Die BMW M R ist das stärkste Hyper Naked-Serienbike der Welt. Wir durften sie fahren. Eine Ode an die Freude, die Geschwindigkeit und die pure Unvernunft.
Spüre einen Hauch von Wahnsinn. Mit diesen Worten steigt BMW Motorrad in die Modellseite der M 1000 R ein. Ich zitiere mal weiter: „Superbike trifft Dynamic Roadster. Maximale Performance: ein Muss. Ihr Auftrag: Übertriff dich selbst.“ Dazu das Versprechen: „Sie verzeiht vieles, Stillstand niemals.“ Na denn. Nix wie rauf da. Wir sind in Mojácar, Andalusien. Die Wetter-App verspricht 22 Grad Tageshöchsttemperatur. Da wäre es kleinlich, den kühlen Morgen zu beklagen, der uns bei der Übergabe des Fahrzeugschlüssels begrüßt. Natürlich braucht der kein Schloss, um das derzeit stärkste Hyper Naked-Serienbike der Welt zum Leben zu erwecken. Keyless Ride Light – Dabeihaben reicht zum Zünden des Überschall-Triebwerks. Nur zum Tanken will der Schlüssel gezückt und der Schlüsselbart entriegelt werden. Und zum Entsperren des Heckschlosses, das Soziussitz oder Sitzabdeckung verriegelt, ganz nach Gusto.
Motorräder: Aprilia RS 660 Extrema – Sportler mit Ambitionen, BMW R 1250 R & BMW R 1250 RS, Brixton Concept Storr 500, Cake Bukk – Elektrische Gewitterwolke, Ducati Scrambler & Multistrada V4 Rally, Fantic Caballero 700 – Caballero Zeh-Peh-Zwo, Moto Guzzi V9 Bobber Special Edition, Honda CMX1100T Rebel, CL500 & XL750 Transalp, Comeback: Peugeot Motocycles PM-01, Indian FTR-Modellreihemehr 2023, Royal Enfield Super Meteor 650, Suzuki GSX-8S & V-Strom 800DE, Yamaha 2023: Ténéré 700, Ténéré 700 Rally Edition, MT-125, Tracer 7, Tracer 7 GT, Tracer 9 GT+, MT-07, Niken GT & XSR700, Triumph Chrome Collection 2023, Gesichtet: BMW R 1300 GS Fahrtests: BMW M 1000 R – Ein Hauch von Wahnsinn, Moto Guzzi V100 Mandello – Guzzis ganzer Stolz, Honda CB750 Hornet – Kibi-Kibi-Bike, Mehr Windschutz für die KTM 890 Adventure, Dauertest: Harley-Davidson Pan America, Kawasaki Ninja H2 SX SE – Stilvoll angasen Roller: Honda X-ADV, Forza 750 & EM1 e, Vespa Primavera, 946 & GTV – Roller-Neuheiten Touren & Reisen: Gran Canaria – Inselparadies zum Motorradfahren, Österreich vom Allerfeinsten – Schmankerl-Tour, Israel – Eine Reise nach Jerusalem Tests & Zubehör: Lederjacke: Dainese Atlas, Integralhelm: AGV X3000, Wunderlich Koffertoptaschen „BagPacker II“, Cardo Kommunikationssystem für UCS-Helme Magazin: EICMA 2022 – Rette sich, wer kann, KTM Adventure-Modelle 2023
Preis: 5,90 €
210 PS, 280 km/h Spitze, irre 7,2 Sekunden auf 200 km/h
Kleiner Rundgang um das brachiale Stück Technik. 210 PS, 280 km/h Spitze, gestoppte 3,2 Sekunden auf Tempo 100, aberwitzige 7,2 Sekunden auf 200 km/h. Heidewitzka. Das ist mal eine Ansage. Optisch unterstreicht die M R – so der offizielle Nickname – ihre Höchstleistungs-Ambitionen mit zwei ausladenden Winglets rechts und links. Bei meiner M R in „Lightwhite uni/M Motorsport“ sind diese leitwerkartigen Abtrieb-Flügel weiß lackiert. Ein schöner Kontrast zum vertrauten Farbmix aus Hellblau, Dunkelblau, Rot und Weiß. Die Aluminium-Schmiederäder sind so schwarz wie die Bridgestone-Pneus. Der hintere 200/55 ZR17-Schlappen grinst in voller Höhe unter dem Kennzeichenhalter hervor. Die serienmäßigen Lenkerendspiegel sind ein kleines Kunstwerk und hochfunktional (beste Sicht nach hinten; nach oben und unten montierbar). Genau wie die klappbaren, CNC-gefrästen M-Brems- und Kupplungshebel mit blauer Stellschraube.
