Dabei gab sich die Geschäftsführung vor einigen Tagen noch optimistisch, obwohl der Schuldenberg mit 1,8 Milliarden Euro gigantisch hoch war und der Absatz allein im ersten Halbjahr 2024 um 21,2 Prozent einbrach. KTM brauchte dringend einen Überbrückungskredit von angeblich 250 Millionen Euro, doch KTM-Boss Stefan Pierer ist es nicht gelungen, noch Geldgeber zu finden. Die Gespräche mit Bajaj Auto, die zu 49,9 Prozent an der KTM AG beteiligt sind (Pierer hält 50,1 Prozent an der Pierer Bajaj AG), haben nicht zum Erfolg geführt. Der milliardenschwere indische Konzern scheint nicht bereit zu sein, das Risiko einzugehen. Kurzzeitig kam das Gerücht auf, dass der Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz mit einer Geldspritze einspringen würde, aber das wurde umgehend dementiert. Dabei ist Red Bull seit Jahrzehnten mit KTM durch Sponsoring eng verbunden, und Pierer hat erst dieses Jahr mit Mateschitz zusammen die PiMa Beteiligungsverwaltung gegründet. Am 25. November verkündete Stefan Pierer dann, dass KTM ein Insolvenzverfahren in Eigenregie anmelden muss – pikanterweise an seinem Geburtstag.
90 Tage Zeit für Sanierungsplan
Die Pierer Industrie AG hat am 25. November ein europäisches Restrukturierungsverfahren gemäß der Restrukturierungsordnung (ReO) eingeleitet.
Die KTM AG hat am 29. November ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eingeleitet. Das hat die Besonderheit, dass nur bestimmte Gläubiger betroffen sind und andere Verbindlichkeiten, wie z. B. an Zulieferer, weiterhin bedient werden. KTM hat ab dann 90 Tage Zeit, mit den Gläubigern einen Sanierungsplan zu vereinbaren, dabei muss den Gläubigern aber mindestens eine Quote von 30 Prozent angeboten werden. Die KTM AG nahm diesbezüglich Stellung: „Durch eine Redimensionierung der Gruppe soll nicht nur der Bestand der KTM-Gruppe nachhaltig gesichert, sondern auch die Basis geschaffen werden, erstarkt aus dem Verfahren zu kommen.“ Auch die Tochterunternehmen KTM Components und KTM F&E (Forschung & Entwicklung) haben Insolvenz angemeldet, was mit den Marken Husqvarna, Gasgas und MV Agusta passiert, wurde noch nicht kommuniziert.
130.000 KTMs auf Halde
Die Lage ist noch viel ernster, als KTM zunächst zugeben wollte; etwa 130.000 Motorräder für rund 1,4 Milliarden Euro stehen auf Lager, manche davon noch aus den Modelljahren 2023 und 2022. KTM erwartet für 2024 ein negatives Jahresergebnis im hohen dreistelligen Millionenbereich. Die Geschäftsführung hat auf die Missstände zu spät reagiert, und erst im ersten Halbjahr 2024 die Produktion im Werk Mattighofen um 32,1 Prozent gedrosselt, leider ging das mit bislang rund 600 Entlassungen einher. KTM hat angekündigt, dass die Bänder den gesamten Januar und Februar stillstehen und die Angestellten Zuhause bleiben werden. 300 weitere Jobs werden in der Motorradmontage entfallen. Über ein Modell von freiwilligem Urlaub und Kurzarbeit sollen die meisten der rund 4.700 verbleibenden Mitarbeiter gehalten werden, die Löhne und Gehälter für November sowie das Weihnachtsgeld der Mitarbeiter können aber nicht gezahlt werden. Die Kurzarbeit von 30 statt 38 Wochenstunden zu Beginn des nächsten Jahres bedeutet für die Mitarbeiter einen Lohnverzicht von rund 20 Prozent. Im März wird die Produktion dann in einem Ein- statt Zweischichtbetrieb wieder anlaufen. Dadurch soll 2025 und 2026 die Betriebsleistung um eine Milliarde Euro sinken.
