Test: BMW M 1000 R – Ein Hauch von Wahnsinn

Die BMW M R ist das stärkste Hyper Naked-Serienbike der Welt. Wir durften sie fahren. Eine Ode an die Freude, die Geschwindigkeit und die pure Unvernunft.
29.11.2022
| Lesezeit ca. 7 Min.
Markus Jahn, Jörg Künstle, BMW
Spüre einen Hauch von Wahnsinn. Mit diesen Worten steigt BMW Motorrad in die Modellseite der M 1000 R ein. Ich zitiere mal weiter: „Superbike trifft Dynamic Roadster. Maximale Performance: ein Muss. Ihr Auftrag: Übertriff dich selbst.“ Dazu das Versprechen: „Sie verzeiht vieles, Stillstand niemals.“ Na denn. Nix wie rauf da.
Wir sind in Mojácar, Andalusien. Die Wetter-App verspricht 22 Grad Tageshöchsttemperatur. Da wäre es kleinlich, den kühlen Morgen zu beklagen, der uns bei der Übergabe des Fahrzeugschlüssels begrüßt. Natürlich braucht der kein Schloss, um das derzeit stärkste Hyper Naked-Serienbike der Welt zum Leben zu erwecken. Keyless Ride Light – Dabeihaben reicht zum Zünden des Überschall-Triebwerks. Nur zum Tanken will der Schlüssel gezückt und der Schlüsselbart entriegelt werden. Und zum Entsperren des Heckschlosses, das Soziussitz oder Sitzabdeckung verriegelt, ganz nach Gusto.
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210 PS, 280 km/h Spitze, irre 7,2 Sekunden auf 200 km/h

BMW M 1000 R
Auf der Rennstrecke ist die M 1000 R zu Hause. Wie die Doppel-R-Superbikes verfügt sie unter anderem über das Assistenzsystem Brake Slide Assist zur Unterstützung des Fahrers bei Anbremsdrifts
Kleiner Rundgang um das brachiale Stück Technik. 210 PS, 280 km/h Spitze, gestoppte 3,2 Sekunden auf Tempo 100, aberwitzige 7,2 Sekunden auf 200 km/h. Heidewitzka. Das ist mal eine Ansage. Optisch unterstreicht die M R – so der offizielle Nickname – ihre Höchstleistungs-Ambitionen mit zwei ausladenden Winglets rechts und links. Bei meiner M R in „Lightwhite uni/M Motorsport“ sind diese leitwerkartigen Abtrieb-Flügel weiß lackiert. Ein schöner Kontrast zum vertrauten Farbmix aus Hellblau, Dunkelblau, Rot und Weiß. Die Aluminium-Schmiederäder sind so schwarz wie die Bridgestone-Pneus. Der hintere 200/55 ZR17-Schlappen grinst in voller Höhe unter dem Kennzeichenhalter hervor. Die serienmäßigen Lenkerendspiegel sind ein kleines Kunstwerk und hochfunktional (beste Sicht nach hinten; nach oben und unten montierbar). Genau wie die klappbaren, CNC-gefrästen M-Brems- und Kupplungshebel mit blauer Stellschraube.
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Im ersten Gang rennt die M 1000 R 120 km/h

BMW M 1000 R Cockpit
Über das Bordmenü kann der Fahrer per Multi-Controller eigene „Race Pro“-Fahrmodi konfigurieren. Unter anderem gibt es drei einstellbare Gaskennlinien für optimales Ansprechverhalten und drei Einstellmöglichkeiten fürs Motorschleppmoment (Engine Brake)
Startknopf drücken, das vertraute BMW-Farbdisplay (6,5 Zoll) erwacht zum Leben. Über den Multi-Controller wird das Bordmenü bedient. Jeder BMW-Fahrer ist hier sofort zu Hause. Insgesamt sieben Fahrmodi können scharf geschaltet werden. Rain, Road, Dynamic und Race sind werksseitig vorgegeben. Drei weitere „Race Pro“-Modi können frei konfiguriert werden für den Rennstreckeneinsatz. In den Untermenüs lassen sich die unterschiedlichsten Fahrparameter und Assistenzsysteme ansteuern – Wheelie-Kontrolle, Motorschleppmoment, Gaskennlinie. Gut zu wissen, aber für den Anfang zu viel des Guten. Wir fahren erst einmal Landstraße. Road und Dynamic reichen vollends aus, um hier das Potenzial der Hightech-Maschine anzutesten; Ausreizen ist mit der Straßenverkehrsordnung in keinster Weise in Einklang zu bringen. Schon im ersten Gang beschleunigt die BMW M 1000 R bis 120 km/h.

