Vorn zwei Räder, hinten eins, quasi umfallsicher und mit Autoführerschein fahrbar, dazu Beschleunigungswerte von null auf 100 wie ein Porsche 911. So gesehen das ideale Gefährt für alle, die gern Biker wären, aber nie den „Einser“ bzw. Klasse A erwarben. Oder schlicht Sorge vor der Instabilität eines Einspurfahrzeugs haben, aber Freude hegen an Fahrtwind, Haudegen-Look und Witterung.

„Eine völlig neue Art des Fahrens“
Spötter sehen das genaue Gegenteil von Pointets Deutung in dem Dreirad, das in Europa bislang mehr als 15.000 eingefleischte Abnehmer gefunden hat – die Verschmelzung der Nachteile von Vier- und Zweirad: kein Durchkommen im Stau, Parkplatzprobleme in der Stadt und dann auch noch Spielball der Wetterlaunen. Aber derlei Miesepetrigkeit lassen wir mal außen vor. BRP verspricht „eine völlig neue Art des Fahrens“. Deshalb sind wir hier. Im sonnigen Portugal, genauer in Faro, wo das Hinterland zu dieser Jahreszeit mit menschenleeren Straßen lockt.Ein Ryker also. So, so. Das Kunstwort fusioniert die Begriffe „Ryder“ (für Spyder-Fahrer) und „Biker“. BRP positioniert Ryker als neue Submarke, da es gleich zu Beginn drei weitgehend baugleiche Versionen gibt vom radikal gestrippten Spyder – einen 600er Zweizylinder mit 50 PS und zwei 900er Dreizylinder mit 82 PS.
Ähnlich wie Ducati mit seiner „Land of Joy“-Familie Scrambler zielt BRP mit dem Einsitzer auf eine andere Zielgruppe als bei seinen Kernmodellen: Ryker-Fahrer ticken urban, suchen ein hippes Spaßvehikel und gehören laut BRP-Definition zur Generation 30 plus. Das grenzt sie in der Tat ab zur Spyder-Community, die eher in die Altersklasse Ü50 fällt.
Ihr deutlich größeres und schwereres Anti-Aging-Fortbewegungsmittel parkt gepflegt in der Garage neben dem Eigenheim, meist als Zweit- oder Drittfahrzeug. Samt Ehefrau und Gleichgesinnten wird damit die weite Welt bereist. Oder zumindest die nähere Umgebung. Was halt so ansteht.
Power wie ein kleiner GTI
Auf dem deutlich kleineren und leichteren Ryker geht das natürlich grundsätzlich auch, so man sich für die optional zweisitzige 900er Rally Edition entscheidet und nicht allzu viel Gepäck benötigt. Aber der Fokus liegt ganz klar auf Solobetrieb und Fahrspaßtrips mit übersichtlichem Radius, allein schon, weil die wackeren Rotax-Motoren ein CVT-Getriebe haben, mithin eine Art Ein-Gang-Automatik. Reisegeschwindigkeit bedeutet hier also immer auch hohe Drehzahlen. Die mag auf Dauer kein Mensch – auch wenn sie grundsätzlich eine Stärke des Ryker sind. Ab 6.000 Touren geht der nackte Racker richtig zur Sache. Wie ein kleiner GTI pest er im oberen Bereich des Drehzahlbandes los, gerade so, als hätte ihm jemand eine Dosis Lachgas eingespritzt.
