Eine Sturmwarnung ist für den Nachmittag ausgegeben, aber heute müssen wir los. Deshalb gibt es keine Ausreden. Der Himmel ist während unserer einstündigen Anfahrt aus dem österreichischen Salzkammergut trüb und bewölkt. Als wir uns endlich der Mautstelle in Ferleiten südlich von Zell am See auf der Salzburger Seite des Passes nähern, zahlt unser Mut sich aus und wir tauchen unter dem überhängenden Wolkendach in helles Sonnenlicht ein.
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Jetzt in der Nebensaison haben wir an der mehrspurigen Mautstelle, vor der in der Hochsaison normalerweise lange Warteschlangen von Fahrzeugen bedient werden, freie Fahrt. Wir bezahlen unsere Motorrad-Tageskartengebühren von jeweils siebenundzwanzig Euro und passieren die Barriere. Die Straße vor uns ist frei, das Licht ist ein Traum und ich halte am Straßenrand, um schnell meine Kameras am Motorrad zu montieren, bevor ich mit einem breiten Grinsen losfahre. Das wird eine wirklich tolle Fahrt werden! Dieser achtundvierzig Kilometer lange Alpenpass ist ein Band aus nahezu perfektem Asphalt, mit sechsunddreißig nummerierten Haarnadelkurven, zwei Gipfeln und zwei Tunneln. Er ist zu einem Mekka für alle Motorradfahrer geworden, die Österreich besuchen – und auch für diejenigen von uns, die hier leben. Zweifellos ist es eine der weltweit besten Motorradstraßen. Wie bei allen Strecken mit einem solchen Ruf ist es unerlässlich, entweder sehr früh, sehr spät oder außerhalb der Saison – vorzugsweise eine Mischung aus beidem – zu fahren. Nur dann kann man sie wirklich ungehindert genießen, ohne von lästigem Verkehr aufgehalten zu werden.
Eine riesige Föhnwolke über uns warnt vor Unwetter
Die Länge der Saison wird in den Alpen vom Schnee bestimmt und man kann nie sicher sein, wann der Pass im Frühjahr tatsächlich geöffnet wird. Normalerweise irgendwann im Mai. In den wenigen Wochen vor der Eröffnung werden rund 550.000 Kubikmeter Schnee, die ausreichen, um ein Fußballstadion bis zu einer Höhe von 50 Metern zu füllen, von riesigen Spezialrotationspflügen weggeräumt. Es ist eine monumentale Aufgabe. Einmal geöffnet, bleibt der Pass meist bis in den November hinein befahrbar. Das genaue Datum wird wiederum vom Schneefall bestimmt.Am heutigen Tag spüren wir bisher nichts von den angedrohten Winden. Nur eine seltsam aussehende, cremige Föhnwolke über uns gibt Hinweis auf einen Wetterumschwung. Die Rot- und Orangetöne sowie die Braun- und Grüntöne der Vegetation werden abwechselnd von hinten und vorn beleuchtet, als wir ungehindert, mit fließender Linie, von Haarnadelkurve zu Haarnadelkurve fahren. Einzig ein paar furchtlose und superfitte Radfahrer, die sich tapfer nach oben schwitzen, sind an diesem Tag mit uns auf der Straße unterwegs. Es gibt wirklich kein besseres Hobby als Motorradfahren! Zur Erinnerung und als Hilfe für Fahrer, die dazu neigen, Linkskurven zu nahe an der Mittellinie zu fahren, sind in einigen Kurven weiße Kreise auf die Straße gemalt. Die leiten auf die sichere Linie, die den Kopf des Fahrers vom Gegenverkehr fernhält. Auf Österreichs populäreren Motorradstrecken wird dieses Hilfsmittel immer häufiger eingesetzt, um die Unfallzahlen zu reduzieren.
