Bike-Besprechung Honda XL750 Transalp – Willkommen zurück
Das Warten hat ein Ende: Elf Jahre nach dem Modell-Ableben bringt Honda die Transalp zurück – und landet einen Volltreffer! Erste Testfahrt mit dem neuen Adventure-Allrounder.
Faro an der Südostspitze Portugals ist weit mehr als ein bezahlbarer Platz an der Sonne. Wohl jeder Motorradbegeisterte, der schon einmal dort war, wird bestätigen: Die N 397 und N 124 im Hinterland zählen mit ihren Sensationskurven zu den Topstrecken Südeuropas. Wie eine zweispurige Achterbahn schlängeln sich die Nationalstraßen schier endlos durch den grünen Distrikt. Ein Asphalt gewordenes Rollercoaster-Träumchen. Mehr Fahrspaß geht kaum, sitzt man auf dem richtigen Bike. Und das ist die neue Honda XL750 Transalp in nahezu jeder Hinsicht. Zu verdanken ist das unter anderem Masatoshi Sato (50). Der „Large Project Leader“ – kurz LPL – der Honda XL750 Transalp war Anfang des Jahres auch schon Geburtshelfer des neuen Fahrspaßmonsters CB750 Hornet. Die frisch gelaunchten Mittelklasse-Haudegen von Honda sind quasi DNA-Twins: Sie teilen sich unter anderem den drehfreudigen Parallel-Zweizylindermotor mit 755 ccm, das präzise Sechs-Gang-Getriebe, den leichten Stahlrahmen und die zeitgemäßen Assistenzsysteme.
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Preis: 5,90 €
Sanftere Gasannahme, stärkerer Rahmen
Die Transalp hängt munter am Gas. In allen Fahrmodi steht die maximale Leistung zur Verfügung. Das Verhältnis Power zu Gewicht ist um 60 Prozent besser als bei der Honda NC750X Für seinen neuen Adventure-Allrounder hat Honda die Gasannahme weicher abgestimmt, die Traktionskontrolle um einen zusätzlichen Gravel-Modus erweitert, die Aluminiumschwinge im Stil der CRF1100L Africa Twin modifiziert sowie den hinteren Hilfsrahmen verstärkt, verlängert (plus 125 mm) und verbreitert (plus 48 mm). Insgesamt bringt der schlanke Rahmen nur 18,3 Kilogramm auf die Waage. Damit ist er fast 20 Prozent leichter als das Skelett der Honda NC750X und sogar 10 Prozent leichter als jenes der kleinen CB500X. Die Leichtbauweise des 208-kg-Bikes kommt nicht von ungefähr: Kyohei Kawai (35), innerhalb des Transalp-Teams verantwortlich für die Steifigkeit und Belastbarkeit des Rahmens, ist leidenschaftlicher Motocrosser und seit 2017 beruflich mit Hondas CRF-Familie liiert.
Liebenswert wie die legendäre Transalp von 1986
Italienisches Design: Die neue Transalp stammt aus der Feder von Valerio Aiello (45). Seit 2015 entwirft er in Hondas europäischem R&D-Center in Rom neue Modelle. Die Transalp kreuzt Touring- und Dakar-Elemente Zutraulich, komfortabel, vielseitig, zuverlässig, spritzig – die Adjektivkette der Honda Transalp lässt sich beliebig verlängern mit zutiefst freundlichen und liebenswerten Eigenschaften. Hört man sich in Motorradfahrerkreisen um, begreift man schnell: Alle lieben die Transalp. Zumindest alle, die jemals eine besessen haben oder immer noch eine fahren. Sie ist allzeit einsatzbereit und zeitlos designt. Ein Freund, ein guter Freund. Dennoch verschwand sie 2012 –
nach 25 Jahren Produktionszeit – aus dem Modellprogramm von Honda. Jetzt ist sie zum Glück wieder da. Stärker, moderner und besser als je zuvor. Und immer noch ein echter Allrounder mit großem Fahr-Fun-Faktor.
Intuitives Handling und lineare Kraftentfaltung
Nur Mut: Das zweistufige ABS (hinten abschaltbar) und die fünfstufige Traktionskontrolle (abschaltbar) bürgen für zeitgemäße Sicherheit. Kurven-ABS gibt es leider nicht, das Motorbremsmoment ist dreifach einstellbar Das Showa-Fahrwerk erledigt seine Aufgaben souverän und unaufgeregt. Vorn federt eine Upside-down-Gabel mit adäquatem 43-mm-Gabelrohrdurchmesser. Hinten dürfte der Mono-Stoßdämpfer ruhig etwas straffer zu Werke gehen; die Pro-Link-Schwinge sorgt zwar für geschmeidige Kontrolle, könnte aber gern auch ein Quäntchen härter sein, ohne deshalb gleich unangenehm aufzufallen. Schön wäre es auch, ließe sich das Fahrwerk komplett einstellen und nicht nur die Vorspannung (wozu zudem Werkzeug nötig ist). Das ändert aber nichts an dem famosen Fahrspaß, den die Transalp auf kurvenreichen Strecken bietet. Der breite Lenker ermöglicht optimale Kontrolle, die obere Lenkerbrücke aus Aluminium sorgt für ein präzises Lenkverhalten.
