Nach der viel beachteten Premiere auf der Mailänder EICMA im vorletzten Jahr kommt die Lambretta G 350 Special jetzt zu Preisen ab ca. 6.700,-- Euro auf den deutschen Markt: Sie zeigt eine langgestreckte Silhouette mit kantiger Formensprache und flachem Heck. Besonders markant ist der Fix Fender, also die mit dem Bug fest verbundene vordere Radabdeckung, die schon die historischen Lambretta-Modelle aus der Rollermasse heraushob. Dazu finden sich überall Insignien der legendären Marke: Unter der Lampe sitzt ein Prägesignet, auf dem Handschuhfachdeckel eine Plakette und die Gummimatte auf dem Mitteltunnel zeigt das Lambretta-Löwen-Logo.
Schlanke Taille, sportlicher Touch
Eng anliegende Verkleidungsteile geben der Wiedergängerin einen richtig sportlichen Touch, die schlanke Taille vermittelt zusammen mit der geraden Sitzbankkontur trotz 79 Zentimetern Polsterhöhe einen sehr sicheren Bodenkontakt im Stand. Für die Stiefel steht rechts und links des erhöhten Tunnels ausreichend Platz auf den Trittflächen zur Verfügung, der große Abstand zum Sitz schafft bequeme Kniewinkel.
Angenehme Sitzhaltung, nichts für große Füße
Dass die füßelnde Bewegungsfreiheit nach vorn durch den Vorbau begrenzt ist, stört nur wenig. Der relativ weit vorn und hoch platzierte Lenker erlaubt mittelgroßen Fahrern eine aufrechte Oberkörperhaltung samt guter Kontrolle, zum Rangieren braucht’s jedoch den ganzen Mann. Dagegen fällt das Aufbocken auf den Hauptständer dank praktischem Griff unterm Sitzbankheck richtig leicht.
Klassikroller mit über 300 Kubik
Gestartet wird die Lambretta klassisch per Zündschlüssel und Druck aufs große rote Anlasserknöpfchen, das als Wippe zugleich als Notausschalter fungiert. Unmittelbar brabbelt’s angenehm dumpf aus dem rechtsseitig verlegten langen Schalldämpfer, der mit seinem ungewöhnlichen viereckigen Querschnitt die Eigenständigkeit des Entwurfs untermauert. Etwas Besonderes ist auch der flüssigkeitsgekühlte Vierventiler, der mit einem Hubraum von 330 Kubik neue Horizonte für Klassikroller eröffnet – bislang schien die Obergrenze bei 278 Kubik wie festgenagelt.
Sanftes Ansprechverhalten, akustische und haptische Emotionalität
Sehr kurzhubig ausgelegt, erzielt der Einspritzmotor eine Höchstleistung von 25,8 PS und ein maximales Drehmoment von 25,3 Newtonmeter, was in einer Höchstgeschwindigkeit von 128 km/h mündet – Vespas GTS 300 riegelt bei 120 km/h elektronisch ab. Trotz eisiger Bedingungen spricht der Motor spontan und ruckfrei auf Gasanforderungen an, von einer ausgeprägten Kaltlaufphase ist nichts zu spüren. Mit dem sanften Ansprechverhalten ist eine gleichmäßige, lochfreie, jedoch keineswegs quirlige Kraftentwicklung verknüpft. Die Lambretta legt wenig spektakulär, aber nachdrücklich an Tempo zu, dabei sorgen ein gesundes Maß an akustischen wie haptisch spürbaren Lebensäußerungen für die Emotionalität. Mit einem versprochenen Verbrauch von 3,7 Litern auf 100 Kilometern kommt der Lambretta-Fahrer angesichts des 9,5-Liter-Tanks theoretisch 257 Kilometer weit, das reicht manchem die ganze Woche.
Handlich ums Eck
Neben dem Aggregat zeigt auch das Fahrwerk Eigenheiten wie die augenfällige Vorderradaufhängung mit gleich zwei gezogenen Kurzschwingen – ebenfalls eine Reminiszenz an die zwischenzeitlich glorreiche Vergangenheit. Die sehr technisch anmutende Konstruktion ermöglicht außerdem, die Vorspannung der Federbeine mit einem Hakenschlüssel an die Zuladung anzupassen. Hinten sorgt ein auf der Auspuffseite verschraubter Dreiecksarm für einen besonders stabilen Counterpart zur Triebsatzschwinge. Beide Radaufhängungen bescheren mit gutem Ansprechverhalten, angenehmen Fahrkomfort und drücken darüber hinaus dem Fahrverhalten ihren stabilitätsorientierten Stempel auf: Ungeachtet sehr wendiger Pirelli-Zwölfzöller zeichnet sich die G-Special durch eine ausgesprochen solide Fahrt aus, ohne dabei allzu unhandlich ums Eck zu gehen.
Wenn läuft, dann läuft
Doch 170 Kilo und ein langer Radstand fördern zusätzlich einen unbeirrbaren Geradeauslauf, was angesichts der hohen Endgeschwindigkeit ja auch wünschenswert ist. Von dieser Unbeirrtheit profitiert auch die Verzögerungsleistung, auch wenn die beiden Schwimmsattelzangen im Vorder- und Hinterrad ziemlich zaghaft zu Werke gehen. Selbst auf kaltem Asphalt braucht es schon kräftig zupackende Hände, um das ABS zum Eingriff zu bewegen.
Viele Informationen per TFT-Display
Ein kleines Highlight ist das vollflächige, in die Lenkerverkleidung eingebettete TFT-Display. Dieses zeigt am oberen Rand farbig unterlegt die Drehzahl an, im Zentrum steht die Geschwindigkeit, darunter befinden sich die vom rechten Lenker per Mode-Taste wechselbaren Anzeigen. Dem rollertypischen Alltagsgedanken huldigen die beiden Gepäckabteile im Bug und unter dem Sitz, die je eine USB-Buchse des modernen C-Standards beherbergen.
Qualität hat ihren Preis
Auch genaues Hinsehen offenbart weder unschöne Spaltmaße noch nachlässige Verschraubungen oder versteckte Lackmängel, die Verarbeitung kann die hohen Erwartungen durchaus erfüllen. Mit dieser vollauf gelungenen Praxis-Premiere rechtfertigt die neue Lambretta G350 Special den selbstbewussten Preis von ca. 6.700,-- Euro und positioniert sich als erster Herausforderer der bislang konkurrenzlosen
Vespa GTS 300.