Letzte Chance für Apfelstrudel und Kaffee
Als wir schnell immer höher klettern, verschwinden die Bäume und wir sehen kleine, rote und gelbe Sträucher vor der sich nähernden Kulisse der schneebedeckten Gipfel. An den Straßenrändern neben den steilen Abhängen, die mit jeder Haarnadelkurve von links nach rechts wechseln, stehen lediglich stumpfe, weiße Steinblöcke in regelmäßigem Abstand. Bei einem Fahrfehler wären sie keine sichernde Barriere, sondern würden eher dazu dienen, uns direkt über den Abgrund zu katapultieren. Auf 2.450 Metern erreichen wir den ersten Gipfel und legen eine willkommene Kaffeepause im Restaurant Fuschertörl ein.Wir haben Glück – trotz Nebensaison haben sie geöffnet. Nachdem wir dem verlockenden Apfelstrudel zum Kaffee nicht widerstehen konnten und länger als geplant Rast machten, steigen wir wieder auf die Motorräder. Die schmale Kopfsteinpflasterstraße zur Edelweißspitze – im Regen nicht zu empfehlen –, die liebevoll als „Bikers Point“ bekannt ist, ist mit 2.571 Metern tatsächlich der höchste Punkt des Passes. Während der Wind auffrischt, montieren einige Arbeiter bereits die Verschalungen der Sonnenkollektoren auf dem Dach der Edelweißhütte, um sie auf den kommenden Sturm vorzubereiten. Wir beschließen, es uns deshalb nicht allzu gemütlich zu machen. Noch schnell ein paar Fotos und schon sind wir wieder auf dem Weg. Jetzt haben wir wirklich die Schneegrenze passiert. Die ehemals so unscheinbare Föhnwolke überspannt mittlerweile den gesamten sichtbaren Himmel und scheint uns regelrecht über das Hochplateau zu jagen, während wir uns auf den Weg zu den beiden kurzen, aus Ziegeln erbauten Tunneln machen, die uns von Salzburg nach Kärnten und zum Beginn unserer Abfahrt bringen. Sie sind schlecht beleuchtet, ihre Straßenoberfläche ist tückisch und die Tunnelwände sind oft mit Vorhängen aus tropfendem Eis bedeckt – aber heute sind sie trocken.
Eine der besten Aussichten in ganz Österreich
Unser Abstieg nach Heiligenblut wirkt wie ein wunderbarer Rückblick auf den Spaß, den wir bereits auf dem Weg nach oben hatten. Und eine große Attraktion wartet noch auf uns. Als wir vom schneebedeckten, kahlen Höhepunkt in die Waldzone eintauchen, weist uns ein Schild an einem kleinen Kreisverkehr auf die Kaiser-Franz-Josefs-Höhe und den Pasterzengletscher hin. Dieser Nebenstraßenausflug gleicht einem Mikrokosmos von all dem, was wir auf unserem Weg hierher gesehen haben. Die Straße hat ihre eigenen Zonen wechselnder Vegetation, ihre eigenen nummerierten Haarnadelkurven und bietet ebenso atemberaubende Ausblicke, während sie sich entlang der rechten Talseite in Richtung Gletscher windet. Kurz bevor wir dort ankommen, passieren wir eine lange Terrasse, bestehend aus Betondach und Stützen, die an der Talwand haftet und die Straße vor Schnee und Steinschlag schützt. Im schwachen Restlicht bieten ihre Säulen eine stroboskopartige Vorschau auf den Ausblick, der uns ins Gesicht knallt, als wir um die letzte Kurve fahren. Wir sind am Pasterzengletscher angekommen, dem längsten Gletscher Österreichs und der Ostalpen, der sich über eine Länge von 8,4 Kilometer erstreckt und eine Fläche von ungefähr 18,5 Quadratkilometern bedeckt. Die Straße endet auf einer Aussichtsplattform direkt über dem Fuß des Gletschers, etwa 1.500 Meter unter dem majestätischen, schneebedeckten Gipfel des Großglockners. Dieser 2.369 Meter hoch gelegene Ort ist nach dem letzten Kaiser Österreichs benannt: die Franz-Josefs-Höhe. Der große Parkplatz und das gesamte Aussichtsgebiet, das in der Hochsaison voller Touristen ist, sind völlig menschenleer und so ist keines der freien Schließfächer nötig, um unsere Klamotten darin zu verstauen. Wir legen sie einfach auf die Motorräder. Ganz für uns allein haben wir diesen beeindruckenden Ort. Von hier oben aus können zu verschiedenen Jahreszeiten Steinadler und gelegentlich auch Geier hoch in die Lüfte schweben. Für diejenigen, die gerne abseits der ausgetretenen Pfade wandern, gibt es außerdem Steinböcke, Gämsen und Murmeltiere zu sehen. Nach jeder Menge Fotos von all den atemberaubenden Eindrücken setzen wir uns wieder auf unsere Maschinen und steuern unser Ziel in Heiligenblut an. Was für ein fantastischer Tag!
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