Aberwitzige Leistungsentfaltung

BMW M 1000 R Fahrt
Die Fahrleistungen der BMW M 1000 R sind aberwitzig. Gleichzeitig kann sie auch lammfromm durch die Gegend rollen. Die Sitzposition ist sportlich, aber auf entspannte Art
Eine gehörige Portion Demut ist also mehr als angebracht, steigt man auf die Maschine, die Ducati Streetfighter V4 und MV Agusta Brutale 1000 die gemeinsame Power-Krone geklaut hat. 208 PS – Scusate Ragazzi, das reicht nicht mehr, um ganz oben auf dem Treppchen des Leistungs-Olymps zu stehen. Befeuert wird BMW M 1000 R vom modifizierten Vierzylinder-Reihenmotor der BMW S 1000 RR. 45 PS beträgt der M-Leistungsaufschlag gegenüber der S 1000 R. Das maximale Drehmoment von 113 Nm wird bei 11.000 Umdrehungen pro Minute erreicht (S 1000 R: 114 Nm bei 9.250 U/min). Die Maximaldrehzahl liegt nun bei 14.600 Touren an. Für gesteigerte Zugkraft am Hinterrad in allen Gängen sorgt zudem eine kürzere Sekundärübersetzung: Das Kettenrad hat hier 47 Zähne, zwei mehr als bei der S 1000 R. Außerdem sind die Getriebeübersetzungen des 4., 5. und 6. Ganges kürzer gewählt. Auch das zahlt auf die Zugkraft am Hinterrad ein. Und die ist – schlicht und ergreifend – aberwitzig.
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So dürfte sich Warp-Antrieb anfühlen!

BMW M 1000 R
Kupplung ziehen? Kann man sich schenken außer beim Anfahren und Anhalten. Der Schaltassistent Pro ermöglicht schnelles Hoch- und Herunterschalten, ohne zu kuppeln. Das Schaltschema kann für den Rennstreckeneinsatz umgekehrt werden
Bereits ab zirka 2000 Touren geht der Spaß los. Bis 4000 Touren zieht die M R an, wie man es erwartet. Gewaltig, bestimmt, kontrolliert, zielstrebig. Bis 6000 U/min schwillt der Sound merklich an, der Schub natürlich auch. Weiter dreht das M-Triebwerk – 8.000 Touren. Als Fahrer machst du dich längst klein, hältst dich konzentriert fest. Und behältst die Straße aufmerksam im Blick. Irgendwas im Weg? Nicht? Dann weiter! Bei 9.000 Touren übergibt die Drehmomentnocke an die Leistungsnocke. Noch mehr ShiftCam-Schub! Bei 11.000 U/min schalten die Ansaugtrichter um – von lang auf kurz. Jetzt reißt dich die Power fast auf dem M-Sattel! Bis 14.600 Touren versinkt die Welt um dich herum zu einem Lichtstrahl. So dürfte sich der Warp-Antrieb der Enterprise anfühlen!
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Die pure Unvernunft, aber ein unfassbar grandioses Erlebnis

BMW M 100 R Titan-Endschalldämpfer
Perfektion im Detail: Leichtbau-Achse und Titan-Endschalldämpfer von Akrapovic. Im Zubehör gibt es alternativ die M-Voll-Titan-Abgasanlage (2.100,-- Euro). Sie spart 2,7 Kilogramm Gewicht, erhöht das Motordrehmoment vor allem im mittleren Drehzahlbereich – und klingt noch mal etwas besser und bissiger als die Serientüte
Verantwortungsbewusste Leser ahnen es: Wir sind längst auf der Rennstrecke unterwegs, quasi die Kirsche auf der M-Torte. Circuito de Almeria. Ansonsten ließe sich dieses Antriebs-Spektakel natürlich gar nicht erleben. Die Teststrecken rund um Almeria geben derartige Tempo-Orgien nicht her. Das Antriebs-Inferno, das BMW Motorrad mit seinem M-Roadster oberhalb von 9.000 Umdrehungen pro Minute zündet, ist die pure Unvernunft. Was auch sonst. Aber ein unfassbar grandioses Erlebnis. Ein Tanz auf der Rasierklinge, bei dem du nie das Gefühl hast, irgendetwas könnte schiefgehen. Schließlich kann die M R auch mit 50 km/h im sechsten Gang kreuzbrav durch die Stadt rollen. Was kann einem so ein Motorrad schon Böses wollen?

Der pure Irrsinn – dank einer Armada von Regelsystemen

BMW M 1000 R Bremsen
Da steckt das Know-how der Superbike-Weltmeisterschaft drin: Der neue M-Roadster ist nach dem Supadupa-Superbike M 1000 RR die zweite BMW mit einer M-Bremse, erkennbar an den blau eloxierten Bremssätteln vorn und hinten
Die M-Bremsen sind vermutlich das Beste, was es derzeit in dieser Liga gibt. Klar, auch eine Ducati V4 Streetfighter bremst wie Hölle. Eine Aprilia Tuono V4 auch. Genau wie Power Cruiser à la Triumph Rocket 3 oder Ducati Diavel. Was die neue Generation an Hyper-Nakeds mit der Fahrphysik anstellt, ist der pure Irrsinn. Und nur möglich, weil eine Armada von Regelsystemen dafür sorgt, dass dieser Überschuss an Vortrieb und Verzögerung überhaupt kontrollierbar ist. Das Know-how dahinter resultiert bei der M-Bremsanlage aus den Erfahrungen mit den BMW Motorrad Werksrennmaschinen in der Superbike-Weltmeisterschaft.

