Richtig, Anglizismen sind furchtbar. Sie klingen toll und bei ihrem Gebrauch schwingt etwas vermeintlich Jugendliches und Modernes mit. Das ist bei den sogenannten Crossover-Bikes ganz genau so. Wer damit angefangen hat, weiß keiner so ganz genau, unstrittig jedoch, dass eines der allerersten Motorräder dieser Kategorie wohl die Yamaha TDM 850 von 1991 war. Zwei Jahre später kam die BMW F 650 auf den Markt, deren „F“ in der Modellbezeichnung für Funduro stand. Eine
Mischung aus Funbike und Enduro. Genau genommen sind die heutigen Crossover-Motorräder die Sporttourer von einst, nur eben mit einem Hauch mehr Federweg und einer aufrechteren Sitzposition.
Die Mischung macht's
Oder eine Mischung aus Tourer, Sportler und Allrounder. Vor allem aber verbinden sie das Beste aus diesen drei Welten. Sie besitzen touristische Eigenschaften, sind aber nicht so schwer wie ein Tourer. Sie haben oft dieselben Triebwerke wie Sportmotorräder, jedoch ohne deren oft unbequeme Fahrerhaltung. Im Alltag sind sie genauso flexibel wie Allrounder, bieten dazu jedoch eine Portion Tourentauglichkeit. Was sie dann von den noch beliebteren Reiseenduros unterscheidet? Mit meist 17-zölligen Gussrädern und kürzeren Federwegen verzichten die Crossover-Boliden auf trügerische Geländeambitionen, die eh nur ganz wenige Eingefleischte in Anspruch nehmen. Der Wegfall der Geländeoption, die ohnehin so gut wie niemand braucht, macht sie dafür gerne auch mal günstiger.
Was passt zu mir?
Also wie immer: erst einmal über sich selbst Gedanken machen. Wie fahre ich, wohin und wie lange? Dann sollte man sich fragen, ob man eher der sportlich quirlige oder gemütliche Typ ist. Also erst mal ähnliche Dinge wie bei den Top 10 der Reiseenduros. Es gilt quasi, zunächst seine eigenen Interessen und Charakterzüge zu hinterfragen. Anschließend finden sich zu jeder Rubrik ein paar passende Vertreter, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Erst überlegen, dann kaufen
1. Fahrertyp – was bin ich? | - Der Superschnelle, der auch mal auf die Rennstrecke möchte?
- Der Schnelle, der auf der Landstraße gerne mal das Messer zwischen die Zähne nimmt?
- Der Normale, der gerne mal zügig unterwegs ist?
- Der Gemütliche, der keine Topleistung braucht und dafür die Welt genießt?
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- 2. Ausstattung – was brauche ich?
| - Einfachheit, so wenig Schnickschnack wie möglich?
- Gesunde Mischung, gerne komfortabel, aber in Maßen?
- Komfort, alles was man haben kann?
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3. Alltag und Reisen – was mache ich? | - Wie nutze ich mein Motorrad im Alltag und auf Reisen (2–8 Tage)?
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4. Preis/Stammtisch – Budget und Gruppendynamik | - Möchte ich einen preiswerten Alleskönner?
- Was sagt der Schwarm?
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Die Super-Heizer
Leistung, Leistung und noch mal Leistung. Je mehr, desto besser. Und Aussehen. Dafür verzichtet der Bolidentreiber auf Komfort, gibt gerne ein paar Euro mehr aus, möchte auf der Rennstrecke, am Motorradtreff und am Stammtisch glänzen.
BMW M 1000 XR
Das Mega-Gerät mit 201 PS hat alle digitalen und technischen Finessen an Bord. Mit ihr lässt es sich auf der Renne glänzen und am Stammtisch ohnehin. Ob man die Leistung auch auf die Straße bringt, ist eine andere Frage, der abrufbare Wums dagegen unfassbar. Und der Preis auch, zwischen 26.000,-- und 31.000,-- Euro (mit Sonderzubehör) werden fällig.
Leistung | 201 PS (147,9 kW) bei 12.750 U/min, 113 Nm bei 11.000 U/min
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Gewicht
| 223,2 kg (fahrfertig)
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Tankinhalt | 20 Liter |
Ausstattung | Kurven-ABS, Wheelie-Kontrolle, schräglagenabhängige Traktionskontrolle, Kurvenlicht, Fahrmodi, Reifendruckkontrollsystem, Slide-Control, Schaltassistent/Quickshifter, Motorschleppmomentregelung, Tempomat, Berganfahrhilfe, Heizgriffe
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Preis ab | 26.160,-- Euro zzgl. Nebenkosten
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Technisches Datenblatt | Alle technischen Details zur BMW M 1000 XR |
Neuvorstellung | Bikevorstellung: BMW M 1000 XR – Bruder Leichtfuß
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Test/Fahreindrücke
| BMW M 1000 XR – Supersportler im Tourengewand – Test-Telegramm
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Video | 201 PS Leistung! BMW M 1000 XR im Test!