Der Spyder-Knirps kann offroad
Am erbaulichsten sind allerdings Abstecher in leichtes Gelände. Oh ja, richtig gelesen: Der Spyder-Knirps kann offroad. Ein Novum für die Straßenfahrzeuge von BRP. Kies, Schotter, Waldwege (darf in Portugal alles befahren werden) – da blüht unser Testgerät, das Ryker-Topmodell „Rally Edition“, richtig auf. Über eine Taste an der Instrumenteneinheit switcht man vom Eco- oder Sport-Modus ins Rally-Fahrprogramm. Bedeutet: Das „Vehicle Safety System“ (VSS) erlaubt der Stabilitätskontrolle einen kontrollierten Hüftschwung. Tanzen ist angesagt! Zumindest bis circa 45 km/h. Dann ruft die Elektronik zur Ordnung. Was auch okay ist: Der Ryker Rally Edition hat zwar 25 mm mehr Federweg als das reine Straßenmodell namens Ryker Race. Aber 112 mm Bodenfreiheit sind nun mal kein Freifahrtschein. Da reicht ein größerer Stein und es rumst gehörig unterm Pöter. Die Ryker-Race-Fahrer sollten bereits bei Asphaltdeformationen und grobem Kopfsteinpflaster aufpassen: Ihre Bodenfreiheit beträgt gerade einmal 104 mm beim Rotax 600 ACE beziehungsweise 102 mm beim Rotax 900 ACE.Bodenfreiheit wie ein Kart
Die Sitzhöhe liegt gefühlt zwischen Kart und Enduro: 615 mm sind es beim Rally-Ryker, nur 599 mm beim Race 600 beziehungsweise 597 mm beim Race 900. Autofahrern und Straßencafé-Kunden schaut man somit direkt in die Augen, wenn man an ihnen vorbeizischt. Der Aufmerksamkeitseffekt ist naturgemäß hoch, sobald man irgendwo auftaucht.Von vorn betrachtet, grinst einen das Can-Ams-Spaßgefährt an wie ein freundlicher Lurch, von hinten begutachtet, wird man das Gefühl nicht los, da hat sich einer monströse Stützräder an sein Moped geschraubt.
Dem Fahrer kann das leidlich egal sein. Er sitzt entspannt im Wind und muss sich beim Ryker nur auf zwei Sachen konzentrieren: Gas geben mit der rechten Hand und bremsen mit dem rechten Fuß. Schalten per Wippe oder Schalthebel entfällt anders als beim Can-Am Spyder komplett. Autofahrern, die um-
steigen, wird es also denkbar einfach gemacht, mal die andere Seite der Fortbewegung kennenzulernen – ohne Dach und mitten im Wind. Die ideale Sitzposition lässt sich für jeden individuell einstellen: Das vom Spyder F3 bekannte UFIT-System hat Can-Am für den Ryker perfektioniert. Lenker, Fußrasten und der Bremshebel können hier per Hand verschoben und in die gewünschte Position gebracht werden. Auch die Lenkerendenspiegel sind stufenlos einstellbar und können wahlweise oben, mittig, unten oder irgendwo dazwischen für den Blick nach hinten sorgen.

Reichlich Konfigurationsmöglichkeiten zum Individualisieren
Der Verbrauch des Ryker hält sich laut Datenblatt erfreulich in Grenzen: 6,75 Liter auf 100 km gibt BRP für den 900er an, 5,4 Liter/100 km für den 600er. Optisch können sich die Kunden komplett austoben bei ihrem Ryker: „Ride like no other“ ist das Motto. Die Seitenverkleidungen können ausgetauscht und mit weiteren farbigen Anbauelementen wie Heck- oder Instrumentenspoiler, Haube und Felgen kombiniert werden. Drei Serien hat Can-Am dafür im Angebot: „Classic“ setzt auf die Teile in Schwarz, Rot und Gelb, „Epic“ auf Metalliclook in Weiß, Carbon-Schwarz und Stahlgrau, „Exclusive“ auf zeitlich nur begrenzt erhältliche Sondereditionen wie zum Beispiel Tarnlook. Unterm Strich kommt BRP so rein rechnerisch auf mehr als 75.000 Konfigurationsmöglichkeiten für Optik- und Technikteile.Individuell anpassbar, spaßorientiert und erschwinglich – das sind die drei Kernpunkte, die einem den Ryker schmackhaft machen sollen. Die Preise starten bei 9.554,-- Euro für den Zweizylinder mit 50 PS und 600 Kubik, rund 2.000 Euro mehr muss man für den Dreizylinder einplanen. Der Ryker Rally Edition mit Unterboden-, Hand- und Kühlerschutz sowie verstärkten Felgen mit fünf Doppelspeichen steht ab 12.576,-- Euro beim Händler. Alle drei Preise sind für Can-Am-Verhältnisse echte Schnäppchen. Die größeren Modelle kosten ab 18.899,-- Euro aufwärts. Teuerstes Modell ist der komplett bekofferte und verkleidete Spyder RT Limited für 29.048,-- Euro.