Kristianstad im Zeichen politischer Wirren
Übrigens: Kristianstad wurde 1614 vom dänischen König Christian IV. gegründet, nachdem schwedische Truppen die alte Stadt Vä während des dänisch schwedischen Krieges komplett zerstörten und niederbrannten. Die neu gebaute Stadt wurde schnell zur dänischen Grenzbefestigung gegen Schweden ausgebaut. 1658 schloss man den Frieden von Roskilde und Kristianstad wurde wieder schwedisch. Immerhin haben diese politischen Wirren für einen besonders sehenswerten und gut erhaltenen Stadtkern gesorgt. Dazu gehört die Heliga Trefaldighetskyrkan (Heilige Dreifaltigkeitskirche). Das zwischen 1618 und 1628 erbaute Gotteshaus gehört mit zu den bedeutendsten protestantischen Sakralbauten der Welt. Höchst ausgewogene Proportionen sowie der Kontrast zwischen hellen Fensteröffnungen, dekorativen Details und schlanken Granitsäulen dürften Liebhaber historischer Bauten absolut begeistern. Außerdem gefällt uns die Stimmung der auch blitzsauberen Stadt. Es gibt augenscheinlich keine Hektik und viele freundliche Menschen. Selbst die Autofahrer – in anderen Regionen unseres Planeten gibt es da mehr oder weniger Exemplare, die Zweiradfans mitunter zur Verzweiflung bringen können, passen sich dem entspannten Lebensstil an. So cruisen wir völlig ohne Hast durch scheinbar unendliche Wälder und an einsamen Seen entlang immer weiter Richtung Norden. Auf dieser wundervollen Strecke sind wir obendrein auch noch ziemlich allein unterwegs. Ein wenig verlieben wir uns deshalb auch in die parallel verlaufende Autobahn E4, die wir zwar meiden, aber die uns übermäßigen Verkehr auf der Landstraße vom Hals hält.Die Gemeinsamkeit von Streichhölzern und Husqvarna

So erreichen wir Jönköping, unser heutiges Etappenziel. Diese Stadt liegt im Nordwesten der schwedischen Provinz Småland und damit in der klimatisch günstigen und landschaftlich schönen Gegend am Südende des Vätternsees. Schon im Jahr 1284 wurden Jönköping, der alten Industriestadt, die Stadtrechte verliehen. Von hier kamen unter anderem Streichhölzer, die als Schwedenhölzer oder Säkerhetständstickor international bekannt waren. Außerdem findet sich ganz in der Nähe der Stammsitz der Marke Husqvarna. Für uns Grund genug, um ein paar Tage hierzubleiben, zumal man hier wunderbar Mid-Sommer feiern kann.
Der Freitagmorgen begrüßt uns wieder mit schönem Wetter und so starten wir unsere Tour am Ostufer des Vätternsees entlang. Die laue Luft wirbelt angenehm um die Nase. Harald versucht das V2-Bollern zu übertönen und brüllt zu mir rüber: „Noch sechs Monate bis Weihnachten!“ Eigentlich mag ich ja seine feine Ironie, aber alles, was mit Winter zu tun hat, liegt jetzt erst einmal in weiter Ferne. Als wir dann stoppen, um einen weiten Blick über den Vätternsee – der von der Größe her eher wie ein Meer wirkt – zu werfen, fügt Harald hinzu: „Winter, das ist doch nur schlimm, wenn man dann auch da ist!“ Irgendwie muss sich mein Gesicht in ein Fragezeichen verwandelt haben, denn Harry klärt mich sofort auf: „Der nächste Winter findet zum großen Teil ohne mich statt, bin dann Motorrad fahren … in den Südstaaten der USA.“ Als wir dann auf der Uferstraße des Vätternsees weiter Richtung Gränna rollen, mache ich mir so meine Gedanken, ob man im Februar ohne Frostbeulen von Atlanta nach New Orleans und zurück fahren kann. Egal, in Gränna scheint die Sonne und es weht sanft ein warmer Sommerwind. Die Harleys haben da auch erst einmal Pause und wir schlendern durch den bunten Ort, den Holzvillen – oft mit einem kleinen Garten davor – prägen.
