Fahrbericht Yamaha Tracer 9 GT+ – Die fährt fast von allein

Yamaha hat sein Leuchtturmbike Tracer 9 GT+ mächtig aufgewertet. Das Zusammenspiel von Radar, Bremse, Matrix-LED und Y-AMT erschafft im Test eine neue Fahrwelt.
Fahrbericht Yamaha Tracer 9 GT+ – Die fährt fast von allein
Fahrbericht Yamaha Tracer 9 GT+ – Die fährt fast von allein Der Sport-Touring-Reifen Bridgestone T32 passt ganz hervorragend zur Tracer 9 GT+. Er liefert vorzügliche Rückmeldung, speziell fürs Vorderrad. Auch auf nassen Kopfsteinkehren schlug er sich bei der Testfahrt formidabel
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14.05.2025
| Lesezeit ca. 6 Min.
Francesc Montero
Komm schon, lass los. Bestimmt schon mal gehört, oder? Abends vor dem Fernseher? In der Werbepause. Klingelt’s? Diese vier Worte spricht eine in Würde gereifte Lady gelassen aus, als sie ihrer etwas verkniffen wirkenden Freundin beim Yoga indirekt zur Damenbinde rät. Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet jetzt an diese recht würdelose Werbung denken muss. Vermutlich, weil Loslassen in diesem Augenblick auch bei mir eine verheißungsvolle Option ist: Einfach mal den Lenker loslassen und das Bike machen lassen.
infotainment
Yamaha hat zur ersten Präsentation der neuen Tracer 9 GT+ geladen, Topmodell der beiden Sport-Tourer-Baureihen Tracer 7 und Tracer 9 und technisches Leuchtturmbike der Marke. Und ja, die Hände gehören natürlich immer rechts und links an den Lenker beim Motorradfahren, schon klar. Aber theoretisch wäre loslassen hier eine Option. Denn die neue Yamaha Tracer 9 GT+ bringt im Grunde alles mit, was es braucht, um teilautomatisiert zu fahren. Zehn Assistenzsysteme spielen sich dafür in die Hände, deutlich mehr als bei der jüngst präsentierten Tracer 9 GT mit 6-Gang-Schaltgetriebe. Teils sind es alte Bekannte, teils neue Mitstreiter. Gehen wir die Fahrassistenten einfach mal durch.

Frontradar und ACC

Yamaha Tracer 9 GT+
Mehr Sportler als Tourer? Die Frage muss sich jeder selbst beantworten. Die neue Yamaha Tracer 9 GT+ beherrscht beide Disziplinen
Da wäre zum einen das Millimeterwellen-Radar vorn in der Front. Hatte die Tracer 9 GT+ vorher auch schon, stimmt, aber jetzt geht der adaptiven Geschwindigkeitsregelanlage, die daran gekoppelt ist, auch noch ein Überholassistent zur Hand. Setzt der Fahrer den Blinker und dann zum Überholen an, beschleunigt die Tracer 9 GT+ sanfter als sonst, wenn sie aufs eingestellte Tempo eilt. Das soll verhindern, dass man dem Vordermann zu sehr auf die Pelle rückt beim Rausziehen. Der konstante Abstand zum Vorausfahrenden lässt sich über eine Taste rechts am Lenker vierstufig einstellen. Faustregel: Je weniger Balken das TFT-Display anzeigt, desto geringer der Abstand. Ändert der sich, beschleunigt die Adaptive Cruise Control (ACC) selbstständig oder bremst – erst per Motorbremse, dann auch per realem Bremseingriff, beides wohldosiert und effektiv.

