Sie war einer der Hingucker auf der vergangenen Eicma, der wichtigsten Motorradmesse überhaupt. Jetzt kommt sie endlich auf die Straße: Yamaha hat im Großraum Lissabon die neue XSR900 GP präsentiert. Die Technik stammt weitgehend von der neuen Yamaha MT-09. Bedeutet: Der fulminante CP3-Motor darf eine weitere Modellvariante antreiben. Heureka!
An die frühen Grand-Prix-Zeiten von Yamaha erinnern. Und die „Faster Sons“-Philosophie feiern, mit der Yamaha seiner Markenhistorie frönt. Optisch zitiert die neue XSR900 GP legendäre 1980er-Rennbikes wie die YZR500. Kantiges Heck, grob genietete Aerodynamik-Bäckchen an der Frontverkleidung, knapp geschnittene Scheibe, Clip-on-Lenkerstummel mit Riser. Alles sehr stilsicher und ästhetisch. Dazu diese Hingucker-Lackierung! „Legend Red“ heißt die Launchfarbe in Weiß-Rot-Gelb. Das Rot kommt je nach Lichteinfall eher wie Orange rüber. Auch die passende Klamotten-Kollektion von Yamaha (unter anderem zweifarbige Lederjacke, Hoodie, T-Shirts) greift diesen Orangeton auf. Alternativ gibt es die XSR900 GP auch in „Power Grey“ (Dunkelgrau und Schwarz). Der Preis ist identisch: 13.499,-- Euro plus 400,-- Euro Liefernebenkosten, macht 13.899,-- Euro.
Das bietet sie
Betörende, stilsichere Optik. Ein tolles Fahrwerk. Herausragende Bremsen. Und einen grandiosen Motor. Ergibt in Summe ein begeisterndes Motorrad-Gesamterlebnis. Der hochgelobte Dreizylinder (CP3) erfüllt jetzt die Abgasnorm Euro 5+. 119 PS bei 10.000 Touren, 93 Nm bei 7.000 Umdrehungen pro Minute – wie in der neuen MT-09 reißt der bewährte CP3-Motor unter dir den Asphalt auf. Tipp aus eigener Erfahrung: Nur mit einem wirklich gut sitzenden Helm aufsteigen, sonst wringt ihn dir der Fahrtwind beim Gasgeben in den Nacken, sollte er auch nur einen Hauch zu groß sein. Die Beschleunigung der GP ist furios. Sie hängt hervorragend am Gas und entwickelt Druck in allen Lebenslagen. Sutsche kann sie bei Bedarf auch: Die Elastizität erinnert fast an einen Vierzylinder. Stadtverkehr und Ampelstaus macht der flüssigkeitsgekühlte Motor auch bei südeuropäischer Hitze klaglos mit.
Das kann sie
Richtig die Sau rauslassen auf Asphalt! Ausgezeichnete Bremsanlage, insgesamt fünf Fahrmodi (zwei davon individuell konfigurierbar), Fahrassistenzpaket – technisch ist die XSR900 GP voll auf der Höhe der Zeit. Die 6-Achsen-IMU steuert unter anderem das Kurven-ABS und die dreistufige, schräglagenabhängig regelnde Traktionskontrolle, das Slide-Control-System, die Wheelie-Kontrolle fürs Vorderrad („Lift Control System“) sowie die Bremskontrolle. Bei übermäßiger Motorbremsung regelt der „Back Slip Regulator“ (BSR) das Drehmoment und wirkt einem Blockieren des Hinterrads entgegen. Auch das Fahrwerk ist über jeden Zweifel erhaben: Deltabox-Rahmen, voll einstellbare Kayaba-Federelemente vorn und hinten, Bridgestone Battlax S23-Reifen – alles perfekt aufeinander abgestimmt. Die Bedienelemente kennen wir bereits von der neuen Yamaha MT-09. Bedeutet: Joystick und Tasten für die Menüführung, Blinkerwippe, Fahrprogrammtaste – alles sehr übersichtlich und ergonomisch gut platziert. Tempomat und das neue „All Quadrant Quickshift System“ sind Serie. Ab 15 km/h kann dank des neuen Blippers ohne Betätigen der Kupplung geschaltet werden. Rauf funktioniert das ab Drehzahlen über 2.000 Touren, runter bis 1.600 Umdrehungen pro Minute. Beim Beschleunigen kann auch unter Last zurückgeschaltet werden – butterweich, präzise, schnell. So soll das sein.
Das bleibt in Erinnerung
Dieses Gefühl, pfeilschnell unterwegs zu sein auf dem neuen Retro-Renner. De facto liefert die XSR900 GP die gleiche Leistung ab wie die neue MT-09. Aber die racing-orientierte Sitzposition und der Blick über die Retro-Verkleidung machen daraus ein ganz besonderes Fahrerlebnis. Die Kosten bleiben bei diesem exklusiven Fahrspaß erfreulich im Rahmen: Der offizielle Verbrauch liegt bei 5,0 Liter auf 100 Kilometer. Bei den Testfahrten in Portugal blieb mein Bike trotz durchaus herausfordernder Fahrweise sogar leicht darunter (4,9 Liter auf 100 km). Smartphone-Konnektivität inklusive Routenführung erspart ein separates Navisystem, für das auch nur schwerlich Platz zu finden wäre im puristischen Cockpit. Alle 10.000 Kilometer ruft Yamaha zur Wartung.
Fazit Yamaha XSR900 GP
Moderne Technik trifft legendäre Optik – dieses Konzept geht bei der XSR900 GP komplett auf. Yamaha feiert sich mit dem Retro-Racer selbst. Und erweitert seine „Faster Sons“-Familie um ein eindrucksvolles Motorrad. Die Hommage an frühe Grand-Prix-Bikes der Japaner ist ein Volltreffer – optisch und technisch. Eine wahrlich begehrenswerte Fahrmaschine!
Mal wieder typisch, dass die ganze Retro-Welle jetzt auch die Sportecke erreicht hat. Ich mein, klar, die Optik ist ne schicke Hommage an die 80er, aber die ganze Nostalgie kann doch nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass wir es hier eigentlich mit einer aufgeblasenen MT-09 zu tun haben. Ich für meinen Teil bleibe lieber bei den echten Klassikern, die nicht versuchen, auf zwei Hochzeiten zu tanzen.