M Competition Paket mit Carbonrädern als Krönung des Machbaren

Zwei 320-mm-Bremsscheiben, jeweils fünf Millimeter dick, dazu eine neue Radial-Handbremspumpe und schwarz eloxierte Bremsscheibenträger aus Aluminium – die M-Bremsanlage markiert laut BMW Motorrad „derzeit die Spitze der Bremsenentwicklung“ im Bereich der straßenzugelassenen Hyperbikes. Glaube ich gern. Und klar: Niemand wird erwarten, dass es diese Technologie-Orgie zum Schnäppchenpreis gibt. Zumal die Zubehörliste lang ist und Begehrlichkeiten weckt.

Preisspanne von 22.600,-- bis über 33.000,-- Euro

BMW M 1000 R Blackstorm metallic/M Motorsport
Schwarzer Power-Roadster: Die Lackierung Blackstorm Metallic/M Motorsport lässt die neue BMW M 1000 R diabolischer wirken als das aus dem BMW Motorsport bekannte Weiß-Blau-Rot. Ab Januar 2023 soll die Münchener Muskelklasse zu haben sein
CNC-gefräste Fußrastenanlage (810,-- Euro), Kühlerschutzgitter (47,-- Euro), Datenlogger inklusive GPS-Laptrigger (805,-- Euro), M Performance-Reifenwärmer (520,-- Euro), sogar ein M-Motorradteppich (250x105 cm, 136,-- Euro) ist dabei – es gibt so einiges, was sich auf den Basispreis von 22.600,-- Euro addieren lässt, womit die BMW M 1000 R dann flugs 33.032,-- Euro kostet. Allein das M Competition Paket mit Carbonrädern kostet 5.500,-- Euro extra. Aber nun: Es krönt den Spaß. Und die vollausgestattete BMW M 1000 R ist immer noch deutlich günstiger als eine Ducati Streetfighter V4 SP2 (ab 35.690,-- Euro). Die meisten Kunden dieses Motorrads wird es eh nicht kümmern.

Fazit BMW M 1000 R

Eine M 1000 R kauft man sich nicht als Alltagsbike, sondern aus tiefer Überzeugung, das derzeit stärkste Hyper-Naked-Bike der Welt besitzen und im besten Fall adäquat fahren zu wollen. Die zweiradgewordene Perfektion. Das technisch Machbare. Das Biest mit Manieren schlechthin. Und nichts anderes bekommt man auch für sein Geld.

 Pro
  • grandioser Motor
  • herausragendes Leistungsgewicht
  • moderne Assistenzsysteme
  • exzellente Fahrbarkeit
 Contra
  • Leistung kaum abrufbar auf öffentlichen Straßen
  • hoher Preis
Technische Daten BMW M 1000 R 2023
Motor
Bohrung x Hub 80 x 49,7 mm
Hubraum 999 ccm
Zylinder, Kühlung, Ventile wassergekühlt, Reihenvierzylinder, vier Ventile pro Zylinder
Abgasreinigung/-norm Euro 5
Leistung 210 PS (155 kW) bei 13.750 U/min
Drehmoment 113 Nm bei 11.000 U/min
Verdichtung 13,3:1
Höchstgeschwindigkeit 280 km/h
Kraftübertragung
Kupplung Mehrscheiben-Anti-Hopping-Ölbadkupplung
Schaltung 6-Gang
Antrieb Kette
Fahrwerk & Bremsen
Rahmen Aluminiumverbund-Brückenrahmen
Federelemente vorn 45-mm-Upside-down-Teleskopgabel
Federelemente hinten Zweiarmschwinge mit Zentralfederbein
Federweg v/h 120 mm/117 mm
Radstand 1.450 mm
Nachlauf 96,3 mm
Lenkkopfwinkel 24°
Räder Aluminium Schmiederäder
Reifen vorn 120/70 ZR17
Reifen hinten 200/55 ZR17
Bremse vorn 320-mm-Doppelscheibenbremse
Bremse hinten 220-mm-Einscheibenbremse
Maße & Gewicht
Länge 2.090 mm
Breite 812 mm
Gewicht 199 kg
Maximale Zuladung 208 kg
Sitzhöhe 840 mm
Tankinhalt 16,5 Liter
Fahrerassistenzsysteme
ABS
Traktionskontrolle
Fahrmodi
Schaltassistent
Berganfahrhilfe
Fahrzeugpreis ab 22.600,-- Euro
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