samt Sozia auch mal in den Urlaub fahren kann.
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Die komplette Ausgabe 94/2019 von Motorrad & Reisen als PDF mit folgendem Inhalt:
Motorräder: BMW R 1250 RS,
BMW R nineT /5, Horex VR6 RAW, Harley-Davidson LiveWire
Touren: Ein heißer Ritt durch den Thüringer Wald, Dolce Vita am Lago di Como: Comer See, Spanien & Portugal: Andalusien, Alentejo & Extremadura, Reif für die Insel: Island
mehrr/> Zuletzt aktualisiert: 30.08.2019
6 Seiten Fahrtest als PDF
Zuletzt aktualisiert: 27.08.2019
Motorräder: BMW R 1250 RS, BMW R nineT /5, Horex VR6 RAW, Harley-Davidson LiveWire
Touren: Ein heißer Ritt durch den Thüringer Wald, Dolce Vita am Lago di Como: Comer See, Spanien & Portugal: Andalusien, Alentejo & Extremadura, Reif für die Insel: Islan mehrd Dass der Langstreckler RS erst mit solch deutlicher Verzögerung sein Debüt gibt, liegt daran, dass er im Zuge des Updates von der R 1200 RS zur R 1250 RS tiefgreifender modifiziert worden ist als seine drei Schwestern. Der obere Teil ihrer Verkleidung wurde neu geschneidert und zudem wurde die Scheinwerferanlage von Halogen auf LED umgestellt. Beides, Verkleidung wie Scheinwerfer, lassen die RS in neuem Schick erstrahlen. Wer sich das aufpreispflichtige Tagfahrlicht gönnt, fährt zudem eine markante Optik spazieren: Schmal, langgestreckt und bogenförmig, charakteristisch und elegant zugleich.
Teil der Verkleidung ist der einhändig in zwei Stufen arretierbare, transparente Windschild. Er macht seine Sache gut, nimmt einigen Winddruck vom Oberkörper und neigt glücklicherweise nicht dazu, dem Fahrer permanent ins Ohr zu brüllen. Weil die Aerodynamik in München ganz offensichtlich sauber erarbeitet worden ist, fährt die RS auch bei sehr hoher Geschwindigkeit trotz montierter (beladener) Koffer absolut stabil geradeaus. Dass die RS so fein dahingleitet, liegt nicht zuletzt an der gegenüber der R geringfügig, aber offensichtlich wirksam geänderten Fahrwerksgeometrie: Die im Vergleich zur R minimal flacher montierte Gabel und der deshalb veränderte Nachlauf des Vorderrads verschieben den Fokus von der Agilität zur Stabilität.
Deshalb hat die RS aber nicht die Charakteristik eines Baumstamms, bewahre! Sie ist halt nur ein bisschen weniger agil, aber eben nicht mehr so superhandlich wie ihre Roadster-Schwester. In punkto Bremsen (radiale Vierkolben-Brembos), Federung, Dämpfung erscheinen beide Modelle als eineiige Zwillinge. Vom fliegenden Teppich GS sind beide ein Stück entfernt, aber das ist mit 140 statt 200 Millimetern Federweg unvermeidlich. Größer ist die Differenz zwischen R und RS bei der Positionierung des Fahrers: Sitzt man auf der R ziemlich aufrecht, zwingen einen der tiefer montierte und etwas schmalere Lenker der RS in eine sportlichere, aktivere Sitzposition. Wer diese Art des Sitzens nicht so gerne hat, kann auch den breiteren Lenker der R montieren lassen – „Gelassenheits-Lenkstange“ nannte ein Kollege diese Art Feintuning. In jedem Fall vorteilhaft ist, dass BMW bei der Sitzmöblierung eine breite Auswahl bereithält: Der in 820 mm Höhe montierte Seriensitz wird Fahrern jenseits von etwa 1,80 wegen des daraus resultierenden engen Kniewinkels jenseits der Rennstrecke sicher oftmals zu unbequem sein.
Kommen wir zum Herz- und Glanzstück der BMW R 1250 RS, ihrem Hammer-Motor. Das Hubraumplus in Verbindung mit der clever aufgesetzten variablen Ventilsteuerung befeuern die RS in einer Art und Weise, dass wohl jedem Fahrer ein Dauergrinsen ins Gesicht betoniert wird. Ortsdurchschleichungen im größten Gang gelingen genauso anstandslos wie Kehrendurchfahrten im dritten Gang statt dem eigentlich angebrachten zweiten; eine Kehre, die bei RS wie R zwingend den ersten Gang erfordert, muss erst noch gebaut werden. Doch auch am anderen Ende des Drehzahlbandes herrscht eitel Sonnenschein: Der Shiftcam-Boxer scheint förmlich zu explodieren, wenn er endlich mal mehr als 6.000 U/min drehen darf. Das ist angesichts seines enormen Drehmomentgebirges üblicherweise so gut wie nie erforderlich. Spaß macht es, denn so frei wie dieser Boxer drehte noch kein anderer BMW-Serien-Flattwin bis an den Begrenzer – immerhin 9.000 U/min.
Weil man, insbesondere in den Alpen, zumeist mehr aus den Kurven herausfeuert und den Bumms von unten raus genießt, ergeben sich beeindruckend niedrige Verbrauchswerte. Der bei BMW üblicherweise sehr korrekt anzeigende Bordcomputer wies am Ende der 700 meist recht zügig gefahrenen Alpenkilometer einen Wert von 4,8 Liter/100 km aus; einige Kollegen brachten auch eine niedrige 5 zustande. Zurückhaltender gefahrene Streckenabschnitte wurden beim einen oder anderen Fahrer sogar mit einer 3 vor dem Komma belohnt.
So erfreulich also das Fahren der neuen BMW R 1250 GS unterm Strich ist, so irritierend ist der enorme Unterschied zwischen den beiden Reifentypen, die BMW für die Erstausrüstung vorgesehen hat. Ein freundlicher, gutmütiger und harmoniesüchtiger Partner ist der Metzeler Roadtec Z8; er kann alles, was ein Sporttouring-Pneu können muss. Er gibt sich präzise, lenkt leicht ein, kippelt nicht und ist im besten Sinne unauffällig. Genau das kann man vom zweiten Erstausrüster-Fabrikat nicht sagen: Der Michelin Pilot Road 4 schmiert in Kurven gerne mal weg, zeigt sich nervös-kippelig und legt ein insgesamt diffuses Kurvenverhalten an den Tag. Das gilt für die RS wie für die R gleichermaßen. Es ist reines Glück oder eben Pech, auf welchen Reifen die RS zum Kunden rollt; schade und verwunderlich, dass BMW hier zwei so unterschiedliche Reifen verwendet.
Abgesehen davon kann man an der BMW R 1250 RS so gut wie nichts ernsthaft kritisieren. Die auch für sie gültige Aufpreispolitik des Hauses ist bekannt und stört den einen mehr, den anderen weniger. Vorteilhaft an ihr ist fraglos, dass individuelle Funktions-, aber auch Designwünsche passgenau erfüllt werden können. Natürlich gibt es nur wenige Boxer-BMWs, die in Mitteleuropa heutzutage ohne Vollausstattung ausgeliefert werden, aber immerhin kann das jeder Kunde selbst entscheiden. Fraglos von Vorteil sind das Dynamic-ESA, die Fahrmodi Pro wegen des enthaltenen Kurven-ABS und der ebenfalls enthaltenen dynamischen Traktionskontrolle, aber auch der intelligente Notruf kann eine unerwartet große, vielleicht sogar lebensrettende Wirkung haben.