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Ducati Multistrada V4 RS
Die sportlichste Maschine der Multistrada-Palette bringt nicht nur optisch die MotoGP auf die Straße. Motorseitig ist sie mit 180 PS gesegnet und das Drumherum mit allem, was so richtig schnell und edel macht. Für die Rennstrecke ließen sich mittels Rennauspuff weitere 12 PS aufsatteln. Der Preis? Auch edel. 37.390,-- Euro.
Bimota Tesi H2 Tera
In Exklusivität unschlagbar. Die kürzlich erstmals gezeigte Tera ist die neueste Entwicklung aus der Zusammenarbeit mit Kawasaki. Befeuert vom aufgeladenen Reihenvierer der Ninja H2, gibt Bimota den Achsschenkel-Brüller mit 200 PS an. Elektronisch soll sie komplett alles an Bord haben, was geht, der Preis dürfte gut über 30.000,-- Euro liegen.
Leistung | 200 PS (147,2 kW) bei 11.000 U/min, 137 Nm bei 8.500 U/min
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Gewicht
| 214 kg (trocken)
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Tankinhalt | 22 Liter |
Ausstattung | Kurven-ABS, Traktionskontrolle, Schaltassistent/Quickshifter, Tempomat
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Preis ab | nicht bekannt |
Technisches Datenblatt | Alle technischen Details zu Bimota Tesi H2 Tera |
Die schnellen Eiligen
Leistung? Natürlich! Aber nicht auf Teufel komm raus. Die Eiligen sind gerne mal unvernünftig, sammeln kräftig Punkte und Strafzettel, verschulden sich aber nicht über Gebühr beim Motorradkauf.
BMW S 1000 XR
Ganz ehrlich? Reicht dicke. Mit Schwester S ist man genau genommen nur minimal langsamer als mit der exquisiten M-Version. Und das auch nur, wenn Profis auf der Rennstrecke den Apparat bewegen. Neben dem Preis- und Gewichtsunterschied ist die Ergonomie auf der S weniger vorderradorientiert.
KTM 890 SMT
Der österreichische Beitrag zum Thema Crossover ist natürlich deutlich sportlicher als vergleichbare Modelle und würde ohne Weiteres in die Supermoto-Reihe passen. Ihre Auslegung zielt daher deutlich Richtung rasante Bergetappe und weniger auf entspannte Anreise auf der Bahn. Gepäck geht trotzdem und eine zumindest kurze Reise verträgt sie allemal.
MV Agusta Turismo Veloce RC SCS
Fein gemacht, sportlich mit viel italienischem Chic und Charme. Die Turismo Veloce gibt es in drei Versionen. Die R als Basisversion, die Lusso SCS mit Smart-Clutch-System (einer Recluse-Kupplung, die Anfahren ohne Kupplungshebel ermöglicht) und semiaktivem Fahrwerk und die RC SCS obendrein noch mit einer knackigen Lackierung und etwas höherer Scheibe.
Die Normalen
Ja, fahren schon auch schnell, lassen es aber im Großen und Ganzen mit Bedacht angehen. Hier kommt die breite Masse mit vielen Topgeräten voll auf ihre Kosten.
BMW F 900 XR
Eine gute Stufe unter den 1000er-Boliden rangiert die 900 XR. Vor allem der Motor ist gelungen, der zwischen sanft und stürmisch alle Spielarten klasse beherrscht. Der Arbeitsplatz ist bei durchschnittlicher Größe ergonomisch gut gelungen. Für größere und kleinere Piloten gibt es entsprechende Sitzpolster ohne Aufpreis. Ja und alles andere kostet wie üblich bei BMW eben extra.
Triumph Tiger Sport 800
Die neue, größere Variante der 660er-Tiger Sport sattelt nicht nur knapp 140 Kubik und 20 Nm mehr auf den Dreizylinder, sondern obendrein noch dicke 34 PS auf nun 115 Pferde. Optisch sind die beiden weitestgehend identisch. Die 800er hat allerdings einen größeren Tank (18,6 statt 17,2 Liter) sowie eine einstellbare Gabel und wiegt dabei nur gut sieben Kilo mehr.
Suzuki GSX-S1000GX
Im Vergleich zur Sporttourer-Version GT hat die Crossovervariante GX nicht nur größere Federwege, sondern auch die volle Packung an digitalen Helferlein – dazu gehört ein semiaktives Fahrwerk sowie ein schräglagenabhängiges ABS- und Traktionskontrollsystem. Geblieben ist der selige und beinahe 20 Jahre alte K5-Motor, der hier 152 PS leistet und im Stand mit 97 dB etwas laut tönt.
