Es ist schwierig bis unmöglich, einen nutzwertorientierten Motorroller mit völlig eigenständigem Aussehen zu zeichnen. Längst haben sich für ein Zweirad dieser Art große Räder (16 Zoll), ein freier Durchstieg, eine Länge von kaum über zwei Metern und eine Sitzhöhe von rund 80 Zentimetern als Standard etabliert. Der
Honda SH 125i und auch der
Piaggio Liberty 125 gelten als Prototypen dieser Kategorie, der Honda gar als Leuchtturm. Nur schwer unterscheidbar ist der neue Voge SR16 125; sein Preis liegt trotz guter Ausstattung bei bescheidenen 3.600,-- Euro. Das aus China stammende Gefährt bringt zwar nur wenig Markenimage mit, dafür aber – bei fast identischen technischen Daten – einen deutlichen Preisvorteil in Höhe von rund 1.400,-- Euro, was fast einem Drittel des Honda-Preises von gut 5.000,-- Euro entspricht. Was kann der China-Scooter?
Design, Ausstattung und Unterschiede zum Honda SH
Unzweifelhaft sieht er erst einmal gut aus; insbesondere seine Aluminiumgussräder (vorne 16, hinten 14 Zoll groß) sind nachgerade eine Schau. Seine Linienführung ist der des bestens eingeführten, quasi als Klassenstandard geltenden
Honda SH125i nicht unähnlich; die Farbe Olive Grey matt steht ihm gut. Als wesentlichen Vorteil darf der Voge seine Komplettausstattung ins Feld führen: Nicht nur eine klassengemäße 34-Liter-Topbox ist serienmäßig montiert, sondern auch der hohe Windschild und die transparenten Handschützer sind stets an Bord.
Sitz, Bedienung und Stauräume
Im Nutzwert sind Einwände gegen den chinesischen Newcomer nicht möglich; das Keyless Ride zur schlüssellosen Bedienung (Topbox exklusive) funktioniert einwandfrei, für Sitz- und Tankklappenentriegelung gibt es Tasten im Cockpit, die nur bei eingeschalteter Zündung bedienbar, sonst also gesperrt sind. Die Verarbeitung erscheint wertig, die Auskleidungen der Stauräume und -fächer sind okay. Die wasserdichte Handy-Ablage samt Lademöglichkeit und Kabeldurchführung im Deckel ist links im Cockpit platziert. Auch das volldigitalisierte Zentralinstrument überzeugt: Die Anzeigen sind vollständig und bestens ablesbar. Die Sitzbank ist gut geformt, die Sitzhöhe entspricht dem Klassenstandard, der Fußraum mit freiem Durchstieg ebenso.
Kompakte Bauweise für die Stadt
Der Voge SR 16 125 ist insgesamt kompakt gehalten, was fürs Manövrieren in engen Städten und auf vollen Straßen ja erwünscht ist. Für beschränkte Distanzen ist die Soziuseignung voll in Ordnung; das Ausklappen der Soziusfußrasten stellt freilich eine arge Fummelei dar und das Aufsteigen ist für die Sozia wegen der Topbox etwas mühsam. Die Bedienung aller sonstigen Tasten und Hebel fällt leicht, alles ist sinnvoll angeordnet. Ein Blinkertacker als Rückstell-Erinnerung wird leider nicht geliefert.
Fahreindruck und Leistung: Wie fährt der Voge SR16 im Alltag?
Unterwegs gibt sich der chinesische 125er agil und behände. Der Motor leistet 12 PS, damit kommt man selbst auf Bundesstraßen gut voran. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 97 km/h. Lkw rücken dem Voge-Fahrer also nicht zwangsläufig unangenehm auf die Pelle. Das Fahrverhalten ist stabil, die Bremsen – das ABS berücksichtigt beide Räder – vermitteln gute Wirksamkeit bei geringer Bedienkraft. Auch die elektronische Traktionskontrolle TCS ist eine angenehme Beruhigungspille für grip-arme Straßenverhältnisse. Die Federung arbeitet klassengemäß, die China-Pneus blieben nicht nur bei Trockenheit, sondern auch auf feuchter Straße unauffällig.
Schutz vor Witterung: Windschild und Handschützer
Die überkopfhohe, bestens vor Wind und Regen schützende Scheibe hat zwangsweise die Tendenz, die Sicht etwas zu verzerren; Insektenrückstände machen sich dabei negativ bemerkbar. Wer sicher unterwegs sein will, tut gut daran, die nicht getönte Scheibe stets bestmöglich sauber zu halten. Doch dafür kann der Voge nichts, das gilt für alle Scooter mit hoher Scheibe. Turbulenzen hinter der Scheibe gibt es glücklicherweise nicht. Erwähnenswert sind die serienmäßigen transparenten Handschützer, die Hände bzw. Handschuhe weitestgehend sauber halten.
Verbrauch, Reichweite und Motorcharakteristik
Der sehr vibrationsarme und leise laufende, flüssigkeitsgekühlte Einzylindermotor muss mit zwei Ventilen auskommen. Ein Nachteil ist das im Grunde nicht. Mit einem Normverbrauch von 2,5 Litern pro 100 Kilometer ist das Triebwerk kein Muster an Sparsamkeit; Hondas SH ist da etwa zehn Prozent besser. Aber dank des großen 7,8-Liter-Tanks sollte die Reichweite des Voge bei typischem Stadt- und Vorortverkehr stets über 250 Kilometer betragen. Unser sicherlich untypischer Praxisverbrauch mit hohem Vollgas-Überlandstraßenanteil und wenig Stadtverkehr lag bei 3,0 l/100 km; nach 210 Kilometern blinkte die Reserve-Warnleuchte. Mit leicht reduzierter Leistung, also ohne Dauer-Vollgas, genehmigte sich der kleine Voge exakt 2,5 l/100 km, also den Normwert.
Komfort-Details und Zusatzfunktionen
Die Fliehkraftkupplung arbeitet ruckfrei, die Gasannahme des Motors ist ebenfalls tadellos. Da auch die Kurvenstabilität sich als gut erwies, stiegen wir immer wieder gerne auf den Voge, um zu Erledigungen im Ort oder in der nächsten Kreisstadt aufzubrechen. Der Haken hinter dem Frontschild taugt für eine Einkaufstasche. Als vorteilhaft haben sich auch die abgewinkelten Reifenventile erwiesen; die Luftdruckkontrolle wird dadurch wesentlich erleichtert.
Voge SR16 vs. Honda SH 125i
Die Frage, ob ein kompakter Stadtroller die Mobilität in der Stadt und auf dem Land sicherstellen kann, ist für die neun wetterbegünstigten Monate des Jahres in unseren Breiten längst positiv beantwortet. Das gilt auch für den Voge SR16 125 ABS TCS. In puncto Händlerbetreuung und Markenimage kann der chinesische Newcomer natürlich nicht mit dem Honda und dem Piaggio mithalten; im praktischen Fahreindruck aber absolut. Die Entscheidung liegt beim Käufer: Identischer Gebrauchswert bei niedrigerem finanziellem Einsatz oder die gefühlte Sicherheit eines bewährten Weltmarkenprodukts sind abzuwägen. Beim Fahren selbst herrscht Gleichstand.
Farben: Olive Grey matt, Schwarz matt
Preis: ab 3.400,-- Euro