Neuer Bremsassistent mit zahlreichen Funktionen

Für das generelle Ankern ist jetzt das neue radargestützte Unified Brake System (UBS) zuständig. Dieser neue Bremsassistent nutzt wie die ACC die Daten des Frontradars und dazu die Informationen der 6-Achsen-Sensormesseinheit (IMU), die sämtliche Aktionen des Yamaha-Flaggschiffs orchestriert. Das neue Bremssystem unterstützt und reguliert die Bremskräfte an Vorder- und Hinterrad über ein Hydraulikaggregat von Bosch, das die Steuerung und Bremskraftverteilung des Bremssystems optimieren soll.
TFT-Display
Sieben Zoll ist ganz schön groß: Das TFT-Display macht mit seiner amtlichen Bildschirmdiagonale (knapp 18 cm) und der scharfen Auflösung echt was her. Drei Themen fürs Design der Anzeigenoberfläche hat Yamaha kreiert – plus separater Routenführung
Die radargestützte Kombibremse funktioniert zusätzlich zur Bremskontrolle, die auch die Tracer 9 GT ohne Radar hat. Und: Sie arbeitet auch, wenn das ACC nicht eingeschaltet ist. Erkennt das Frontradar vor dem Bike ein Hindernis, etwa ein langsames oder abgestelltes Fahrzeug, schlägt es unübersehbar Alarm auf dem neuen 7-Zoll-TFT – und bereitet schon mal die Bremsleitung vor für einen beherzten Eingriff. Bremst der Fahrer aus Sicht des Systems zu zögerlich, hilft es nach, um eine Kollision möglichst auszuschließen. Wichtig dabei: Es ist ausdrücklich kein Kollisionsvermeidungs- oder Notbremssystem, betont Yamaha.
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Kombibremse mit Kurvenbremskontrolle

Ein weiteres Bremsfeature ist die Bremskraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterrad. Benutzt der Fahrer nur die Vorderradbremse, bremst die Hydraulikeinheit automatisch auch das Hinterrad mit ab. Wie stark dies geschieht, wird anhand der IMU-Daten berechnet, die Informationen zu Beschleunigungsänderungen und Schräglagenwinkel liefern. Wird nur die hintere 267-mm-Scheibe bemüht, bremst das System manchmal – aber nicht immer – auch das Vorderrad (2 x 298-mm-Scheiben) mit ein, je nach Betätigungskraft des Bremspedals und IMU-Datenlage über den Fahrzustand des Motorrads. Über die Kurvenbremskontrolle passt das System zudem die Bremskräfte des Fahrers augenblicklich an, um ein Reifenrutschen zu verhindern. On top ist die radargestützte Kombibremse auch mit den elektronisch gesteuerten KYB-Federelementen verbunden: Sie unterstützt und reguliert die Bremskräfte vorn und hinten und passt die Dämpfung der vorderen und hinteren Federelemente an, damit das ABS immer arbeitet, unabhängig davon, ob die Bremsensteuerung (BC) eingeschaltet oder ausgeschaltet ist.

Toter-Winkel-Erkennung übers Heckradar

Heckradar
Neu an Bord der Tracer 9 GT+: das Heckradarsystem unterhalb des Rücklichts. Es versorgt den Toter-Winkel-Assistenten mit Informationen über den rückwärtigen Verkehr
Neu unter dem Rücklicht ist das hintere Millimeterwellen-Radar. Nähert sich von hinten ein Fahrzeug im toten Winkel, leuchtet im Seitenspiegel ein kleines orangefarbenes Symbol auf. Kommt der Hintermann zügig angerauscht, blinkt das Warnsymbol zusätzlich auf, damit der Fahrer jetzt bloß nicht ausschert. Das funktioniert auf der Straße einwandfrei und nervt erfreulicherweise nicht die Bohne. Unauffällig, aber effektiv verrichten auch die serienmäßigen Reifendruckkontrollsensoren ihren Dienst. Über das große Farbdisplay hat man den Luftdruck vorn und hinten permanent im Blick.
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Bedienelement mit Schaltwippen

Lenkerbedieneinheit
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts: Einen Kupplungshebel samt Schalthebel gibt es nicht an der Tracer 9 GT+. Sie kommt serienmäßig mit dem neuen Getriebe Y-AMT. Das schaltet entweder voll automatisch oder manuell über kleine Wippen in der linken Lenkerbedieneinheit
Überhaupt, das neue Display. Über das Fünf-Wege-Kreuz in der linken Lenkerarmatur ist es einfach zu bedienen. Logik und Menüführung kennt man von anderen neuen Yamaha-Modellen, allen voran natürlich das Schwestermodell 9 GT (ab 16.049,-- Euro). Die Schaltwippen für das automatisierte Getriebe Y-AMT kennen wir bereits von der MT-09, die grundsätzliche Logik auch. Geschaltet wird entweder rein automatisch (AT) oder eben per Finger (MT). Im manuellen Betrieb gibt es drei konfigurierte Fahrmodi (Street, Sport, Regen) und zwei frei komponierbare. Im Automatikmodus bleibt die Wahl zwischen D (entspricht Street) und D+ (analog Sport). Zum Wechseln der Fahrprogramme muss der Gasgriff kurz geschlossen werden. Das irritiert anfangs, weil man es von anderen Fabrikaten meist anders kennt, ist letztlich aber nur eine Frage der Gewohnheit.

