Alte Buchenwälder wechseln sich mit Äckern und Wiesen ab. Eine Tagestour über die stark zerklüftete Insel zeigt uns die vielfältige und abwechslungsreiche Landschaft im östlichen Teil der Ostseeküste. Also starten wir früh am nächsten Morgen und machen uns auf den Weg. Statt über die im Jahre 2007 fertiggestellte imposante Rügenbrücke zu fahren, nutzen wir die alte Verbindung zwischen dem Festland und der Insel, den Rügendamm. Dieser führt zunächst über die Zielgrabenbrücke, die als Klappbrücke konstruiert wurde, um auch größeren Schiffen die Durchfahrt zu ermöglichen, auf die Insel Dänholm und dann über die Rügendammbrücke über den Strelasund. Gleich hinter der Brücke verlassen wir die alte Bundesstraße und fahren nach einem kleinen Abstecher auf die in den Strelasund hineinragende Halbinsel Drigge über Gustow in Richtung Poseritz. Vor dem Ortseingang biegen wir ab und nähern uns auf einer schmalen Straße, die schließlich in einem Feldweg endet, der Küste, um vom Ufer aus einen Blick auf den Strelasund im Morgenlicht zu werfen und die beruhigende Atmosphäre auf uns wirken zu lassen. Einfach traumhaft. Weiter geht die Fahrt. Zurück in Poseritz fällt uns gleich in der Nähe der ebenfalls sehenswerten Kirche St. Marien ein Schild vor einer Einfahrt auf: „Pfarrwitwenhaus“. Den Begriff haben wir so noch nie gehört, aber mit ein wenig Nachdenken erschließt sich einem dieses Wort und die damit bezeichneten Gebäude: Als soziale Einrichtung dienten diese Häuser den meist mittellosen Pfarrwitwen als Bleibe. Heute fungieren die Pfarrwitwenhäuser als Museen oder Ferienwohnungen.
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Unsere Fahrt aber geht weiter über Wendorf nach Putbus, dessen historische Altstadt sicher einen Besuch wert ist. Ab 1991 – also nach der Wende – hat man mithilfe von städtebaulichen Förderprogrammen den alten Stadtkern saniert. Das Schloss Putbus kann man aber leider nur noch auf alten Fotos sehen, da es 1962 gesprengt und anschließend dem Erdboden gleichgemacht wurde. Heute sind nur noch seine Umrisse im Schlosspark zu erkennen. Auf unserem Weg zu einem von Werners Insidertipps kommen wir an einem weiteren interessanten Bauwerk vorbei. Auch wenn die Welt manchmal Kopf steht, muss man deswegen gleich ein Haus aufs Dach stellen? Na ja, man kann auf diese Weise zumindest etwas Aufmerksamkeit erhaschen. Unser eigentliches Zwischenziel liegt im Ortsteil Lauterbach, einem ehemaligen Fischerdorf am Rügischen Bodden. Im Hafen wird nach wie vor frischer Fisch angelandet. Was liegt also näher, als dort ein Fischbrötchen mit Hering frisch vom Kutter zu essen, der wenige Stunden zuvor noch in der Ostsee schwamm? Frischer geht’s wirklich nicht! Lecker, kann ich nur sagen, saulecker!
Neben den schmackhaften Fischbrötchen hatte der Kioskbesitzer noch ein weiteres Highlight auf Lager: ein kleines Motorrad der Marke Eigenbau, das direkt fahrbereit ist. Dies führt er uns dann auch vor. Mit knatterndem Auspuff cruist er die Hafenmole einmal rauf und wieder runter.
Unsere Energiespeicher aufgetankt, die Beine vertreten, den Wind ein wenig in den Haaren gespürt und nach einem Blick über den Rügischen Bodden auf die kleine Insel Vilm fahren wir weiter Richtung Osten. Wir passieren die Ostseebäder Sellin und Baabe. Einen Teil des Weges wird der Rasende Roland zu unserem Begleiter. Von Weitem kann man seine Dampfwolke schon sichten und sein Schnaufen hören. In flotter Fahrt rollen wir auf der Halbinsel Mönchgut hinunter nach Thiessow, bis uns schließlich das Wasser der Ostsee Einhalt gebietet.
Also wenden wir unsere Bikes und fahren zurück, eine ganze Weile unmittelbar in Strandnähe, bis nach Sellin. Dort lohnt ein Blick auf die imposante Seebrücke.
Der Anfang des 20. Jahrhunderts entstandene Anleger wurde mehrfach durch Eisgang oder Feuer beschädigt oder zerstört. In den Neunzigerjahren des vorherigen Jahrhunderts wurde die heutige Seebrücke wieder aufgebaut und ist mit einer Länge von 394 Metern die längste der Insel Rügen.