Im ersten Gang rennt die M 1000 R 120 km/h
Startknopf drücken, das vertraute BMW-Farbdisplay (6,5 Zoll) erwacht zum Leben. Über den Multi-Controller wird das Bordmenü bedient. Jeder BMW-Fahrer ist hier sofort zu Hause. Insgesamt sieben Fahrmodi können scharf geschaltet werden. Rain, Road, Dynamic und Race sind werksseitig vorgegeben. Drei weitere „Race Pro“-Modi können frei konfiguriert werden für den Rennstreckeneinsatz. In den Untermenüs lassen sich die unterschiedlichsten Fahrparameter und Assistenzsysteme ansteuern – Wheelie-Kontrolle, Motorschleppmoment, Gaskennlinie. Gut zu wissen, aber für den Anfang zu viel des Guten. Wir fahren erst einmal Landstraße. Road und Dynamic reichen vollends aus, um hier das Potenzial der Hightech-Maschine anzutesten; Ausreizen ist mit der Straßenverkehrsordnung in keinster Weise in Einklang zu bringen. Schon im ersten Gang beschleunigt die BMW M 1000 R bis 120 km/h.
Eine gehörige Portion Demut ist also mehr als angebracht, steigt man auf die Maschine, die Ducati Streetfighter V4 und MV Agusta Brutale 1000 die gemeinsame Power-Krone geklaut hat. 208 PS – Scusate Ragazzi, das reicht nicht mehr, um ganz oben auf dem Treppchen des Leistungs-Olymps zu stehen. Befeuert wird BMW M 1000 R vom modifizierten Vierzylinder-Reihenmotor der BMW S 1000 RR. 45 PS beträgt der M-Leistungsaufschlag gegenüber der S 1000 R. Das maximale Drehmoment von 113 Nm wird bei 11.000 Umdrehungen pro Minute erreicht (S 1000 R: 114 Nm bei 9.250 U/min). Die Maximaldrehzahl liegt nun bei 14.600 Touren an. Für gesteigerte Zugkraft am Hinterrad in allen Gängen sorgt zudem eine kürzere Sekundärübersetzung: Das Kettenrad hat hier 47 Zähne, zwei mehr als bei der S 1000 R. Außerdem sind die Getriebeübersetzungen des 4., 5. und 6. Ganges kürzer gewählt. Auch das zahlt auf die Zugkraft am Hinterrad ein. Und die ist – schlicht und ergreifend – aberwitzig.
So dürfte sich Warp-Antrieb anfühlen!
Bereits ab zirka 2000 Touren geht der Spaß los. Bis 4000 Touren zieht die M R an, wie man es erwartet. Gewaltig, bestimmt, kontrolliert, zielstrebig. Bis 6000 U/min schwillt der Sound merklich an, der Schub natürlich auch. Weiter dreht das M-Triebwerk – 8.000 Touren. Als Fahrer machst du dich längst klein, hältst dich konzentriert fest. Und behältst die Straße aufmerksam im Blick. Irgendwas im Weg? Nicht? Dann weiter! Bei 9.000 Touren übergibt die Drehmomentnocke an die Leistungsnocke. Noch mehr ShiftCam-Schub! Bei 11.000 U/min schalten die Ansaugtrichter um – von lang auf kurz. Jetzt reißt dich die Power fast auf dem M-Sattel! Bis 14.600 Touren versinkt die Welt um dich herum zu einem Lichtstrahl. So dürfte sich der Warp-Antrieb der Enterprise anfühlen!
