Honda hat seinen Touren-Bestseller NT1100 an den entscheidenden Stellen optimiert. Das Ergebnis überzeugt auf ganzer Linie. Erster Fahrtest des 2025er-Modells im Hinterland von Malaga.
Manchmal sind es ja die kleinen Sachen, die für große Freude sorgen. Zum Beispiel 25 Millimeter mehr. Eine Daumenbreite, sozusagen. An der richtigen Stelle angeflanscht, machen diese 2,5 Zentimeter aus einem schnieken, schmalen Seitenkoffer, in den bislang kein Helm passte, einen schnieken, immer noch schmalen Seitenkoffer, in den problemlos ein Integralhelm passt. Und das mal zwei, weil beide Seitenkoffer um Daumenbreite zulegen – und damit in Summe serienmäßig acht Liter mehr Stauraum bieten. Beispiele wie diese zeigen, wie viel Feinschliff im Modellupdate der Honda NT1100 fürs Modelljahr 2025 steckt. Die neue NT-Generation ist drei Jahre nach dem Modellstart natürlich kein wirklich neues Bike, betont Honda, sondern eine „natürliche Evolution“. Oder auf Japanisch „O-mo-te-na-shi“, was frei interpretiert bedeutet, Kunden das bestmögliche Gesamterlebnis zu bieten.
Mondänes Reisen ermöglichen. Und weiterhin eine echte Alternative sein zu den allseits beliebten Adventure-Tourern. Mehr als 20.000 NT1100 hat Honda seit der Markteinführung anno 2022 in Europa verkauft. Drei Viertel davon sind wie unsere Testbikes mit dem Doppelkupplungsgetriebe DCT ausgestattet. 75 Prozent aller NT1100 übernehmen das Schalten also auf Wunsch selbsttätig – oder der Fahrer wechselt die sechs Gänge nach Belieben mittels fingerfreundlich platzierter Plus-/Minus-Tasten an der linken Lenkerarmatur. Die ist üppig bestückt mit allerlei Bedienelementen. Der Blinker sitzt dadurch recht tief. Anfangs erwischt man öfter mal die Hupe beim Richtungswechsel. Kupplungsgriff und Fußschalthebel: Fehlanzeige beim DCT-Testbike. Die beiden gibt es nur bei der konventionellen Getriebevariante (ab 14.990,-- Euro inklusive Überführung), die beim Fahrtest in Malaga außen vor war.
Das bietet die Honda NT1100
Zahlreiche Detailverbesserungen und vor allem: mehr Elektronik. Optional gibt es jetzt das mitdenkende Showa-EERA-Fahrwerk (ab 17.490,-- Euro), das alle 15 Millisekunden elektronisch die Federung anpasst und seine Sache ausgezeichnet macht: Bodenwellen bügelt es einfach glatt. Je nach Beladung (Beifahrer, Gepäck) können insgesamt vier Preload-Stufen angesteuert werden. Serienmäßig an Bord ist jetzt eine Sechs-Achsen-Sensormesseinheit (IMU). Das elektronische Superhirn stimmt das Handling auf die Fahrweise ab. Dafür orchestriert es unter anderem das Zusammenspiel von DCT, ABS und Traktionskontrolle (samt elektronischem Fahrwerk, so vorhanden) und greift bei Bedarf auch schräglagenabhängig ein. Bei mittleren Drehzahlen ist jetzt mehr Dampf auf dem Zweizylinder-Kessel: 8 Newtonmeter mehr bei 750 Umdrehungen weniger bescheren der NT1100 die gleiche Leistung wie der bereits modellgepflegten Honda CRF1100L Africa Twin (102 PS, 112 Nm).
Die feingeschliffene Front besticht mit neuem LED-Tagfahrlicht samt integrierten Blinkern – sehr stylisch, sehr modern, sehr auffällig. Der wirksame Windschild ist neu geformt: Er läuft unten jetzt spitzer zu, das lässt die Front insgesamt harmonischer wirken. Endlich kann der Windschutz auch während der Fahrt neu justiert werden: Führungsknubbel mit der linken Hand leicht nach außen ziehen, dann geht es fünfstufig rauf beziehungsweise runter (167 mm insgesamt). Ein echter Gewinn. Wie der Sitzkomfort: Die Sitzbank ist jetzt hinterm Fahrer etwas breiter und komfortabler, Honda verspricht 20 Prozent mehr Sitzfläche. Die Sitzhöhe beträgt unverändert standfeste 820 mm. Das vordere Schutzblech hat Honda nach unten verlängert, das soll den Spritzschutz verbessern. Glauben wir einfach mal, bei uns schien die Sonne.
Das kann die Honda NT1100
Sehr komfortabel Strecke machen und richtig schnell unterwegs sein, wenn man es darauf anlegt. Das überarbeitete DCT ist jetzt an die IMU gekoppelt. Bedeutet: Auch in Kurven und beim Herausbeschleunigen funktionieren die automatisierten Schaltvorgänge ausgezeichnet. Sportlich ambitionierte Fahrer wählen am besten die Einstellung S2 und konfigurieren sich einen der beiden User-Modi wie folgt: P (wie Power) auf Stufe drei von drei, EB (wie Engine Brake/Motorbremse) auf eins von drei, T (wie Traktionskontrolle) auf eins von drei. Alternativ sorgt auch 3/2/1 für eine höchst erbauliche Fahrt. Voreingestellt gibt es drei Fahrprogramme: Rain (Regen), Tour und Urban. Auch diese können individuell angepasst werden. Wer im Standardmodus D (Drive) unterwegs ist, darf sich über sanfte Schaltvorgänge und geschmeidiges Ansprechverhalten bei Schritttempo freuen.
Das bleibt in Erinnerung
Die mondäne Art der NT1100. Alles an diesem Motorrad wirkt durchdacht und ist wertig gemacht. Einzig an den Spaltmaßen der geschlossenen Seitenkoffer könnten Pingel rummäkeln: Die waren an den Testbikes nicht zu 100 Prozent gleichmäßig. Vermutlich fällt das noch unter den Vorserienstandard. Dafür machen die neuen Scheinwerfer auch im Rückspiegel richtig was her: Sie schärfen die Front und verleihen der NT1100 eine gehörige Portion Überholimage. Die überarbeitete Dual Clutch Transmission arbeitet im D-Modus jetzt unauffällig wie die Achtgangautomatik eines Gran-Turismo-Coupés. Wählt man einen der drei S-Modi an, verschärft sie ihre Gangart erheblich – und macht aus dem Komfort-Tourer ein souveränes Sportbike, das bei Bedarf auch beherzt zwei Gänge zurückschaltet. Der Testverbrauch lag bei 5,4 Liter auf 100 Kilometer. Offiziell beträgt er 5,0 Liter/100 km gemäß WMTC. Passt.
Fazit Honda NT1100 (2025)
Honda hat die Kundenrückmeldungen und Testanmerkungen zur NT1100 optimal umgesetzt. Das 2025er-Touren-Pendant der Africa Twin ist ein rundum gelungenes Bike, erst recht mit DCT und elektronischem Fahrwerk. Für Langstreckenfahrer und Vielreisende eine echte Empfehlung. Die DCT-Variante gibt es ab 16.090,-- Euro. Ein sehr moderater Preisaufschlag von 100,-- Euro im Vergleich zum 2024er-Jahrgang.