Feineinstellung nur im Stand

Die Feineinstellung der einzelnen Fahr- und Powermodi funktioniert nur im Stand. Jedem Fahrprogramm kann individuell eine Fahrwerkseinstellung zugeordnet werden: sportlich oder komfortabel, ganz nach Belieben. Zum Granturismo-Anspruch des Hightech-Bikes passt die Komfort-Abstimmung für meinen Geschmack einen Tick besser. Unabhängig davon ist die Tracer 9 GT+ aber auch ein formidables Sportbike – trotz (manche sagen auch wegen) der aufrechten Sitzposition und des breiten Lenkers.
Windschild
Hooooch hinaus will die neue Verkleidungsscheibe. Der Windschild lässt sich elektrisch um 100 mm in die Höhe fahren. Der Wetterschutz dahinter ist ausgezeichnet, so man nicht deutlich größer ist als 1,80 m
Der Wind- und Wetterschutz hinter dem elektrisch verstellbaren Windschild (+ 100 mm) ist – wie bereits bei der Tracer 9 GT berichtet – ausgezeichnet, die Sitzposition ausgesprochen komfortabel. Unser Testride war amtliche 340 Kilometer lang. Nach dem Absteigen war davon nichts zu spüren. Der neue Doppelsitz hat daran erheblichen Anteil. Nette Geste: Beim Einschalten der Zündung wird die semi-aktive Federung 30 Sekunden lang auf weich gestellt. Dadurch geht die GT+ beim Aufsteigen ein wenig runter – und anschließend unmerklich wieder hoch. Beim Fahren ist das elektronische Fahrwerk kaum zu toppen. Selten macht es so viel Spaß, einfach mal über Gullideckel zu bügeln. Schlucken die KYB-Elemente einfach weg. Genau wie rissigen Asphalt und andere Nickeligkeiten.

Sparsamer Verbrauch, sportliche Leistung

CP3-Dreizylinder
Hurtig, hurtig: Der Motor ist ein alter und bewährter Bekannter. Der CP3-getaufte Dreizylinder leistet in der Tracer 9 GT+ wie gehabt 119 PS und 93 Nm
Der Spritverbrauch überrascht: 4,9 Liter auf 100 km genehmigte sich mein Testbike. Laut Datenblatt veranschlagt Yamaha 5,0 Liter/100 km. Angesichts der bekannten CP3-Performance der Tracer 9 ist das aller Ehren wert. 119 PS und 93 Nm stehen zur Verfügung. Bei den unverkleideten CP3-Geschwistern MT-09 und XSR900 liegt die Triple-Power für meinen Geschmack etwas explosiver an. Da spürt man dann den fehlenden Windschutz und das geringere Gewicht. Das alternativlose Y-AMT-Getriebe (6-Gang-Schaltgetriebe gibt es nur für die GT) macht seine Sache ausgezeichnet: In 85 bis 90 Prozent der meist schön sanften Schaltvorgänge im AT-Modus hätte ich vermutlich auch den Gang gewechselt. Wer im Automatikmodus manuell nachhelfen will, kann jederzeit per Schaltwippe das Kommando übernehmen. Oder halt loslassen und die GT+ machen lassen.
 Pro
  • Matrix-LED-Scheinwerfer
  • komplettes Assistenzpaket inkl. Abstandsradar
  • semi-aktives Fahrwerk
  • Y-AMT-Getriebe
  • elektrisch verstellbarer Windschild
 Contra
  • Fahrmodi nur mit geschlossenem Gasgriff wechselbar
  • Bedienmenü während der Fahrt teilweise gesperrt
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Yamaha Tracer 9 GT+ - Baujahr: 2025
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