Vor Ort gilt es, 87 Stufen zu bezwingen, um auf den Steg des filigranen Brückenhauses der Seebrücke zu gelangen. Von Sellin aus umrunden wir auf der Landseite die Granitz, einen bewaldeten Höhenrücken, der zum Biosphärenreservat Südost-Rügen gehört. Das auf der Granitz gelegene gleichnamige Jagdschloss ließ der Putbusser Fürst Wilhelm Malte I. in den Jahren 1838 bis 1846 errichten. Noch zu DDR-Zeiten wurde es aufwendig restauriert und zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde es noch einmal saniert. Heute dient das zum Ostseebad Binz gehörende Jagdschloss als Museum und der Turm als Aussichtsplattform. Wir treten ein, um den 38 Meter hohen Turm zu erstürmen, halten jedoch vor der gusseisernen, mit Ornamenten durchbrochenen Treppe ehrfürchtig inne.
Einem Schneckengehäuse gleich windet sich die Treppe an den Außenwänden immer höher. Was für ein fantastischer Anblick! Durch ein letztes enges Schlupfloch erreichen wir die Aussichtsplattform und ein grandioses Panorama auf weite Teile Rügens liegt uns zu Füßen. Nach dem Genuss der Aussicht treibt es uns aber rasch wieder auf unsere Motorräder. Das durch seine wunderschöne Bäderarchitektur und den herrlichen Sandstrand berühmte Seebad Binz lassen wir schnell hinter uns, um einem anderen Bauwerk einen Besuch abzustatten.
Nur ein paar Kilometer weiter nördlich beginnt ein riesiger Gebäudekomplex, das im Binzer Ortsteil Prora gelegene „KdF (Kraft durch Freude)-Seebad Rügen“. Zwischen 1936 und 1939 entstand hier eine Anlage, in der 20.000 Menschen Platz finden sollten, um hier ihren Urlaub zu verbringen. Die Anlage wurde allerdings aufgrund des ausbrechenden Zweiten Weltkriegs nicht vollendet. Nach dem Krieg wurden Teile der acht gleichen Häuserblocks gesprengt. Später wurden fünf Blocks von der Nationalen Volksarmee genutzt. Heute ist im nördlichen Bereich eine Jugendherberge untergebracht. Für weitere Teile haben sich in der Zwischenzeit Investoren gefunden, um hier Ferienwohnungen entstehen zu lassen. Ein Besuch dieses gigantischen Komplexes lohnt sich in jedem Fall. Weiter geht es, vorbei am Ostseehafen von Sassnitz, hinauf in die noch ursprünglich anmutenden Buchenwälder des Nationalparks Jasmund. Hier schlägt unser Motorradfahrerherz gleich wieder etwas schneller, denn es geht kurvenreich bergauf, bis auf eine Höhe von sagenhaften 118 Metern über dem Meeresspiegel. Leider kann man die für die Insel Rügen charakteristischen Kreidefelsen des Königsstuhls nur nach einem kleinen Fußmarsch bestaunen. Von den schwindelnden Höhen stürzen wir uns wieder hinunter bis auf Seehöhe.
Von Glowe aus rollen wir über eine schmale Landenge – im Fachjargon Nehrung genannt – Richtung Putgarten, rechts die Ostsee, links der Große Jasmunder Bodden. In Breege gilt unsere ganze Aufmerksamkeit einem Abzweig, der zu einem Campingplatz führt. Wieso Campingplatz? Hier kommen uns wieder Werner und seine Insidertipps in den Sinn. Was hatte er uns am Vorabend erzählt? Man könne das Kap Arkona und seinen Leuchtturm auch vom Strand aus gut sehen, ohne teure Parkplatzgebühren, lange Fußmärsche oder nicht gerade preiswerte Kutschfahrten in Kauf zu nehmen.
Vorbei am Campingplatz rollen wir zunächst über eine asphaltierte Straße Richtung Norden, dann nehmen wir die Verbindung zum LPG-Weg. Das bedeutet: Zwei Spuren aus Betonplatten, in der Mitte Gras. Erst nach einigen Kilometern erreichen wir schließlich das alte Fischerdorf Vitt, ein paar alte Häuser und ein Café. Und tatsächlich, nur ein paar Meter vom Ufer entfernt stellen wir unsere Motorräder ab und genießen den Blick auf den 45 Meter hohen Kreidefelsen des Kap Arkona mit dem Leuchtturm und der Ostsee. Sabine konnte es nicht lassen, als sie ein altes Fischerboot entdeckte. „Setz‘ dich doch mal in das Boot oder stell‘ dich an den Mast.“ Gesagt, getan.