Gränna – Zuckerstangen und Ballonfahrt
„Hübsches Örtchen“, meint nicht nur Harald, denn wir sind hier definitiv nicht die einzigen Besucher. Sicher gehört Gränna zu den Topzielen all jener, die in der historischen Provinz Småland ihren Urlaub verbringen. Den Ort am Ostufer des Vätternsees kennt man in Schweden auch als Zentrum für die Herstellung von rot-weißen Zuckerstangen namens Polkagris. Diese erfreuen sich ganz offensichtlich einer großen Beliebtheit. Als wir dann mit den Harleys zum Fähranleger zur Insel Visingsö fahren, prägen Obstplantagen, die Gränna umgeben, den Straßenrand. Am Seeufer angekommen, suchen wir uns ein gemütliches Plätzchen und lassen den lieben Gott einfach mal einen guten Mann sein. Viel später, die Harleys sollen gerade wieder gestartet werden, erzählt uns eine nette Schwedin, dass der bekannte Ballonfahrer Salomon August Andrée in Gränna das Licht der Welt erblickte. Ihm zum Gedenken gibt es im Ort ein Museum, das seine gescheiterte Polarexpedition von 1897 dokumentiert.
Am Ufer des mächtigen Vätternsees
Jönköping wie ausgestorben – Mid-Sommer
Natürlich muss das angeschaut werden und so stehen die Harleys an diesem Tag erst recht spät wieder vorm Scandic Hotel. Jönköping wirkt um diese Zeit wie ausgestorben. Die Rezeptionistin meint dazu: „Es ist Mid-Sommer. Bei uns in Schweden ist das wie Weihnachten, nur jetzt trinken alle.“
Trotz ein paar Bierchen mehr am vorherigen Abend finden wir uns am Samstagmorgen erst ein wenig später – aber topfit – am Frühstücksbuffet ein. Macht aber gar nichts, denn mitten im skandinavischen Sommer sind die Tage natürlich lang. Am späten Vormittag rollen die Harleys also wieder, und zwar einmal um den Vätternsee herum. Dabei kommen rund 300 Kilometer auf den Tacho.
Himmlische Bedrohung voraus
Kurz vor Jönköping wird dann an diesem reinen Fahrtag nochmals gestoppt. Mal wieder hat sich das sonst stets königlich weiß-blaue schwedische Firmament dunkel verfärbt – und das ist noch ein harmloser Ausdruck für die himmlische Bedrohung. „Was hältst Du von der Wolke da“, frage ich Harald. Der meint: „Am besten viel Abstand.“ „Das schaffen wir nur, wenn wir ordentlich am Hahn drehen“, antworte ich, als noch ein gutes Stück entfernt ein Blitz zuckt. „Nicht reden, sondern machen“, Harald startet die Harley und saust mit ihr vom Parkplatz. Nichts, wie hinterher.