Aufgeräumt: Die Bedienelemente sind von anderen Hondas bekannt. Die Mode-Taste führt zu den Fahrprogrammen; kurz den Gasgriff schließen, dann sind Gravel, Standard, Sport, Rain oder User aktiviert. Parameter wie Traktionskontrolle oder Motorbremse lassen sich über die Kreuzwippe mehrstufig einstellen Die Sitzposition ist entspannt: 850 Millimeter Sitzhöhe bei 200 mm Federweg vorn und 190 mm hinten. 210 mm Bodenfreiheit schaffen einen ausreichend großen Abstand zu groben bis gröberen Untergründen. Mit 1560 mm Radstand liegt die Transalp 140 mm vor der Hornet. Die Fußrasten setzen in schnell gefahrenen, engen Kurven durchaus mal auf. Ein Zugeständnis an den entspannten Kniewinkel und die langstreckenkonforme Sitzposition. Der Windschild ist nicht verstellbar. Das ist eigentlich schade, fällt bei 1,80 Meter großen Fahrern aber auch nicht weiter unangenehm auf: Die schmale Scheibe leitet den Fahrtwinddruck souverän an Fahrerbrust und Helmkante vorbei. Man sitzt erfreulich zug- und lärmgeschützt in seiner tiefen Sitzmulde. Im Zubehör gibt es für Sitzriesen auch eine größere Variante.
Entspanntes Fahren im Sitzen und Stehen
Fürs hintere Federbein gibt es sieben Pre-Load-Stufen. Ab Werk steht es auf Stufe zwei. Die Frontgabel kann 15-fach verstellt werden Beim Fahren im Stehen herrscht ohnehin Ruhe am Helm. Die Ergonomie der neuen Transalp ist fein ausgearbeitet. Größer gewachsene Kollegen im Testerkreis hatten ebenfalls nichts auszusetzen. Auf den optionalen Rallye-Fußrasten der Testmaschinen steht man sehr sicher. Das 21-Zoll-Vorderrad lädt abseits befestigter Straßen ohnehin zum Fahren im Stehen ein. Auf Schotter und unbefestigten Nebenstraßen schlägt sich die Transalp souverän. Ab Werk sind Metzeler Karoo Street oder Dunlop Trailmax Mixtour aufgezogen, beides Reiseenduro-Reifen mit prima Straßenperformance. Der Grip erweckt nach der ersten Kurve Urvertrauen.
Überhaupt ist die Transalp ein Bike, das keinerlei Eingewöhnungszeit erfordert. „So einfach kann Motorradfahren sein“, meinte ein Kollege beim Stiefelbier nach der Rückkehr zum Hotel. Recht hat er. Die neue Transalp ist – wie ihre Vorfahren auch – eine Art eierlegende Wollmilchsau auf zwei Rädern, also das eine Bike für alle Tage. Faustregel: Wer sich eine Honda XL750 zulegt, ist immer auf dem richtigen Motorrad unterwegs. Touren fahren, Abstecher ins Gelände, pendeln, Fußrasten abschleifen, Kilometer abreißen. Und dabei auch noch gut aussehen – all das geht mit der schnieken Transalp. Das Design stammt aus dem europäischen Honda R&D-Centre in Rom.
Viel Bike fürs Geld
So soll das sein: Die LED-Blinker der Honda Transalp schalten sich automatisch ab – das ist leider immer noch keine Selbstverständlichkeit in diesem Segment. Bei harten Bremsmanövern warnen die hinteren Blinker den nachfolgenden Verkehr durch schnelles beidseitiges Blinken Ab 10.590,-- Euro steht die XL750 ab Ende April 2023 in Mattschwarz oder Mattgrau beim Händler. Wer die Farboption „Ross White“ im Tricolor-Look vorzieht, zahlt 300 Euro drauf. Beides geht als Kampfpreis durch in diesem Segment. KTM 790 Adventure (95 PS, ab 10.999,-- Euro), Yamaha Ténéré 700 (73 PS, ab 11.374,-- Euro), Aprilia Tuareg 660 (80 PS, ab 11.999,-- Euro), BMW F 850 GS (95 PS, ab 13.000,- Euro) und Suzuki V-Strom 800DE (84 PS, ab 11.500,-- Euro) kosten teils deutlich mehr.