Leistung | 152 PS (111,9 kW) bei 11.000 U/min, 106 Nm bei 9.250 U/min
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Gewicht
| 232 kg (fahrfertig)
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Tankinhalt | 19 Liter |
Ausstattung | Kurven-ABS, Wheelie-Kontrolle, schräglagenabhängige Traktionskontrolle, Fahrmodi, semiaktives Fahrwerk, Schaltassistent/Quickshifter, Tempomat
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Preis ab | 17.600,-- Euro zzgl. Nebenkosten
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Technisches Datenblatt | Alle technischen Details zu Suzuki GSX-S1000GX |
Neuvorstellung | Suzuki GSX-S1000GX – Neue Farbe, neuer Preis
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Test/Fahreindrücke
| Suzuki GSX-S1000GX – Crossover mit Sportlerherz
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Video
| Video: Suzuki GSX-S1000GX - Crossover mit Sportlerherz?!
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Die Gemütlichen
Hier steht das Fahrerlebnis an erster Stelle und nicht die letzte Rille. Vernünftige Kradler, die sich nicht ständig messen und beweisen müssen.
Honda NC750X
Noch immer kein Glanzpunkt an Sportlichkeit und auch keine Augenweide, dafür grundsolide und gut. Die NC ist keine Diva, sondern der Typ Kumpel fürs Leben. 59 PS, 216 Kilo mit vollem 14-Liter-Tank und ein Verbrauch von deutlich unter vier Litern. Praktisch Opas 240er-Diesel-Daimler.
Moto Guzzi V85 Strada
Von Haus aus als Reiseenduro konzipiert, macht die Variante „Strada“ der 850er mit Gussfelgen und Gewichtseinsparung durch Weglassen einen Satz in Richtung Crossover. Die neue variable Ventilsteuerung lässt sie etwas kraftvoller aus der Mitte kommen, beschleunigt die 226 Kilo jedoch nicht in den Orbit. Dafür reicht der 23-Liter-Tank locker einen Tag in den Bergen.
Die Puristen
Klassische Linien sind in dieser recht modernen Motorradgattung eher Mangelware. Wer es pur mag, greift zu den Basismodellen, von denen die meisten aber trotzdem alles Nötige an Bord haben.
Yamaha Tracer 7
Mittlerweile werkelt der famose CP2-Motor in einer Unzahl von Yamaha-Modellen – mit Recht. 73 PS und 67 Nm werden hier mit einer herrlichen Leichtigkeit aus dem Ärmel geschüttelt, die einfach sympathisch sein muss. In der Grundform kommt die Tracer 7 mit ihren 197 Kilo Gewicht schlank ums Eck, trotzdem lässt sich das Fahrwerk in Vorspannung und Zugstufe einstellen.
Triumph Tiger Sport 660
Hinter dem Taschen-Tiger verbirgt sich mehr, als man denkt. Der emsige Dreizylinder leistet 81 PS und 64 Nm und kann mit so manch hubraumstärkerem Motorrad mithalten. Für dieses Jahr wurde bei der Ausstattung zugelegt, das ABS- und TC-System wurden kurventauglich, einen Quickshifter und einen Tempomaten gab es obendrein dazu.
Kawasaki Versys 650
Die kleine Versys bietet alles, was zum sportlichen Touren gebraucht wird. Auf Wunsch mit Seitenkoffern, die sie zum „Tourer“ machen, oder zusätzlichem Topcase, worauf sie dann zum „Grand Tourer“ wird. Kein Lametta, ehrliche 67 PS und ein üppiger 21-Liter-Tank für relativ schlanke 9.000,-- Euro samt Nebenkosten.
Die Komfortablen
Ja, es darf etwas mehr sein, aber bitte nicht überfrachtet. Hier ist der gelungene Spagat zwischen Sport und Tour zweitrangig, die goldene Mitte zählt.
Kawasaki Versys 1100
Die Crossover-Aida bietet ordentlich Platz und Komfort zu einem recht guten Einstandspreis. Knapp 14 Mille kostet die neue 1100er-Versys. Beim neuen Modell wurde der Motor praktisch völlig überarbeitet und liefert nun mit 135 satte 15 PS mehr ab als die 1000er. Je nach Schweregrad in Sachen Kofferfetisch gibt es sie als Standard ohne, als Tourer mit Seitenkoffern und als Grand Tourer mit zusätzlichem Topcase.