Die pure Unvernunft, aber ein unfassbar grandioses Erlebnis
Verantwortungsbewusste Leser ahnen es: Wir sind längst auf der Rennstrecke unterwegs, quasi die Kirsche auf der M-Torte. Circuito de Almeria. Ansonsten ließe sich dieses Antriebs-Spektakel natürlich gar nicht erleben. Die Teststrecken rund um Almeria geben derartige Tempo-Orgien nicht her. Das Antriebs-Inferno, das BMW Motorrad mit seinem M-Roadster oberhalb von 9.000 Umdrehungen pro Minute zündet, ist die pure Unvernunft. Was auch sonst. Aber ein unfassbar grandioses Erlebnis. Ein Tanz auf der Rasierklinge, bei dem du nie das Gefühl hast, irgendetwas könnte schiefgehen. Schließlich kann die M R auch mit 50 km/h im sechsten Gang kreuzbrav durch die Stadt rollen. Was kann einem so ein Motorrad schon Böses wollen?
Der pure Irrsinn – dank einer Armada von Regelsystemen
Die M-Bremsen sind vermutlich das Beste, was es derzeit in dieser Liga gibt. Klar, auch eine Ducati V4 Streetfighter bremst wie Hölle. Eine Aprilia Tuono V4 auch. Genau wie Power Cruiser à la Triumph Rocket 3 oder Ducati Diavel. Was die neue Generation an Hyper-Nakeds mit der Fahrphysik anstellt, ist der pure Irrsinn. Und nur möglich, weil eine Armada von Regelsystemen dafür sorgt, dass dieser Überschuss an Vortrieb und Verzögerung überhaupt kontrollierbar ist. Das Know-how dahinter resultiert bei der M-Bremsanlage aus den Erfahrungen mit den BMW Motorrad Werksrennmaschinen in der Superbike-Weltmeisterschaft.
M Competition Paket mit Carbonrädern als Krönung des Machbaren
Zwei 320-mm-Bremsscheiben, jeweils fünf Millimeter dick, dazu eine neue Radial-Handbremspumpe und schwarz eloxierte Bremsscheibenträger aus Aluminium – die M-Bremsanlage markiert laut BMW Motorrad „derzeit die Spitze der Bremsenentwicklung“ im Bereich der straßenzugelassenen Hyperbikes. Glaube ich gern. Und klar: Niemand wird erwarten, dass es diese Technologie-Orgie zum Schnäppchenpreis gibt. Zumal die Zubehörliste lang ist und Begehrlichkeiten weckt.
Preisspanne von 22.600,-- bis über 33.000,-- Euro
CNC-gefräste Fußrastenanlage (810,-- Euro), Kühlerschutzgitter (47,-- Euro), Datenlogger inklusive GPS-Laptrigger (805,-- Euro), M Performance-Reifenwärmer (520,-- Euro), sogar ein M-Motorradteppich (250x105 cm, 136,-- Euro) ist dabei – es gibt so einiges, was sich auf den Basispreis von 22.600,-- Euro addieren lässt, womit die BMW M 1000 R dann flugs 33.032,-- Euro kostet. Allein das M Competition Paket mit Carbonrädern kostet 5.500,-- Euro extra. Aber nun: Es krönt den Spaß. Und die vollausgestattete BMW M 1000 R ist immer noch deutlich günstiger als eine Ducati Streetfighter V4 SP2 (ab 35.690,-- Euro). Die meisten Kunden dieses Motorrads wird es eh nicht kümmern.
Fazit BMW M 1000 R
Eine M 1000 R kauft man sich nicht als Alltagsbike, sondern aus tiefer Überzeugung, das derzeit stärkste Hyper-Naked-Bike der Welt besitzen und im besten Fall adäquat fahren zu wollen. Die zweiradgewordene Perfektion. Das technisch Machbare. Das Biest mit Manieren schlechthin. Und nichts anderes bekommt man auch für sein Geld.