Schnell ein paar Fotos gemacht und … „Schau mal, der alte Mann und das Meer!“ Hmm, was man nicht alles macht. Mit einem Lachen steigen wir auf unsere Motorräder und fahren vorbei an Putgarten noch ein Stück weiter Richtung Westen, ehe wir nach Süden abbiegen. In flotter Fahrt geht es auf schmalen Straßen über Wiek bis zur Fähre, die die Halbinsel Wittow mit dem „Festland“, der Kerninsel, verbindet. Die Fähre überquert den Rassower Strom zwischen dem Wieker und dem Breetzer Bodden und erspart uns einen riesigen Umweg. Nach Verlassen der Fähre machen wir einen Abstecher nach Schaprode. Der alte Fischerort ist eine der ältesten Ansiedlungen auf Rügen und wurde bereits 1197 erstmals urkundlich erwähnt.
Auf seine Vergangenheit als Fischerdorf weisen heute noch die mit Rohr gedeckten Fischerkaten mit ihren historischen Haustüren hin. Heute ist der Hafen von Schaprode Ausgangspunkt für die Überfahrt zur Insel Hiddensee, einer Insel, die uns Motorradfahrern versagt bleibt, es sei denn, wir steigen aufs Fahrrad um. Was für eine groteske Vorstellung. Also fahren wir weiter und statten lieber der Insel Ummanz einen Besuch ab. Diese ist durch eine Brücke mit Rügen verbunden und an der höchsten Stelle mit gerade einmal fünf Metern über Normalnull sehr flach. In Waase kann man in der St.-Marien-Kirche einen wertvollen spätgotischen Schnitzaltar, den Antwerpener Retabel aus dem Jahre 1520, bewundern. Es ist inzwischen spät geworden und wir machen uns auf den Weg zurück zum Ausgangspunkt unserer Runde über die Insel Rügen. Wir durchfahren die Orte Dreschvitz und Rambin, bevor wir bei Altefähr die Rügendammbrücke nutzen, um in unsere Unterkunft, in Stralsund zurückzukehren.
Motorradtour Stralsunder Rügenrunde – Infos
Wer den Nordosten Deutschlands mit dem Motorrad erkundet, sollte definitiv auch die größte deutsche Insel Rügen einplanen. Alte Buchenwälder wechseln sich mit Äckern und Wiesen ab. Wunderschöne, durch Dünen geschützte Sandstrände laden im Sommer zum Baden oder zu ausgedehnten Strandspaziergängen ein und haben eine sehenswerte Bäderarchitektur in Ostseebädern wie Binz oder Sellin entstehen lassen. Eine Tagestour über die stark zerklüftete Insel zeigt uns die vielfältige und abwechslungsreiche Landschaft im östlichen Teil der Ostseeküste.
Allgemeine Infos
Als größte deutsche Insel liegt Rügen vor der pommerschen Ostseeküste und ist Teil des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern. Die Insel ist stark zergliedert durch unzählige Buchten und Lagunen, auch Bodden und Wieke genannt. Besondere Kennzeichen der Insel sind die Kreidefelsen sowie die Bäderarchitektur der Seebäder wie Binz, Sellin, Göhren oder Thiessow.
Sehens- & erlebenswert Sehenswert sind vor allem die Ostseebäder mit ihrer besonderen Architektur und den Seebrücken. Die Kreidefelsen des Königstuhls im Nationalpark Jasmund und am Kap Arkona sind weitere Anziehungspunkte für die Besucher der Insel Rügen.
Haus-Kopf-Über Lauterbacher Straße 10 18581 Putbus
Pfarrwitwenhaus Lindenstraße 19 18574 Poseritz St. Marienkirche Waase Neue Straße 63 18569 Waase
Hafen Schaprode (Überfahrt zur Insel Hiddensee) Hafenweg 44B 18569 Schaprode
Kap Arkona Museum im Leuchtturm Arkona 1 18556 Putgarten
Anreise
Rügenbrücke und Rügendammbrücke stellen von Stralsund aus eine feste Verbindung zur Insel dar. Die Fähre zwischen Stahlbrode auf dem Festland und Glewitz bietet eine weitere Möglichkeit, Rügen zu erreichen.
Beste Reisezeit
Zwischen April und Ende Oktober – je nach Wetterlage und möglichst außerhalb der Ferienzeiten – kann man diese Tour unter die Räder nehmen.
Verpflegung
Fisch, Fisch und nochmals Fisch, angefangen mit leckeren Matjes-Brötchen am Hafen – wie in Lauterbach – bis zu den verschiedensten Fischgerichten in den Restaurants der Seebäder. Fisch ist immer eine Empfehlung so direkt an der Küste.
Motorräder: Harley-Davidson Low Rider S, Harley-Davidson CVO Pro Street Breakout, KTM Adventure, Ducatti Scrambler/Metisse CR800, Suzuki GT 750, Triumph Tiger Explorer, BMW R 1200 R Reisen: Stralsunder Rügenrunde, Grenztour Werra-Meißner, Luxemburg - Das Land der kulturellen Kontraste,