Nach fast 20 Jahren, in denen BMW Motorrad seine Kunden stets Anfang Juli nach Garmisch-Partenkirchen eingeladen hat, um ein gemeinsames großes Fest zu feiern und die Freude am gemeinsamen Fahren zu zelebrieren, hat BMW seine Kundenbindungs-, Marketing- und Werbeveranstaltung nach Berlin verlagert. Wohl niemand bei BMW Motorrad und auch keiner der immerhin rund 100 Aussteller, welche den Motorrad Days diesmal zusätzliche Farbe verliehen, hatte erwartet, dass man beim 1. Aufschlag an der Spree auf jene Besucherzahl kommt, die in Garmisch gang und gäbe war – 40.000. BMW ließ nach Veranstaltungsende verlauten, man habe 17.000 Besucher notiert. Deren Zufriedenheitslevel war offensichtlich recht unterschiedlich. Es gab viel Unmut, und auch die Aussteller waren nicht gerade begeistert.
Radikaler Wechsel nach 18 Jahren Garmisch
Fangen wir von vorne an und stellen die Frage: warum der Ortswechsel? Seit Anbeginn der Motorrad Days im Jahr 2000 wurde BMW-intern sowohl das Konzept der Veranstaltung wie auch die Örtlichkeit fast alljährlich infrage gestellt. Doch stets entschied man, nach dem Wechsel von Seefeld/Tirol ins nahe Garmisch dort zu bleiben. Im Lauf der 18 Jahre, die man auf dem Parkplatz der Hausbergbahn das fast jährlich vergrößerte Festquartier aufschlug, gab es immer wieder kleinere und auch einige größere Veränderungen. In der Amtszeit des früheren Garmischer Bürgermeisters Schmid, also bis 2014, war BMW Motorrad ein überaus gern gesehener Gast, was sich mit Amtsantritt seiner Nachfolgerin änderte. Sie demonstrierte eine gewisse Distanz – Wasser auf die Mühlen jener im Hause BMW, die zu dieser Zeit auf Veränderung aus waren. 2019 wurden die Motorrad Days noch in Garmisch abgehalten; wie üblich sprach man hinterher von 40.000 begeisterten Besuchern.
Anreise auf eigener Achse war üblich
Die Mehrzahl kam alljährlich mit dem eigenen Motorrad; aus dem Garmischer Umland, aus München, Hamburg, Kopenhagen. Teils aus Lettland, aus Italien, Griechenland, ja sogar aus Indien, Südafrika oder Thailand reisten die Besucher an – viele auf einer GS. Die aktiven BMW-Fahrer stellten stets das Gros der Besucher; zumeist betteten die von weit her Angereisten „Garmisch“ in eine größere (Alpen-)Reise ein. 2020 stand der Ort unter der Zugspitze nochmals als Austragungsort fest, doch Corona stoppte die Motorrad Days. 2021 war die Veranstaltung erstmals für Berlin geplant, konnte aber ebenfalls nicht stattfinden. Dass die „distanzierte“ Garmischer Bürgermeisterin 2020 abgewählt worden war, änderte an der von BMW bereits getroffenen Entscheidung nichts. Nun, 2022, also Premiere in Berlin. Einen Weg zurück nach Garmisch schloss der derzeitige Leiter von BMW Motorrad, Markus Schramm, mir gegenüber bei einem Gespräch in Berlin aus. Es gehe (auch) darum, ein neues Publikum – jünger, urbaner, bunter, internationaler – anzusprechen und die Kundenbasis entsprechend auszuweiten. Und Berlin sei super: Hier würden schließlich alle wichtigen Modelle gebaut, hier war 1923 die erste BMW, die R 32, zu sehen gewesen.