Vier KTM-Geschäftsführer weniger
Auch an der KTM-Konzernspitze gab es einen Kahlschlag, sie wurde von sechs auf zwei Köpfe reduziert. Neben CEO Stefan Pierer bleibt noch Gottfried Neumeister, der erst im September in die Geschäftsführung berufen wurde. Allerdings verbleiben mindestens zwei weitere bisherige KTM-Führungskräfte in ihren Funktionen bei den Konzerntöchtern, so ist Hubert Trunkenpolz, Enkel des KTM-Gründers Hans Trunkenpolz, weiterhin Vorstand Brand-Management im Racing-Bereich. Alexander Pierer, Sohn des KTM-Chefs, bleibt Vorstand „Digitalisierung und Innovation“ der KTM AG und Geschäftsführer des zu Pierer Mobility gehörenden Designunternehmens Kiska. Zusammen mit Neumeister hielt Stefan Pierer am 25. November eine Ansprache per Video, in dem er sich kämpferisch gab. Er setzte dabei auf die vielen KTM-Fahrer und die Leidenschaft seiner Mitarbeiter, um die Marke zu erhalten. Neumeister sagte allerdings auch, dass sie ihre Motorräder zuverlässig und robust bauen, doch genau im Punkt Zuverlässigkeit hakte es bei den letzten Modelljahren bedenklich.
Rabattschlacht bei den KTM-Händlern
Die deutschen KTM-Händler versuchen geradezu verzweifelt, mit sehr hohen Rabatten nicht nur die aktuellen, sondern auch viele wie Blei in den Showrooms stehende Neufahrzeuge von 2023 und sogar 2022 loszuwerden. Nachlässe von bis zu 25 Prozent und bundesweite Gratisauslieferung werden angeboten. Doch den Bikes haftet der Ruf der Unzuverlässigkeit an. Es gibt erboste Kunden, die von fest gegangenen Motoren und zerbröselten Getrieben berichten. KTM hat sich selbst in eine Sackgasse gefahren, durch eine riskante Überproduktion und mangelnde Qualitätskontrolle.
Motorsport wird stark zurückgefahren
Das KTM-Firmenmotto lautet „Ready to Race“, aber hinsichtlich des Motorsport-Engagements wird es auch „brutale Einschnitte geben“, wie Motorsportchef Pit Beirer erklärte. Husqvarna und Gasgas werden nicht mehr in den einzelnen GP-Klassen teilnehmen, das MotoGP-Team von KTM soll aber erhalten bleiben. „Der Fokus im Sport wird wieder auf der Kernmarke KTM sein“, sagte Hubert Trunkenpolz. Bleibt die Frage, wie viel Geld KTM noch in der Lage ist, in die Entwicklung der RC16 und das MotoGP-Werksteam zu pumpen, um konkurrenzfähig zu bleiben. KTM hofft auf den positiven Effekt der MotoGP für den Fahrzeugverkauf, aber wenn sie keine Rennsporterfolge vorweisen können, hätte sich die Investition nicht gelohnt und das Geld besser verwendet werden können.
Schwierige Situation
Es wird für KTM nicht leicht sein, aus der schwierigen Situation herauszukommen. Das Problem liegt nicht nur in den stark sinkenden Verkaufszahlen, sondern auch in den immensen Schulden. So musste KTM in den vergangenen Monaten viele Händler wegen der hohen Lagerbestände finanziell stützen. Vor allem aber muss KTM die 100.000 unverkauften Motorräder bald losschlagen, um überhaupt wieder liquide zu werden.
Der Schuldenberg wird höher und höher (Update vom 02.12.2024)
Nachdem am Freitag die Insolvenz in Eigenregie eröffnet wurde, kam heraus, dass KTM sogar 2,9 Milliarden Euro Schulden hat. Zu den 1,8 Milliarden Euro der KTM AG kommen noch die Verbindlichkeiten der KTM Components GmbH und KTM F&E GmbH dazu. Es sind rund 2500 Gläubiger. Allein die Banken fordern von der KTM AG insgesamt 1,3 Milliarden Euro.
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