Das ist mal ein Motorschutz: Die massive Aluminiumplatte des Rallye-Pakets ist 2,5 mm dick. Passgenau geformt, schützt sie Motorteile wie Ölfilter und Auspuffrohre. Der robuste Look nimmt der Transalp etwas von ihrer italienisch angehauchten Leichtigkeit, verstärkt aber den Adventure-Charakter Mit 92 PS und 75 Nm liegt die Transalp leistungsmäßig voll im Trend. Der Motor dreht bereitwillig hoch, der rote Bereich beginnt bei 10.000 Umdrehungen pro Minute. Das maximale Drehmoment liegt bei 7250 U/min an, die maximale Leistung bei 9500 Touren. 4,4 Liter auf 100 Kilometer gibt Honda als Verbrauch an. Macht bei 16,9 Litern Tankvolumen rein rechnerisch rund 380 km Reichweite. Unser Testverbrauch in Portugal lag bei 5,0 l/100 km. Das geht völlig okay in dieser Leistungs- und Gewichtsklasse. Das 5-Zoll-Farbdisplay lässt sich über die Honda-App mit dem Smartphone (iOS und Android) koppeln. LED-Beleuchtung rundum ist Serie, der konfigurierbare Blipper (rauf/runter) kostet 350,-- Euro extra. Alternativ gehört er zum 1235,-- Euro teuren „Rallye-Paket“, das Honda als eines von fünf Paketen komponiert hat. Es beinhaltet neben dem Schaltassistenten einen massiven Alumotorschutz, farblich auf die Maschine abgestimmte Handprotektoren (Weiß oder Schwarz), Motorschutzbügel samt Montage-Kit sowie das Rallye-Fußrasten-Set.
Fünf Zubehörpakete für Stadt, Land und Abenteuer
Alternativ oder ergänzend gibt es das Comfort-Paket (369,99 Euro) mit Zutaten wie Tanktasche (3 l), Windabweiser und Komfort-Fußrasten für den Sozius; das Adventure-Paket (975,-- Euro) mit Kühlergrill aus gebürstetem Edelstahl, Front-Sturzbügel und LED-Nebellampen-Set; das Urban-Paket (1.045,-- Euro) mit Topcase (50 l) samt Halteplatte, Innenpacktasche und Aluverkleidung sowie das Travel-Paket (1.490,-- Euro) mit Seitenkoffer-Set (26 l rechts, 33 l links). Nimmt man alle fünf, landet die Transalp im stylischen Tricolor-Look mit blau-schwarzer Sitzbank bei 16.060,-- Euro.
Viele Infos, viele Einstellmöglichkeiten: Vier Layout-Optionen gibt es für den 5-Zoll-Bildschirm. Die Funktionalität ist von X-ADV, Forza 750 und Co. bekannt. Power, Motorbremse und Traktionskontrolle sind mehrstufig einstellbar, das Hinterrad-ABS lässt sich wie die Traktionskontrolle abschalten Leider nicht im Zubehörangebot ist ein Tempomat, was bei einem Reise-Motorrad natürlich wünschenswert wäre. Dafür gibt es Heizgriffe. Die serienmäßige, fünfstufige Traktionskontrolle nimmt ihren Job fast zu ernst: Kleine Tänzchen des Hinterrads regelt sie recht rigoros ab, sogar im Gravel-Modus fürs Gelände. Immerhin: Mit einem langen Tastendruck ist sie komplett abschaltbar. Beim nächsten Zündung aus/Zündung ein ist sie wieder aktiv. Das sollte man sich bei Abstechern ins Gelände merken.
Lineare Beschleunigung, punktgenaue Verzögerung
Onroad wie offroad begeistert die angenehm unaufgeregte, aber durchweg souveräne Art, wie die Transalp ihren Job erledigt. Manch einem mag der „Sweetpoint“ fehlen, an dem sich etwas Spezielles tut, sei es ein Auspuffsprotzen beim Runterschalten, die zweite Luft beim Beschleunigen oder radikales Ankern. All das bietet die Transalp nicht. Aber alles, was sie macht, macht sie gut. Sie beschleunigt linear statt vehement. Sie unterhält mit präsentem, fein komponiertem Sound. Sie rackert wacker über Feld und Flur. Sie verzögert punktgenau. Die vier Zentner sind schön gleichmäßig verteilt. Die Rückmeldung des Fahrwerks ist optimal. Flink und präzise lässt sie sich durch Kurven jagen.
Fazit
Im Mittelpunkt des Transalp-Farbtrios steht die aufpreispflichtige Tricolor-Lackierung („Ross White“, plus 300,-- Euro) im Look der legendären Ur-Transalp. Dazu gibt es „Matt Ballistic Black Metallic“ und „Matt Iridium Gray Metallic“. Beide schmücken dezente, rote Akzente Neun Jahre lang war die Transalp weg vom Fenster, zur Saison 2023 ist sie wieder da. Heureka! Hondas Entscheidung, mit der XL750 wieder ein echtes Mittelklasse-Adventure-Bike ins Programm zu nehmen, war und ist goldrichtig. Der Wettbewerb ist saustark aufgestellt, die Chinesen drängen massiv ins Revier. Honda bietet die Honda-typische Alternative: leicht zu fahren, perfekt verarbeitet, stilsicher designt. Ein Bike für die Ewigkeit. Zu einem fairen Preis. Und auf Wunsch gedrosselt auf A2-konforme 48 PS.