Hinter Fiskebäck biegen wir zum Vätternsee hin ab und verlassen die gut ausgebaute Landstraße, weil die genau zum Regen hinführt. „Fahr nie in eine schwarze Wolke“, das alte Motorradfahrermotto kennt man ja, und so versuchen wir über Bankeryd schnell noch trocken ins Scandic Hotel zu kommen. Rechter Hand zuckt wieder ein Blitz, es donnert deutlich lauter, als meine Harley bollern kann, und ein paar fette Regentropfen schlagen vereinzelt ein. Harry findet aber den kürzesten Weg, das Hotel taucht vor der Nase auf und mit Schwung werden unsere Edel-Eisen im überdachten Carport geparkt. Genau in jenem Moment, als die Big Twins verstummen, öffnet der Himmel seine Schleusen. Es schüttet, was das Zeug hält und dazu kracht es dann und wann. „Das Gewitter zieht auf den See“, meint die stets gut gelaunte Rezeptionistin, „in Jönköping scheint gleich wieder die Sonne.“ Sie sollte Recht behalten. Husqvarna-Museum
, ältestes Rathaus und Co. Immerhin
beginnt der nächste Tag recht früh. Passt aber genau in den Kram, weil nach dem gestrigen Fahrtag, soll nun alles besichtigt werden, was gestern auf der Strecke blieb. Zunächst steht das Husqvarna-Museum auf dem Programm, das bald erreicht ist. Danach sausen wir nach Vadstena, wo uns das älteste Rathaus Schwedens und die Reichsburg Gustav Wasas beeindrucken, bevor wir zum Göta Kanal kurven. Neben dem Gebäude, wo einst der Vertrag für diesen beeindruckenden Wasserweg geschlossen wurde, steht heute wie gestern – hat immerhin gut geschmeckt – ein Boxenstopp an.
Die Harleys bringen uns anschließend nach Mariestad. Das liegt an der Mündung des Flusses Tidan in den Vänernsee. Die Stadt wurde 1583 gegründet, bietet eine hübsche Optik und einen ordentlichen Campingplatz mit kleinen Holzhütten. Eine davon wird heute zu unserem Nachtquartier. Aber Mariestad hat noch etwas ganz Besonderes zu bieten. Harald hat im Laden des Campingplatzes unter anderem Hopfensaft aus Mariestads Bryggeri entdeckt. Das zischt gleich beim Öffnen. Dann nimmt der Kenner einen ersten Schluck: „Mmh, ein edles Tröpfchen – geht doch!“ Außerdem meint er, man sollte sofort mal nachschauen, wie es um den Vorrat des edlen Gebräus bestellt ist. Gesagt, getan und so lassen wir den Abend direkt am Seeufer des Vänern ausklingen. Wobei das Wort See mal wieder nicht den Vorstellungen entsprechen dürfte, die man üblicherweise assoziiert: Er verfügt über eine Fläche von 5.648 km² und einer Uferlinie von etwa 2.000 Kilometern. Mit einem Volumen von 153 km³ bildet er das größte Trinkwasserreservoir Europas. Die Größte (61 km²) von 22.000 Inseln im Vänern heißt Torsö. „Das sind Dimensionen“, meint Harry und zischt noch schnell ein „Mariestad“. Und damit endet unser Südschweden-Turn schon fast, denn in zwei Tagen soll uns unser schwimmendes Hotel der TT-Line von Trelleborg zurück nach Travemünde bringen. So starten wir recht früh und sausen flott nach Göteborg.
Von dort an zeigen unsere Scheinwerfer stets nach Süden. Allerdings meiden wir die Autobahn und rollen so oft es geht direkt am Ostseestrand entlang. In Helsingborg endet dann die erste Etappe der Rückreise. Wir finden hier ein nicht weiter erwähnenswertes Hotel ganz in der Nähe vom bekannten „Tropical Beach“ mit Palmen und Sonnenstühlen. Abends schlendern wir dann noch durch die Stadt mit der wohl höchsten Kneipendichte Schwedens. Harry sucht dort nach einem „Mariestad“, allerdings vergeblich. So rollen die Harleys am nächsten Morgen schon recht früh weiter Richtung Süden, und zwar wieder am Ufer der Ostsee entlang. Erst kurz vor Malmö folgt der Schwenk ins Landesinnere, die Stadt soll umfahren werden. Und so erreichen wir Trelleborg, die südlichste Stadt Schwedens, wo im Sommer immer Palmen in Kübeln aufgestellt werden, recht zeitig. Ein sonniges Plätzchen, um auf die Abfahrt der Fähre zu warten, ist aber schnell gefunden.
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