Das doppelte Lottchen von Berlin
Schauen wir nach Berlin. Aus den bisherigen BMW Motorrad Days, die stets am ersten Juli-Wochenende von Freitagmittag bis Sonntagnachmittag dauerten, ist eine Kombinationsversanstaltung geworden: Der Freitag war dem von vielen Stunden Livemusik dominierten und mit diversen Ausstellern hochwertiger Handwerkskunst dekorierten Festival „Pure & Crafted“ Festival vorbehalten. Einige super Customizer stellten aus, dazu sah man von Hand hergestellte Ledergürtel, Handschuhe, T-Shirts, Taschen … auch handgemachten Gin gab’s zu sehen und zu kaufen und manches mehr. Kurz: Lifestyle der Young Urban People. Das Festival war zuvor schon dreimal über die Bühne gegangen, zweimal in Berlin, einmal in Amsterdam. Jetzt also das Berliner Messegelände unter dem Funkturm für diesen Kombi-Event, eine vermutlich ziemlich teure Location.
Outfit-Wechsel über Nacht
In der Nacht zum Samstag wurden der Messe-Eingangsbereich und auch Teile der Freifläche umdekoriert; aus Pure & Crafted wurden flugs die BMW Motorrad Days. Erstmals war für den Besuch Eintritt zu zahlen; in den 10 Euro pro Kopf und Nase war jeweils ein Verzehrgutschein im Wert von 5 Euro enthalten. Die Öffnung der Tore war für 10 Uhr angekündigt, verzögerte sich aber. Unruhe unter den Wartenden, schließlich Pfiffe und Buhrufe. Null Information vonseiten der Messegesellschaft. Erst um etwa 10.15 Uhr – für Berliner Verhältnisse möglicherweise pünktlich? – wurde den weit über tausend wartenden Einlass gewährt. Drängeleien, kein Abstand. Corona? Schon der Start war also holperig.
Es gärt in den Sozialen Medien
In den Sozialen Medien ist viel Unzufriedenheit dokumentiert. Wir wollen hier nicht über die fraglos vorhandenen Mängel betreffend Organisation, Kommunikation und Ablauf lamentieren; die Verantwortlichen von BMW Motorrad wissen, dass sie an vielen Stellschrauben drehen müssen, vom teils grob missglückten Catering bis hin zur nicht vorhandenen Zeltwiese. Und dass auch die Berliner Messegesellschaft eine Vielzahl von Punkten deutlich verbessern muss. Aber der nächste Campingplatz ist trotzdem 20 Kilometer entfernt. Auch wenn Berlin, wie es heißt, „immer eine Reise wert ist“, taugt die Stadt aber offensichtlich nur für relativ wenige als Ziel einer Motorradreise. Es waren nicht sehr viele, die von weither auf Achse zum Messegelände am Funkturm anreisten. Und ein beträchtlicher Teil dieser Leute war 2022 gleich zweimal da; das erste und das letzte Mal gleichzeitig. Insgesamt waren in Berlin die mit dem eigenen Motorrad angereisten Besucher bei weitem in der Minderheit.
„Es fehlte der Kitt, der die Besucher in Garmisch zusammenhielt“
Samstag und Sonntag öffneten dann tagsüber zwei Ausstellungshallen und am Abend zudem die zur weiß-blauen Festhalle umdekorierte Messehalle 11. Leider hatten dort die normalen Besucher der Motorrad Days trotz ihrer abgedrückten 10 Euro Eintrittsgebühr erst ab 22 Uhr Zutritt; vorher waren alle Plätze für geladene Gäste aus dem In- und Ausland reserviert (BMW-Händler, Clubs, Management, Journalisten...). Angesichts dessen ist nicht verwunderlich, dass bei so manchem „normalen“ Besucher Verwunderung zu registrieren war; bei manchen auch Enttäuschung oder Ärger. „Es fehlte einfach der Kitt, der die Menschen in Garmisch zusammenhielt und die Motorrad Days zum Fest werden ließ“, sagte mir ein Besucher. Wie wahr. Bei BMW weiß man mittlerweile um diese Problematik; 2023 soll dies anders im Sinne von „besser“ werden.
Was die Aussteller von dem neuen Format halten, offizielle Stimmen zu den BMW Motorrad Days 2022 in Berlin und mehr, findet ihr in Motorrad & Reisen Ausgabe 112.