Yamaha Tracer 9 GT
Spartanisch, sprich Tracer 9, war gestern. Heute ist die Tracer 9 GT die bereits üppig ausgestattete Basisvariante. Dazu gehört zunächst ein Novum im Motorradbau, der erste selbstregulierende Matrix-Scheinwerfer, dann natürlich ein semiaktives Fahrwerk, in zehn Stufen regulierbare Heizgriffe (rechts und links unterschiedlich wäre noch schön), die Koffer und das zentrale Funkschlüsselsystem.
Die Luxusliner
Möglichst viel an Bord. Dies gilt für Technik, Platz und Gepäck. Wer gerne längere Touren fährt und auch mal zu zweit unterwegs ist, liegt mit diesen Modellen richtig.
Kawasaki Versys 1100 SE
Sie hat alles, was die normale Versys 1100 zu bieten hat, und das ist tourentechnisch gesehen schon extrem viel. Die SE bietet dafür noch ein semiaktives Fahrwerk, einen größeren Windschild, Heizgriffe, Handschützer, ein TFT-Display und natürlich eine Smartphone-App-Steuerung. Klar gibt es hier auch wieder drei Koffervarianten.
Honda NT1100
Die NT gehört eigentlich zu den Tourern, jedoch mit 150 Millimetern Federweg vorne wie hinten passt sie auch klasse ins Crossover-Feld. Die ohnehin fette Serienausstattung wurde für dieses Jahr noch weiter ergänzt. Unter anderem sind ABS und TC nun schräglagenabhängig, optional gäbe es ein semiaktives Fahrwerk. Vor allem aber wurde die Frontpartie deutlich gefälliger – fast schon hübsch.
Yamaha Tracer 9 GT+
Volle Hütte in Sachen Ausstattung. Die GT+ hat wirklich alles, was das Herz begehrt, an Bord. Knapp 20.000,-- Euro werden fällig, samt neuem automatisierten Schaltgetriebe Y-AMT, das sich neben den beiden Automatikmodi auch manuell per Handwippe schalten lässt.
Leistung | 119 PS (88 kW) bei 10.000 U/min, 93 Nm bei 7.000 U/min
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Gewicht
| 232 kg (fahrfertig)
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Tankinhalt | 19 Liter |
Ausstattung | Kurven-ABS, Wheelie-Kontrolle, schräglagenabhängige Traktionskontrolle, Fahrmodi, Reifendruckkontrollsystem, adaptiver Abstandstempomat, Slide-Control, Schaltassistent/Quickshifter, Totwinkelerkennung, Heizgriffe
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Preis ab | 19.249,-- Euro inkl. Nebenkosten
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Technisches Datenblatt | Alle technischen Details zu Yamaha Tracer 9 GT+ |
Neuvorstellung | Technik-Ritterschlag für Yamahas Sport-Tourer „Tracer 9 GT+“
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Test/Fahreindrücke
| Bike-Besprechung Yamaha Tracer 9 GT+ – die Erste ihrer Art
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Video
| Videocheck – Yamaha Tracer 9 GT+ und Niken GT
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Die Preiswerten
Wer für relativ kleines Geld in die moderne Sporttourer-Welt einsteigen möchte, kann aus zahlreichen bewährten und neuen Marken wählen.
CFMoto 700MT
In die chinesischen Motorräder fließt die Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit KTM und neuerdings auch Yamaha ein. Was an Innovation nicht geboten wird, wiegt eine oft freche Nachahmung bekannter Motorradmodelle und eine gewisse technische Bodenständigkeit auf. Und der Preis natürlich. 6.985,-- Euro – preiswert.
Honda NX500
Die NX steht namensmäßig in der direkten Nachfolge zur NX650 Dominator. Technisch jedoch in der zur CB500X oder CB500 Hornet, von der sie Rahmen und Motor vererbt bekam. Und ja, die Frontpartie ähnelt zwar jener der Transalp, Federwege und Gussfelgen verorten die NX jedoch auf der Straße.
Der Schwarm
Die Zulassungszahlen lügen zwar nicht, geben aber nur ein oberflächliches Bild ab. Nicht immer sind die Topmodelle auch die, die am besten zu mir passen, manche führen die Liste aufgrund heimischer Produktion an.
Rang | Modell | Stückzahl |
1. | BMW F 900 XR | 1.175
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2. | Yamaha Tracer 9 | 1.157
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3. | Honda NC750X
| 1.027
|
4. | BMW S 1000 XR
| 963
|
5. | Honda NT1100
| 785
|
6. | Moto Guzzi V85 TT
| 696
|
7. | BMW M 1000 XR
| 667
|
8. | Yamaha Tracer 7 | 608
|
9. | Kawasaki Versys 1000
| 461
|
10. | Kawasaki Versys 650
| 352
|